Der IT-Fachkräftemangel stellt offensichtlich ein grosses Problem dar. Offensichtlich scheint auch zu sein, dass wir eine neue Herangehensweise in der Ausbildung versuchen sollten. Stellen wir uns einen Innovationspark nicht als elitäres Gebilde vor, sondern als Platz wo Menschen mit unterschiedlichen beruflichen und sozialen Hintergründen zusammenkommen, um neue Dinge in die Welt zu bringen. Dann stellt sich für mich sofort die Frage, nach der Integration einer IT-Ausbildung. Allerdings mit einem Ausbildungskonzept, das nicht nach den üblichen Ansätzen funktioniert.
Schliesslich geht es in diesem Kontext um Innovation und nicht darum, tradierte Konzepte weiterzutragen.
Eine neue Herangehensweise wäre die Integration einer Programmierschule nach dem Vorbild École 42. École 42 ist ein, vom französischen Unternehmer Xavier Niel, entwickeltes Konzept einer privaten, gemeinnützigen und gebührenfreien IT-Schule. Weltweit arbeiten 44 dieser Ausbildungsstätten in 26 Ländern und aktuell 15.000 Studierende nach diesem Lernkonzept.
Die Schule arbeitet mit einem aussergewöhnlichen Modell: Es gibt keine Lehrer oder Dozenten, keinen Frontalunterricht, verzichtet auf Bücher und es gibt keine Altersbeschränkungen. «Zeige mir, es selbst zu tun.», so lässt sich das Konzept am besten zusammenfassen. Es dreht sich alles ums Peer-Learning und gemeinsames, projektbasiertes Lernen, um individuellen Fortschritt und lehrreiche Praxis zu gewährleisten. Motivation, Neugier und Durchhaltevermögen sind die einzigen Anforderungen! Es werden auch keine früheren Zeugnisse und Erfahrungen berücksichtigt. So soll erreicht werden, dass jeder sein Glück bei École 42 versuchen kann. Die Schule ist kostenlos und nach einem Auswahlverfahren jedem zugänglich - unabhängig von Bildungsgrad und sozioökonomischem Hintergrund. Das Mindestalter für die Aufnahme beträgt 18 Jahre.
Der Start in diese Form der Weiterbildung, beginnt mit der online Registrierung. Im ersten Schritt müssen 2 Logikspiele gespielt werden, die zeigen, ob die Person in Frage kommt bzw. das Zeug zum Programmieren hat. Dieser Schritt dauert rund 3 Stunden. Der zweite Schritt ist ein Onlinemeeting, wo die Person mehr über das Programm erfährt, Fragen stellen kann und das École 42-Team kennenlernt. Dieser Schritt dauert rund 1 Stunde.
Der dritte Schritt im Aufnahmeprozess besteht aus der sogenannten Piscine. Es ist das französische Wort für "Schwimmbad". Die Idee dahinter ist, wenn man in das kalte Wasser geworfen wird, muss man schwimmen lernen. Das Piscine ist ein 4-wöchiges Intensivtraining am jeweiligen Campus. In dieser Phase bearbeiten die Teilnehmer: innen anspruchsvolle Programmier-Projekte und lösen tägliche Aufgaben an der Seite von Gleichgesinnten. Anschliessen wird jeder Teilnehmer sorgfältig bewertet, um festzustellen, ob er oder sie für das Curriculum und die Community der École 42 geeignet ist.
Alle Studierenden starten die Weiterbildung am gleichen Ausgangspunkt. Sie haben die Freiheit, ihren eigenen Weg und ihre Spezialisierung zu wählen. Der Lehrplan bietet über 250 Projekte und wird regelmässig von einem
Expertenteam in Frankreich geprüft und überarbeitet, so dass er stets auf dem neusten Stand ist. Die gesamte Ausbildung ist in 4 Phasen aufgeteilt. Phase 1: Hier liegt der Fokus auf Kommandozeileninteraktion, C Programmierung, Algorithmen, C Unix Programmierung und Webprogrammierung. Diese Phase dauert rund 8 Monate.
Phase 2: Beinhaltet ein erstes Praktikum, um das erworbene Programmierwissen in der realen Welt zu testen. Für diese Phase ist ein Zeitrahmen von 4-6 Monaten vorgesehen.
Phase 3: Der wichtigste Teil des Lehrplans besteht aus 100 Projekten; die Teilnehmer vor reale Herausforderungen stellen und mehr Zeit und grössere Teams erfordern, um erfolgreich abgeschlossen zu werden. Dieser Teil nennt sich Mastery und dauert rund 18 Monate. Phase 4: Die Ausbildung schliesst mit einem sechs Monate dauernden Abschlusspraktikum ab. Dies kann auch Projekte mit exklusiven Partnern, anderen Schulen oder einem unternehmerischen Programm beinhalten.
Nehmen wir an, das strategische Konzept von Switzerland Innovation würde komplett überarbeitet werden und die, aus meiner Sicht offensichtlichen Geburtsfehler würden behoben werden.
Im Rahmen von École 42 kommen noch Teilnehmer aus ganz unterschiedlichen Ländern und Lebenswegen dazu. Stellen Sie sich vor, wenn Teilnehmer:innen von «42Sankt Gallen» mit Teilnehmer aus Québec/Canada, Kuala Lumpur/ Malaysia oder den anderen Netzwerkstandorten von Switzerland Innovation zusammenarbeiten. Damit würde ein Platz mit einem besonders inspirierenden Mindset für die IT-Ausbildung entstehen. Dazu braucht man keine wissenschaftliche Studie, sondern einfach ein bisschen Lebenserfahrung.
Menschen, die einmal in einem aussergewöhnlich inspirierenden Umfeld gearbeitet haben, wissen welche Resultate möglich sind. «Our vision for École 42 is to bring together top-notch tech skills with a thoroughly humanistic education, that focuses on creativity, empathy, communication and teamwork». Das ist die Vision von 42Wolfsburg und 42Berlin.
Etwas Ähnliches habe ich von einer Bildungsinstitution in St.Gallen noch nicht gehört. Ein derartiges Angebot an allen Standorten einzuführen hätte ökonomische und organisatorische Vorteile, verbunden mit einem enormen Gewinn an Attraktivität für jeden einzelnen Innovationspark.