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Stadt St.Gallen
09.02.2023
13.02.2023 11:10 Uhr

Erweiterter Baumschutz: Widersprüchliche Politikerinnen?

Fällungen von Bäumen mit einem Durchmesser über etwa 25 cm sollen künftig auf dem gesamten Stadtgebiet bewilligungspflichtig sein
Fällungen von Bäumen mit einem Durchmesser über etwa 25 cm sollen künftig auf dem gesamten Stadtgebiet bewilligungspflichtig sein Bild: stz
Nächsten Monat steht die Abstimmung über die Erweiterung des Baumschutzes an. Mitten im Abstimmungskampf stechen zwei Stadtparlamentarierinnen und Mitinitiantinnen mit widersprüchlichen Aktionen heraus.

Am 12. März stimmt die Stadt-St.Galler Stimmbevölkerung über die Erweiterung des Baumschutzes ab. Heute gilt der Baumschutz lediglich in einzelnen Gebieten; das Fällen von Bäumen mit einem Umfang von 80 Zentimetern (circa 25 cm Durchmesser) bedarf einer Bewilligung. Dieser Schutz soll nun auf das ganze Stadtgebiet ausgeweitet werden.

Die Erweiterung des Baumschutzes hat ihren Ursprung in einer Interpellation im Jahr 2020. Initianten des Vorstosses waren Veronika Meyer (Grüne), Andreas Hobi (Grüne), Helen Thoma (CVP), Nadine Niederhauser (GLP) und Elisabeth Zwicky Mosimann (FDP).

Die Interpellation wurde auch vom Stadtrat beantwortet; er hat sich bereit erklärt, die bestehende Bewilligungspflicht für Baumfällungen grundsätzlich auf das gesamte Stadtgebiet auszuweiten. Im Frühling 2021 wurde die Bevölkerung auch eingeladen, zur Zonenplanänderung Stellung zu nehmen.

Zur schriftlichen Interpellation

Zur Antwort des Stadtrats

Schliesslich wurde die Zonenplanänderung zur Erweiterung des Baumschutzes am 24. Mai 2022 im Stadtparlament behandelt und mit 38 Ja-Stimmen angenommen. Allerdings unterstellten 21 Stadtparlamentarier diesen Beschluss dem Ratsreferendum; somit kommt es nun am 12. März zur Abstimmung.

Zum Abstimmungsbüchlein

Wie Fahnen im Wind?

Nun stechen zwei Stadtparlamentarierinnen heraus:  Nadine Niederhauser von der GLP und Elisabeth Zwicky Mosimann von der FDP.

Elisabeth Zwicky Mosimann ist Mitinitiantin der Interpellation, stimmte aber am 24. Mai 2022 gegen die Erweiterung und für das Ratsreferendum. Auf Nachfrage von stgallen24, warum sie jetzt plötzlich gegen den erweiterten Baumschutz ist, erklärt sie sich.

«Der Stadtrat hat in der Interpellationsantwort richtigerweise auf die zunehmende Bedeutung der Bäume angesichts des Klimawandels verwiesen und dabei betont, dass ein Gleichgewicht zwischen der baulichen Entwicklung, der gewünschten Innenverdichtung, der Wahrung der Eigentumsfreiheit und einem wirksamen Baumschutz wichtig sei», so Zwicky Mosimann.

Zudem habe der Stadtrat damals selbst die Meinung vertreten, dass eine grundlegende Überprüfung der aktuell geltenden Instrumente nur anlässlich der Gesamtrevision von Bau- und Zonenordnung und nicht bereits im Vorfeld stattfinden könne.

Elisabeth Zwicky Mosimann Bild: facebook.com/ElisabethZwickyMosimann1

«Ein politischer Schnellschuss»

Der Stadtrat sei davon aber abgewichen: «Er beantragt in einem ‹Schnellschuss› die flächenmässige Ausdehnung ohne jegliche Unterschiede nach den Bedürfnissen in den verschiedenen Stadtgebieten. In der Vorlage vermisse ich insbesondere eine Interessenabwägung zwischen den auch seitens Stadtrat als bedeutsam beurteilten Kriterien, welche zu einem Gleichgewicht führen sollen.»

Insbesondere fragwürdig ist aus Sicht der FDP-Stadtparlamentarierin, dass der Baumschutz «undifferenziert auf praktisch das ganze Stadtgebiet ausgeweitet wurde».

Die «etwas lapidare Aussage», dass Gewerbe und Industriezonen nicht ausgenommen werden sollen, da diese an Hitzetagen sogar besonders stark von der Überhitzung betroffen seien, lasse andere Kriterien, wie zum Beispiels das sehr beschränkte Angebot solcher Zonen und die Art der Nutzung, völlig ausser Acht, so Zwicky Mosimann.

Nach wie vor für Baumschutz

Ihre Glaubwürdigkeit sieht die FDP-Politikerin nicht gefährdet. «Ich war damals wie heute für einen griffigen und sinnvollen Baumschutz.» Sie sei aber gegen die geplante Umsetzung. «Ein guter Baumschutz besteht für mich nicht aus einer simplen Ausdehnung auf eine möglichst grosse Fläche.»

«Ich befürworte zudem, dass die Stimmbevölkerung sich zu diesem nicht nur für die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer, sondern für alle Einwohnerinnen und Einwohner wichtigen Thema äussern kann.»

Nadine Niederhauser Bild: www.nadineniederhauser.ch

Baumschutz – aber nicht im eigenen Garten

Die zweite Stadtparlamentarierin – und wie Elisabeth Zwicky Mosimann ebenfalls Mitinitiantin der Interpellation –, die für Gesprächsstoff sorgt, ist Nadine Niederhauser; anders als Zwicky hat sie im Stadtparlament aber für die Erweiterung und gegen das Ratsreferendum gestimmt.

In einem Leserbrief gibt ihr Nachbar Stephan Widmer bekannt, dass die GLP-Stadtparlamentarierin in ihrem eigenen Garten eine Gruppe von fünf Bäumen fällen wolle, um eine Garage zu bauen. Das Verhalten irritiere ihn «massivst».

Ob sich das Bauvorhaben mit ihrem Einsatz für die Erweiterung des Baumschutzes beisst, wollte Niederhauser stgallen24 nicht beantworten. Die Verknüpfung der Abstimmungsvorlage mit ihren privaten Plänen sei konstruiert; unsere Fragen seien somit hinfällig.

Die GLP-Stadtparlamentarierin verweist auf das Abstimmungsbüchlein, es handle sich nicht um einen absoluten Baumschutz, Bauvorhaben seien nach «einer sorgfältigen Prüfung» wie bisher möglich, so Nadine Niederhauser. «Schlussendlich entscheidet immer die Bewilligungsbehörde – auch in meinem Fall.»

Weiter schreibt Niederhauser, dass es dem Leserbriefschreiber «offensichtlich weniger um die Bäume, dafür eher um die Tangierung seiner eigenen Interessen» gehe.

Unbeantwortet liess die Politikerin auch die Frage, wie viele der fünf Bäume unter den Baumschutz – 80 Zentimeter Umfang – fallen würden und ob sie mit diesem Vorhaben ihre Glaubwürdigkeit nicht untergrabe.

Nicht im Ja-Komitee

Auch die Präsidentin der GLP Stadt St.Gallen und Mitglied des Ja-Komitees, Magdalena Fässler, verweist darauf, dass es sich um einen privaten Konflikt handle. «Darüber in Zusammenhang mit der Abstimmung zu diskutieren, ist also müssig.»

Die GLP ist zwar für die Erweiterung des Baumschutzes, allerdings ist Nadine Niederhauser nicht als Mitglied des Komitees aufgelistet, wie auf der Website zu sehen ist.

Patrice Ezeogukwu/stgallen24
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