Am Anfang der Amtsdauer war es noch eine deutliche Männermehrheit, aber aufgrund der schon üblichen vielen vorzeitigen Rücktritte sind nun die Frauen in der Mehrheit. Dabei kann sich dies beim nächsten Rücktritt schon wieder ändern. Aber die Gelegenheit ist günstig, ein paar wohlfeile Behauptungen, Vorschläge und Forderungen in die Welt zu setzen.
Da will natürlich auch der geschätzte Politikwissenschaftler der HSG nicht zurückstehen und präsentiert den alten Hut der Listenplätze. Mir sind nicht alle Studien bekannt, ich habe nur 50 Jahre Erfahrung in Politik, Wahlkampf und Wahlanalysen. Auch werden die Parteien nach Rezepten gefragt – und auch da werden alte Kamellen präsentiert.
Politik ist ein hartes Geschäft
Mehr Sitzungsgeld, andere Termine, vielleicht sogar staatliche Förderung. Politik ist ein hartes Geschäft, ein bisschen rechnen, dann aber viel Arbeit. Was ist entscheidend, ob eine Frau oder ein Mann gewählt wird? Zuerst muss die eigene Liste Rücktritte von Bisherigen haben oder Mandate dazu gewinnen. Sonst wird es sehr schwer. Parteigremien verschwenden viel Zeit mit Diskussionen über die Reihenfolge auf der Liste.
Dabei ist klar, dass die Bisherigen einen grossen Vorteil haben («Bisherigenbonus»), egal wo sie auf der Liste sind. Die Wähler sind durchaus imstande, eine Liste von 12 oder 31 Namen durchzusehen. Dann kommt der Bekanntheitsgrad, vielleicht aus Beruf, Sport, Kultur, eventuell sogar Familie. Dann der Beruf: Dr. med. oder Sozialarbeiter wirken sicher besser als eine Allerweltsberufsbezeichnung. Und jetzt das Wichtigste: Persönliches Engagement. Es macht sehr viel aus, wie vielen Personen man telefoniert, Mails schreibt oder persönlich einen Wahlprospekt in die Hand drückt.
Ich kenne Leute, die mit dem Anfangsbuchstaben Z gewählt wurden, weil sie eben einen grossen Bekanntheitsgrad und einen Beruf haben, der viele Menschen angesprochen hat. Wir sind schon vor 40 Jahren auf die Idee gekommen, dass wir möglichst viele Personen auf der Liste haben wollen – und möglichst zu gleichen Teilen Frauen und Männer. Jede/r hat einen Verwandten- und Bekanntenkreis, der eher genau diese Liste einlegen.
Frauenförderung allein könnte sich rächen
Setzt man heute einfach auf die Karte «Frauenförderung», könnte sich dies rächen. So wie früher die Frauen gemeint haben, sie hätten sowieso keine Chance, könnten in diesem Fall Männer denken, dass sie auf dieser Liste ohnehin nicht gewählt würden.
Es braucht also viel Arbeit, Engagement und Überlegung. Die muss in den Parteigremien und vor allem im Wahlkampf geleistet werden. Das kann nicht an ein Werbebüro delegiert werden. Es gilt immer noch der Spruch: «Der 'me sött' ist heute nicht da, wir müssen arbeiten.»