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Gaiserwald
23.04.2025
23.04.2025 11:45 Uhr

Vom Stall auf die grosse Bühne

Bruno, der rappende Stier
Bruno, der rappende Stier Bild: Screenshot Youtube
Wenn eine Kuh mit DJ-Pult und ein rappender Stier mitten in die Liveübertragung einer internationalen Musikshow platzen, dann ist das kein Zufall, sondern das Finale einer ungewöhnlichen Erfolgsgeschichte: Die KI-Trilogie «Das Geheimnis der Berghütte» des Abtwilers Pasquale de Sapio endet mit einem Paukenschlag – und einem vollständig KI-generierten Song inklusive Musikvideo, das zeigt, wie Technologie und Kreativität zu neuer Form finden.

Im Zentrum des Finales steht der Song «Opa, Holy Fondue!», ein augenzwinkernder, verspielter Hip-Hop-Track, der mit gängigen Seh- und Hörgewohnheiten bricht – und das bewusst. Komposition, Rap-Performance, Gesang und Visuals wurden mithilfe künstlicher Intelligenz erzeugt, choreografisch abgestimmt und visuell stimmig umgesetzt.

Die Stimme stammt von einem eigens definierten virtuellen Künstler, der auf Basis von Voice-Cloning modelliert wurde.

Besonders eindrücklich ist der KI-gestützte Produktionsprozess, der eigens für dieses Musikvideo entwickelt wurde: Die Bewegungen der tierischen Protagonisten wurden auf Rhythmus und Takt abgestimmt.

Ergänzt wird das durch intelligentes Lip-Sync, das selbst Schnauzen und Mäuler präzise zum gerappten Text animiert. So entsteht ein verblüffend harmonisches Zusammenspiel von Ton und Bild, das zeigt, wie eng sich KI-basierte Animations- und Musiktechnologien heute verzahnen lassen.

Der künstlerische Kopf hinter dem Projekt ist Pasquale de Sapio, ein Pionier der Schweizer Hip-Hop-Szene, der in den 1990er-Jahren mit Produktionen für Acts wie P-27 oder der Compilation-Serie Fresh Stuff die Dialekt-Welle prägte.

Schon damals veränderten digitale Tools wie MIDI-Sequenzer und Sampling die Musikproduktion. Heute wagt er mit KI einen neuen Schritt – nicht am Rand, sondern mitten im kreativen Zentrum.

Statt Beats zu programmieren, interagierte de Sapio diesmal mit der Maschine über Sprache:

Prompts ersetzten Maus und Keyboard. Akkordfolgen, Rhythmusideen, Songstruktur und Textfragmente wurden textbasiert übermittelt – und von der KI zu einem vollständigen Song verarbeitet.

Das Ergebnis ist keine technische Spielerei, sondern eine neue Form der Komposition: experimentell, herausfordernd und voller kreativer Möglichkeiten.

Was früher professionelle Studios, Session-Musiker und hohe Budgets erforderte, kann heute mit einem Laptop, einer Idee und den richtigen Tools realisiert werden. Die KI übernimmt nicht das Denken, aber sie bietet neue Wege an – besonders für junge, unabhängige Künstler, wenn Know-how vorhanden ist, aber finanzielle Mittel fehlen.

Die Einstiegshürden sinken, doch das kreative Niveau hängt weiterhin vom Menschen ab. Denn ohne musikalisches Grundverständnis, Gespür für Dramaturgie und stilistisches Feingefühl bleibt auch der intelligenteste Algorithmus bloss ein Werkzeug ohne Richtung.

Mit dem KI-Song rücken grundlegende Fragen ins Rampenlicht:

Wer ist eigentlich Urheber, wenn Melodie, Stimme und Text durch ein Mensch-Maschine-System entstehen? Wie lassen sich kreative Leistungen schützen, wenn sie technisch beliebig reproduzierbar sind? Und wie gehen wir als Gesellschaft mit dieser neuen Produktionsweise um?

Pasquale de Sapio sieht die Chance in der Diskussion: «Wir müssen lernen, kreative Verantwortung neu zu denken. Nicht um zu kontrollieren, sondern um Möglichkeiten bewusst zu gestalten. KI verändert nicht nur, wie wir Musik machen – sondern auch warum.»

Die Trilogie Das Geheimnis der Berghütte hat bereits internationale Aufmerksamkeit bei AI-Filmfestivals in Paris, New York und Tianjin erhalten. Mit dem Song im Finale wird nun auch die Musikindustrie herausgefordert – inhaltlich, technologisch und kulturell.

Ein Blick nach Asien zeigt, wohin die Reise gehen könnte:

In Ländern wie Japan oder Südkorea gehören virtuelle Superstars längst zum Alltag. Digitale Avatare füllen Konzerthallen, bewegen Fangemeinden und verschieben kreative Wertschöpfung. Was dort längst Realität ist, wirkt in Europa noch wie ein Zukunftsszenario – dabei zeigt sich: Die Akzeptanz solcher Phänomene ist auch eine Frage des kulturellen Blickwinkels.

Und der Soundtrack? Der ist seit heute auf allen gängigen Streamingplattformen abrufbar. KI-generierte Musik ist Realität. Was zählt, ist nicht das Werkzeug – sondern der kreative Wille dahinter.

Der Traum von Bruno geht weiter. Vom Applaus. Vom ESC. Vom grossen Auftritt. Und wer findet, dass ein rappender Stier genau das ist, was Europas grösste Musikshow braucht, kann das gerne kommentieren.

pd/stz.
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