Nach Ernst Otto Lindner war Schopenhauer so naiv, „im gelegentlichen Gespräch ganz offen einzugestehen, dass ihm in seinem Leben die Geschlechtsliebe, die Frauenzimmer viel zu schaffen gemacht hätten“.[i]
Sein Freund Frauenstädt erwähnt eher nebenbei dessen „fleischliche Schwächen“.[ii] Der italienische Philosoph Franco Volpi (1952-2009) wird diesbezüglich deutlicher. Er schrieb in der Einleitung zu Arthur Schopenhauer Die Kunst, mit Frauen umzugehen, Schopenhauer sei, was seine Beziehungen zu Frauen anbelange, „trotz seiner erklärten Frauenfeindlichkeit und seiner philosophischen Lobrede auf das asketische Leben der 'waagerechten Leidenschaft' zugeneigt“ gewesen und habe durchaus nicht „auf die Wonnen des Fleisches“ verzichtet. „Kurzum, er predigte Wasser und trank lieber Wein.“[iii]
Dazu passt, was Schopenhauer zu Carl Georg Bähr (1834-1893), der ihn 1856 kennenlernte, sagte: „Und was die Weiber anbetrifft, so war ich diesen sehr gewogen — hätten sie mich nur haben wollen.“[iv]
Allerdings hielten der Grundsatz der Gerechtigkeit und das Mitleid den Philosophen vermutlich davon ab, die Befriedigung seiner „Lüste auf Kosten des Lebensglückes weiblicher Individuen zu suchen, oder das Weib eines Andern zu verführen“.[v] In den Cogitata notierte er 1831: „Die Zahl der verehelichten Frauen und der auf Ehe hoffen dürfenden Mädchen nimmt ab; die Zahl hülfloser Weiber nimmt zu: zur Befriedigung des männlichen Geschlechts entsteht ein öffentlich anerkannter Stand der Huren, welche eigene Abgaben entrichten müssen, keine bürgerlichen Ehren haben, kein ehrliches Begräbniß u.s.w. (z.B. im alten Rom) ihr Zweck ist jene bevorrechteten Frauen vor Verführung zu schützen.“[vi]
Die Freudenmädchen, „die ein so freuden-, wie ehrloses Leben führen“, erwähnt Schopenhauer dann auch in seinem „vielberufenen“ Kapitel „Ueber die Weiber“.[vii]
Angelika Hübscher (1912-1999) schrieb in ihrem Beitrag im Schopenhauer-Jahrbuch von 1977 über „Schopenhauer und 'die Weiber'“, das vielberufene Kapitel „Ueber die Weiber“ in den Parerga und Paralipomena, das dem Philosophen immer „besonders angekreidet“ werde, umfasse „knappe 14 Seiten und damit weniger als ein halbes Hundertstel des Gesamtwerks“, wobei die Nachlassausgabe mit ihren Bänden, die Briefe und Gespräche ebensowenig zählen wie die Vorreden zu den Werken.[viii]
In einem Manuskript aus dem Jahr 1812 notierte Schopenhauer in Berlin: „Den Anfechtungen deiner Sinnlichkeit siehe lachend so zu wie der Ausführung eines gegen dich verabredeten dir aber gesteckten Schelmstreichs.“[ix] Zu Frauenstädt sagte Schopenhauer einmal: „Ich habe wohl gelehrt, was ein Heiliger ist, bin aber selbst kein Heiliger.“[x]
Lucius Annaeus Seneca (um 4 v. Chr. — 65 n. Chr.) schrieb in Über das glückliche Leben, man habe Platon, Epikur und Zenon vorgeworfen, sie hätten nicht ausgeführt, „wie sie selber lebten, sondern wie sie selber leben müßten“.[xi] Hierzu passt der Ausspruch: „Der Wegweiser muss nicht den Weg gehen, den er weist.“
[i] Lindner, Frauenstädt, S. 62.
[ii] Lindner, Frauenstädt, S. 273.
[iii] Arthur Schopenhauer: Die Kunst mit Frauen umzugehen, hg. von Franco Volpi, München 2003 (becksche reihe), S. 19-20.
[iv] Gespr, S. 231, 239.
[v] D, 3, S. 684. Vgl. Cholerabuch, S. 132, 172: über Käthchen Ott.
[vi] Cogitata, S. 234.
[vii] D, 5, S. 686. Vgl. Volpi: Die Kunst mit Frauen umzugehen, 87-88.
[viii] D, 5, S. 676-689, 14 Seiten. Hübscher: Schopenhauer und „die Weiber“, 187.
[ix] HN I, S. 24.
[x] Lindner, Frauenstädt, S. 273. Gespr, S. 134. GBr (1978), S. 294.
[xi] Seneca: De vita beata, XVIII, 1.
Die weiteren Teile der Serie «Arthur Schopenhauer als Menschenfreund» finden Sie in unserem Schopenhauer-Dossier.