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Stadt St.Gallen
08.08.2023
08.08.2023 14:14 Uhr

Das neue Gesicht der freien St.Galler Szene

Das Interfestival: Programmatische Vielfältigkeit und ganz viel Love, Peace und Paula.
Das Interfestival: Programmatische Vielfältigkeit und ganz viel Love, Peace und Paula. Bild: pd
«Paula» kommt in die Stadt – weder Mensch noch Tier, sondern ein neues Festival. Es soll zur grossen Bühne für die freie Szene und Erlebnisneuheit für Besucher und Kulturschaffende werden.

Ein Sommer in der Gallusstadt bietet Kulturfans und –enthusiasten echte Leckerbissen. Lange Fester zeigen die unterschiedlichsten Facetten einer vielfältigen Branche. Im Juni tagt das Fest der Kulturen, im Juli folgt das Kulturfestival, Openair- oder Solar-Kinos füllen die Zeit bis zum St.Galler Fest im August und in diesem Jahr feiert ein neuer, krönender Abschluss der Sommersaison Premiere.

«Paula» findet vom 16. bis 26. August in St.Gallen statt. Das Interfestival rückt einen einzelnen Kulturbereich in den Fokus, nämlich die freie Szene. Eine Sparte, die vielschichtiger nicht sein könnte.

Denn die freie Szene ist vor allem eines: Frei.

Es sind Kulturschaffende, die unkonventionelle Konzepte verfolgen, unabhängig und selbstbestimmt in der Bildenden Kunst, Performance oder der Musik aller Epochen arbeiten. 30 Vorstellungen und 75 Programmpunkte dieser Art zeigt «Paula». Allen Eigenheiten zu trotz haben sie eine strukturelle Gemeinsamkeit. Sie realisieren Projekte aus Herz und Hirn heraus ohne fixe Subventionen im Rücken.

«Die Protagonisten nehmen dafür ihre 'Freiheit' in Kauf, sie bewegen sich finanziell auf sehr fragilem Untergrund», betont die administrative Festivalleiterin Rebecca C. Schnyder gegenüber stgallen24. «Und sie tun es trotzdem.»

Die Künstler der freien Szene sind zwar selbstbestimmt, aber in St.Gallen (noch) wenig selbstorganisiert. Der Kantonshauptstadt fehlt ein Haus für die freie Szene, ein Zentrum für die Kulturschaffenden. Ein Makel, der immer wieder angekreidet wird. Das Projekt für diesen Dreh- und Angelpunkt wurde ins städtische Kulturkonzept 2020 geschrieben. Davon sichtbar ist wenig, darum sollte es jüngst das Theaterprovisorium richten.

Konkret fehlt es St.Gallen an Platz für grössere Produktionen. In den vielen, aber kleinen Kulturräumen ist die Lage dafür aussichtslos und der Tadel deshalb klar: Wer wachsen will, muss weg und die hiesige Region gerät in Rückstand.

Viel Unerwartetes: Die freie Szene leistet einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Teilhabe, und «Paula» im Besonderen. Bild: pd

Dialoge laufen, an Taten fehlt es – von beiden Seiten, von der Politik wie auch von den Fordernden.

Derweil weist St.Gallen im schweizerischen Vergleich ein enormes Entwicklungspotenzial auf. Darum nimmt Rebecca C. Schnyder gemeinsam mit Michael Finger das Zepter in die Hand. 18 Monate lang wird geplant und gefeilscht, denn «Paula» ist ein Mammutprojekt ohne jegliche Referenzpunkte.

«Wir müssen die verschiedenen organisatorischen und künstlerischen Teile zu einem stimmigen und funktionierenden Puzzle zusammensetzen», erklärt der Künstlerische Leiter Michael Finger. Es ist eine immense Aufgabe, ein Ressort abzudecken, das vor Mannigfaltigkeit nur so strotzt.

Bis das Fest in diesem Jahr seine Premiere durchlebt hat, bleibt das Geplante lediglich Hypothese, die auf den Erfahrungen aller Mitwirkenden basiert. Die Organisatoren müssen sich wohl oder übel vom Ausgang des Fests überraschen lassen.

Da sind Gastspiele und Uraufführungen von regionalen Darstellern, nationale Produktionen und Inspirationen aus der internationalen Szene. Als biennales Festival angelegt wird für Paula die Lokremise, Grabenhalle, Kreuzbleiche und der öffentliche Raum zur Bühne. Das Herz des Interfestivals schlägt auf der Kreuzbleiche. Dort gibt es eine Bar, Lounge, Essständen und eine zentrale Informationsstelle.

Das Interfestival ist also das neue und auch erste Gesicht der freien Szene. Aber auch ein Appell.

«Wir wollen der freien Szene mehr Sichtbarkeit und Dringlichkeit verleihen», sind sich die Initianten einig. Einerseits hofft man auf ein begeistertes Publikum, dem das freie Bühnenschaffen ans Herz getragen und ein Verlangen danach angeregt wird.

Die Köpfe hinter «Paula»: Rebecca C. Schnyder und Michael Finger. Bild: walktanztheater.com/fingermusik.ch

Andererseits soll dank «Paula» auch seitens der Protagonisten etwas ins Rollen gebracht werden, was bislang inexistent ist: «Es soll aufgrund von gemeinsam Erlebtem echte ‘Gemeinschaftsbildung’ innerhalb der regionalen freien Szene entstehen.»

Bei «Paula» wird getanzt, gesungen, geweint und gelacht. Das pralle Leben eben. Und bestimmt kommt am Schluss alles anders als geplant. Eine Frage bleibt da zu klären: Wieso wird das neue Gesicht der freien Szene «Paula» getauft? Augenzwinkernd meinen Schnyder und Finger: «Wieso nicht?»

«Paula»

«Inter» steht bei Paula im Zentrum. Zahlreiche Massnahmen machen das Gelände interdisziplinär und interkulturell, also auch zugänglich für Menschen mit Beeinträchtigungen:

  • Übersetzung in Gebärdensprache
  • Programminformationen in einfacher Sprache
  • Barrierefreier Zugang
sir/stgallen24
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