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Stadt St.Gallen
28.01.2024
03.04.2024 14:24 Uhr

Perlen aus dem «Stadtspiegel»: «Alles fahrt Schii»

Schulkinder warten am St.Galler Hauptbahnhof auf den Zug, der sie ins Skilager bringen wird.
Schulkinder warten am St.Galler Hauptbahnhof auf den Zug, der sie ins Skilager bringen wird. Bild: StadtASG, Pressebüro Kühne Künzler A6697IV3, Foto: Regina Kühne (1974)
Vera Zürcher vom Stadtarchiv hat für den «Stadtspiegel», die Personalzeitschrift des städtischen Personals, und für stgallen24 Interessantes aus der St.Galler Geschichte zusammengestellt. Der zweite Beitrag führt uns auf die Piste.

«… alles fahrt Schii, Schii fahrt di ganzi Nation.» Dieser Hit aus dem Jahr 1963, mit dem Vico Torriani die beliebte Sportart in alle Ohren brachte, dürfte heute zwar nicht mehr gleich bekannt sein, doch hat er keinerlei Wahrheit verloren. Schneesport ist in der Schweiz omnipräsent. Ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung fährt mindestens einmal im Jahr Ski oder Snowboard. (1)

Skirennen erzielen im Fernsehen exzellente Einschaltquoten; gemäss dem Verband Swiss-Ski waren während der Corona-Pandemie 2020 24 der 27 meistgeschauten Sportsendungen auf SRF alpine Skirennen. (2) Schulen und Vereine organisieren Skilager, Orte wie St.Moritz, Davos oder Laax sind international bekannt als Paradiese für Skifahrer und Snowboarder und sogar die Winterferien hiessen früher Ski- oder Heizferien.

Während Förster und Bauern schon vor Jahrhunderten wussten, wie man mit «Ski», eigentlich Fassdauben, dem Schnee trotzt, sind die im 19. Jh. aus Norwegen importierten Ski eine wahre Erfolgsgeschichte.

Schneesport in der Schweiz: Vom Elitenphänomen zum Massentourismus

Wohl am Anfang des 20. Jahrhunderts schreibt ein Mitglied des 1907 gegründeten Alpinen Skiclubs St.Gallen in einem undatierten Brief an die Vereinsmitglieder: «Übt wa[c]kre Kameradschaft, Sommer u[nd] Winter[!] Haltet treu zusammen angesichts der hohen Ideale, die der alpine Ski-Lauf Euch bietet. Es ist nun einmal ein Sport, der wie keiner dazu beiträgt [sic] starke gesunde Menschen zu erziehen, die im harten Kampf ums Dasein nicht zusammenbrechen wie Strohhalme [sic] sondern zäh u[nd] fest wie Wettertannen den Stürmen des Lebens entgegen bolzen.»

Was uns heute pathetisch erscheint, war um die Jahrtausendwende das verbreitete (Selbst-)Bild des Schneesports. Abgesehen vom starken Körperideal, das hier fassbar wird, war er damals nämlich ein Mittel der europäischen und amerikanischen Oberschicht, um der restlichen Gesellschaft zu demonstrieren, dass sie es sich leisten konnte, einer Tätigkeit ohne Zweck, ohne wirtschaftliche Produktivität nachzugehen. Pierre de Coubertin, Begründer des International Olympic Committee (IOC) – von dem im St.Galler Athletikzentrum ein Zitat prominent an der Wand prangt –, beschrieb den Charakter des Sports denn auch als «adlig und ritterlich».

Dass dies heute nicht mehr so ist, wurzelt auf drei Grundpfeilern: Der späten Professionalisierung des Skisports, der Verbindung von Sport und Medien und dem alpinen Tourismus.

Erstens: Die Frage, wo die Grenze zwischen Spitzen- und Amateursport zu ziehen sei, führte in der Sportwelt in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten. Ein Beispiel: An den Olympischen Spielen 1936, an denen die ersten alpinen Skirennen stattfanden, schloss das IOC Skilehrer von den Wettkämpfen aus, weil diese als Profisportler betrachtet wurden. Im Internationalen Skiverband FIS (Fédération Internationale de Ski) galt diese Regelung aber nicht.

So durften Skilehrer also an Weltmeisterschaften, aber nicht an Olympischen Spielen teilnehmen. Der Unmut darüber gipfelte im Boykott der Herren-Skirennen durch die Skiverbände Österreichs und der Schweiz, weil alle Nationalfahrer Skilehrer waren – ein schlechtes Image für die Olympischen Spiele. Das IOC lenkte an den nächsten Olympischen Winterspielen 1948 in St.Moritz ein und Skilehrer durften teilnehmen – aber nur, wenn es sich dabei um eine Nebeneinkunft handelte.

Besonders das IOC sperrte sich lange gehen die Professionalisierung des Sports, weil das für das Komitee einen Kontrollverlust über die Regeln, die Wettkampforganisation und die eng an den Amateurstatus gebundenen Teilnahmebedingungen für Sportler bedeutete. Erst 1981 verzichtete der IOC-Kongress den weitgehenden Verzicht auf die Amateurregel. Eine Folge davon ist, dass früh professionalisierte Sportarten wie Fussball oder Tennis in Olympischen Spielen kaum Beachtung finden und dass umgekehrt die Olympischen Spiele in diesen Sportarten nicht dieselbe Wichtigkeit wie etwa Weltmeisterschaften haben.

Zweitens: Zeitungen, Radio und Fernsehen spielten und spielen bei der Entwicklung der Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports eine Schlüsselrolle. In London, wo Sportwetten ein beliebter Zeitvertreib waren, unterstützte die Zeitschrift «The Sporting Magazine» Glücksspieler schon 1791 bei der Platzierung ihres Einsatzes. Die erste Schweizer Fachzeitschrift «La Suisse Sportive» erschien 1897 alle 14 Tage.

Mit der Telegrafie wurde die schnelle Kommunikation zwischen Journalistinnen und Journalisten vor Ort und der Redaktion möglich und neben den Fachzeitschriften begannen sich – allerdings erst in der Zwischenkriegszeit – auch gehobenere Zeitungen wie beispielsweise die NZZ, die bisher nur punktuell über Turn- und Schützenfeste berichtet hatte, für die Einnahmen zu interessieren, die sie mit speziellen Sportseiten generieren konnten. Zur selben Zeit etablierte sich das Radio als neues Medium. Durch die Tonübertragung konnten erstmals Menschenmassen ausserhalb der Stadien und Arenen an Sportveranstaltungen teilhaben.

1923 wurde das Fussball-Länderspiel Uruguay-Schweiz live aus Paris in die Tonhalle in Zürich übertragen, da private Radios noch eine Seltenheit waren. Zehn Jahre später war das Radio als Sportübertragungsmedium schon so erfolgreich, dass der Tessiner Sender «Monte Ceneri» zusammen mit Sportverbänden das Radrennen «Coppa Pro Radio» organisieren konnte. Diese frühe allgemeine Begeisterung für Sport und der hohe Stellenwert der Sportberichterstattung zeigt sich auch darin, dass die SRG 1934 täglich News einer Sportnachrichtenagentur übernahm.

Ähnlich war die anfängliche Verbreitung privater Fernsehgeräte: Bis in die 1950er-Jahre noch eine Seltenheit, war es doch für Privatpersonen nur bedingt möglich, Sportevents von zuhause aus zu schauen. Viel einfacher und günstiger war das, was wir heute «public viewing» nennen: Der Besuch von öffentlichen «Fernsehstuben» oder «Grossbildstellen», wo Bilder auf Leinwand projiziert wurden.

In späterer Zeit liess sich immer wieder feststellen, dass vor globalen Events wie den Olympischen Spielen oder Fussball-Weltmeisterschaften die Verkaufszahlen von Fernsehgeräten in die Höhe schnellten. Die Schweizer Nachrichtensendung «Antenne» strahlte schon Ende der 1960er-Jahre die «Geschichte des Skilaufs» aus und spätestens der im Fernsehen nachzuverfolgende Schweizer Olympia-Medaillenerfolg von Bernhard Russi, Marie-Theres Nadig, Edmund Bruggmann und Werner Mattle in Sapporo 1972 garantierte der Sportart nachhaltige Beliebtheit.

Diese Welle nutzte die noch heute mit (Schnee)Sport assoziierte Marke Ovomaltine für sich, denn im selben Jahr wurde der «Ovomaltine Grand Prix» (heute «Grand Prix Migros») lanciert, ein von Ovomaltine gesponserter und vom Schweizer Skiverband SSV (heute Swiss-Ski) organisierter Anlass für Kinder- und Jugendrennen, der den Nachwuchs früh für Skirennen begeistern und es ermöglichen sollte, früh neue Talente zu erkennen.

Das war vielleicht mit ein Grund für Ovomaltine, ihr Produkt noch Jahre später mit Skisport zu bewerben, wie es dieser Werbespot aus dem Jahr 1999 zeigt. Noch vor knapp 10 Jahren besuchte auch Didier Cuche als «Ovo-Botschafter» die Ovomaltinefabrik.

 

Bei der Rückkehr der beiden aus Flums stammenden Olympiagewinner Marie-Theres Nadig und Edmund Bruggmann in ihre Heimat überliefen jubelnde Fans nicht nur die Strassen, sondern bestiegen sogar Hausdächer, um die Ankunft ihrer St.Galler Idole zu verfolgen. Auch Ovomaltine und Globi sind auf den Ballonen mit von der Partie. Bild: StadtASG, Pressebüro Kühne Künzler A5616VI2, Foto: Karl Künzler (21.03.1972)

Drittens: Diese mediale Beliebtheit führte dazu, dass Schneesport an Prestige gewann und in den alpinen Orten ein neues touristisches Interesse entstand. Seit seinen Anfängen im 18. Jahrhundert war der Tourismus in die Alpen mit körperlichen Aktivitäten verbunden, beschränkte sich aber zunächst auf Wanderungen im Sommer und Alpinismus.

Mit dem Ausbau der Eisenbahnlinien wurde der Tourismus in den Alpen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert stark gefördert. Es entstanden zahlreiche Bergbahnen und Hotels, die neu nicht nur im Sommer, sondern ganzjährig geöffnet waren. Dieser Aufschwung hielt über Jahrzehnte an.

Zur Illustration: 1950 existierten in der Schweiz 130 Wintersportanlagen, in denen die Sportlerinnen und Sportler per Skilift bequem zum Pistenstart gelangten und sich den mühseligen Aufstieg sparen konnten. 1968 waren es bereits 1000. (3)

Vielseitige Skiförderung in St.Gallen

Zwischen 1950 und 1970 sprossen die Skisportanlagen – Skilifte und weitere Wintersportanlagen – in der Schweiz nur so aus dem Boden. Dabei zog auch St.Gallen wacker mit: Zwischen 1970 und 1972 wurden die 5 Skilifte in Gommiswald, Schlössli-Haggen, Sand-Trogen, Lauftegg-Kronberg und auf der Beckenhalde eingeweiht. Wichtige Promotoren dieser Ereignisse dürften die St.Galler Skiclubs gewesen sein, von denen es gleich mehrere gab: Den Alpinen Skiclub, der Neue Skiclub, der Skiclub «Naturfreunde» und der Skiclub Riethüsli sind nur einige Namen.

Wie stark diese Verbände in der Gesellschaft vernetzt waren und damit in der Stadt und für den Tourismus etwas bewegen konnten, zeigt sich einerseits daran, dass die Skiclubs Hütten besassen, die sie zunächst ausschliesslich selbst nutzten, mit der Zeit aber auch für Nichtmitglieder öffneten.

Wie wichtig diese für die Gesellschaft waren, zeigt ein Votum des Stadtrates, der dem Neuen Skiclub 1963, nachdem dessen Hütte vollständig abgebrannt war, eine einmalige Unterstützung von 2000 Franken aussprach, weil der Neue Skiclub seit nunmehr «30 Jahren unentgeltliche Kurse für den allgemeinen Skiunterricht auf Grund der schweizerischen Einheitstechnik» gab.

Andererseits prägte zwischen 1929 und 1962 der Skiclub Riethüsli das St.Galler Stadtbild massgeblich, indem er auf Stadtgebiet im Riethüsli eine Skisprungschanze errichtete. Dem SC Riethüsli oblag nebst der Finanzierung auch die Pflege der Anlage. Auf ihr fanden neben regulären «Sprungläufen» mehrmals auch Nachtspringen statt, beides jeweils ein grosser Zuschauermagnet.

Allerdings, so verrät ein Protokoll des Stadtrates aus dem Jahr 1931, hatte die Schanze den Nachteil, «dass der Sprunglauf von der Staatsstrasse aus ebenso gut verfolgt werden kann, wie im Platze selbst, was zur Folge hat, dass bei Sprungkonkurrenzen, zu denen ein Eintrittsgeld erhoben wird, sich viele Zuschauer auf der Strasse aufstellen und sich auf diese Weise der Entrichtung des Eintrittsgeldes entziehen.»

Das Problem liess sich leider nicht lösen, da es dem Skiclub Riethüsli nicht gestattet war, auf öffentlichem Grund den Kauf von Billetten zu erzwingen.

Weitere Bestrebungen, den Skisport zu fördern, unternahm der SC Riethüsli mit der Veranstaltung von Ski-Tagen. An diesen fanden sowohl ein Langlauf vom Gäbris bis St.Gallen als auch nachmittags ein Skispringen statt. Die Skitage wurden von der Stadt mit 100 bis 200 Franken unterstützt. Im Jahr 1946 spannten der SC Riethüsli und der Neue Skiclub zusammen und organisierten mit der Unterstützung des Stadtrats einen gemeinsamen Anlass. Man war zuversichtlich, dass «die geplante Veranstaltung zweifellos einem regen Interesse begegnen und damit auch der Verkehrsbelebung dienen wird».

Die Vereine prägten den Skisport in St.Gallen massgeblich mit und die Stadt profitierte von ihrem Schaffen. So gelang es dem Neuen Skiclub St.Gallen beispielsweise 1939 – trotz der Konkurrenz aus Zürich – die Versammlung der Abgeordneten des Schweizerischen Skiverbandes nach St.Gallen zu bringen. Da rund 300 Delegierte diesen Anlass besuchten, erwähnt der Stadtrat besonders die «propagandistische und wirtschaftliche Bedeutung dieses Anlasses für den Tagungsort.»

Die Skiclubs und ab 1954 die öffentliche Skischule «Naturfreunde» waren es auch, die der Stadtbevölkerung das Skifahren lehrte.

Für Sicherheit ist gesorgt: 1962 fand in Appenzell der erste Schweizerische Kurs für Skipistendienst statt. Bild: StadtASG, Pressebüro Kühne Künzler A170VII1, Foto: Karl Künzler

Umgekehrt ermöglichte es die Stadt den Sportvereinen auch, für sich zu werben. Zeitweilen stellte das Sportgeschäft Sonderegger & Ruckstuhl den führenden Sportvereinen St.Gallens an der Ecke Multergasse-Neugasse einen Schaukasten für Fotos und «anderer irgendwelcher Propaganda» bereit.

Das Sportgeschäft Sonderegger & Ruckstuhl, das sich an der Ecke Multergasse-Neugasse be-fand, stellte den führenden Sportvereinen St.Gallens in seinen Schaufenstern möglicherweise sogar unentgeltlich Schaukästen bereit, wo Werbung für den Verein gemacht werden konnte. Hier wird mit Rucksäcken, Skischuhen, Gaskochern und weiterem Zubehör für den Skilift auf dem Kronberg geworben. Bild: StadtASG, Pressebüro Kühne Künzler A1971II1, Foto: Karl Künzler (28.09.1966)

All dies zeugt vom regen Interesse St.Gallens, ihre Jugend zu sportlichen Menschen zu erziehen, und in den folgenden Jahren etablierte sich zunehmend eine sportfördernde Grundstimmung im Stadtrat. Er unterstützte jahrzehntelang zahlreiche Ski-Anliegen mit unterschiedlich hohen Beträgen.

1954 schrieb er: «Es ist nicht zu verkennen, dass das Skifahren geeignet ist, die sportliche Ertüchtigung der Jugend zu heben und die Volksgesundheit ganz allgemein zu fördern», um nur ein Jahr später zu konstatieren: «Der Skisport hat sich zu einem eigentlichen Volkssport entwickelt.»

Die Skibegeisterung beflügelte in den 1960er-Jahren die Kreativität der Fahrerinnen und Fahrer. Sie schufen sich diverse neue Sommerhobbies, die uns heute durchaus skurril erscheinen: Auf sehr kurzen Rollbrettern fuhr man, die Füsse direkt nebeneinander, über den Asphalt, um auch im Sommer das «Wippen» zu üben.

Bretter mit einem solchen Rollgewinde existieren übrigens auch heute noch: Sie dienen aber nicht mehr dem Training des Skifahrens, sondern gelten als Landübung für das Surfen und tragen den Namen Surf-Skate. Die «Antenne» warnte jedoch vor diesem Sport, «denn Asphalt ist immer härter als Schnee.»

Weniger weh tat ein Sturz wohl, wenn man statt auf den Asphalt auf Gras stürzte. Möglich war das, weil 1979 die Skilifte auch im Juli liefen. Mit sogenannten «Rollski» an den Füssen, die wie Fuhrwerke von Panzern anmuten, konnte man sich den Hügel hochziehen lassen und dann mit Hüftschwung und nur im T-Shirt den Hang hinunterfahren.

Für das sommerliche Skivergnügen war weniger Ausrüstung nötig, doch mussten unter dem Bügellift Matten ausgelegt und die Ski mit Rollgefährten ersetzt werden. Bild: StadtASG, Pressebüro Kühne Künzler B1840III2, Foto: Regina Kühne (Juli 1979)

«Chum mach mit!»: Kinder lernen Skifahren

Wichtig für die Verbreitung des Skisports in der Schweiz war die Schweizer Armee. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurden Gebirgsgruppen eingeführt und im Militärdienst lernten zahlreiche Soldaten das Skifahren.

Während des Zweiten Weltkriegs – als der internationale Tourismus ausblieb – wurden erstmals Skilager für Schulkinder organisiert und mit ihnen die leeren Hotels gefüllt. Die Armee veranstaltete dafür sogenannte Vorkurse. Diese waren freiwillig und erfreuten sich grosser Beliebtheit. 1965 etwa besuchten 24’000 Knaben einen Vorunterrichtskurs oder ein -skilager.

Wie das aussah, verrät der Beitrag der Sendung «Antenne» vom 13. Januar 1967. Die Ski für diese Vorkurse verlieh die Armee kostenlos, damit Kinder aller Schichten das Skifahren erlernen konnten. Eng mit dem Vorunterricht verbunden ist auch die Gründung der Eidgenössischen Turn- und Sportschule ESSM in Magglingen (heute EHSM) 1944. Der freiwillige Vorunterricht umfasste neben Kursen mit sportlichen und technischen Aktivitäten auch jährliche Leistungsprüfungen, Winter- und Sommerlager und Kurse im Gebirge. 1972 wurde der Vorunterricht von Jugend + Sport (J+S) abgelöst.

Die Vereine unterstützten die Bevölkerung, indem sie wie hier der SC Riethüsli gratis Ski an Nichtmitglieder abgaben. Bild: StadtASG, Pressebüro Kühne Künzler, B2582II1, Foto: Karl Künzler (18.10.1980)

Von diesen Leihski profitierten auch St.Galler Schüler (nicht Schülerinnen). Für sie wurden ab den 1940er-Jahren die Sportferien geschaffen (1), die zum Skifahren genutzt werden sollten – nicht umsonst nannte man die Winterferien früher Skiferien. In St.Gallen dauerten diese einst ganze fünf Wochen!

Die Leihski wurden Familien «aus bedürftigen Kreisen» zur Verfügung gestellt. Schon 1941 betrug ihr Bestand 583 Paar. Allerdings war dieser bei weitem nicht gross genug, denn Skifahren war mittlerweile so beliebt, dass sich im November 1941 bereits 844 Schüler zum Bezug von Leihski angemeldet hatten.

Mit den Jahren stiegen sowohl der Bestand als auch die Nachfrage an Leihski stetig, obschon bereits 1942 Stimmen laut wurden, die sich überlegten, «ob mit Rücksicht auf die Einführung der dritten Turnstunde und der obligatorischen Nachmittage für körperliche Ertüchtigung diese Spielstunden in Zukunft noch notwendig sein werden.»

Man scheint an der Notwendigkeit des Skifahrens festgehalten zu haben, denn wenige Jahre später setzte sich der Lehrerturnverein dafür ein, neben Sommerveranstaltungen vermehrt auch die Skilager in erweitertem Rahmen durchzuführen.

Diese erfreuen sich noch heute einer grossen Beliebtheit. Allerdings ist Skifahren mittlerweile nur eines von vielen Angeboten, die der Kanton und die Stadt St.Gallen heute für Kinder anbieten. Der Schneesport hat bis heute dennoch nichts von seinem Charme eingebüsst.

Im Gegenteil gab und gibt es immer wieder Innovationen, den Schneesport vielfältiger zu machen: Von Snowboards, die übrigens ähnlich wie die «Rollski» von Surfbrettern inspiriert sind und sich daraus entwickelten, über Bigfoot-, Carving- und Langlaufskis weiter zu Schneeschuhen, Schlitten und Bob sind dem Spass im kalten Weiss keine Grenzen mehr gesetzt. Oder, um es mit Vico Torriani zu sagen: «Es git halt nüt schöners, juhee, juhee, als Sunneschii, Berge und Schnee.»

(1) Das ganze Volk fährt Ski! Das ganze Volk…? - SWI swissinfo.ch <08.11.22>

(2) https://www.swiss-ski.ch/newsroom/news/skirennen-in-der-tv-hitliste-konkurrenzlos/ <25.10.2022>

(3) Thomas Notz, Dominique Fankhauser, Eric Jeisy, Walter Mengisen: Ein Lauf durch die Zeit. Sportgeschichte – eine Einführung. Bern 2016.

Schon die Allerkleinsten lernen Skifahren. Sie messen ihr Können beim Kinderskirennen auf Vögelinsegg. Bild: StadtASG, Pressebüro Kühne Künzler B2769II3, Foto: Karl Künzler (15.02.1981)
Vera Zürcher
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