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Stadt St.Gallen
24.04.2021
26.04.2021 01:37 Uhr

«Solicamp4Moria» machte auf Flüchtlingssituation aufmerksam

Bild: stz.
Von Samstag 13 Uhr bis Sonntag 17 Uhr standen Zelte im Kantipark. Aktivisten wollten damit die «skandalöse Migrationsabwehr in Europa» thematisieren.

Am 24. und 25. April fand im Kantonsschulpark das «Solicamp4Moria» statt, organisiert vom «Kollektiv der solidarischen Menschen St.Gallen». stgallen24 hat das Camp mit der Kamera besucht und mit einer Organisatorin gesprochen, die namenlos bleiben möchte.

73 Kerzen für 7300 Flüchtlinge

Das Camp wurde am Samstag von rund hundert Besuchern besucht, zwanzig Aktivisten zelteten über Nacht im Kantipark. Am Samstagabend fand eine Openstage statt, bei der die Teilnehmer ihre Talente zeigen konnten. Im Anschluss an die offene Bühne wurde eine Rede gehalten, in der gefordert wurde, dass die Schweiz aufwache, politisch aktiv werde und ihre Verantwortung in der Flüchtlingskrise übernehme.

Das Camp wurde in der Nacht auf Sonntag durch ein Lichtermeer erhellt, bei dem 73 Kerzen angezündet wurden, wobei jede Kerze für 100 der 7300 Flüchtlinge steht, die nach dem Brand nun in den neu errichteten Lagern in Moria eingeschlossen sind. Ausserdem erzählten Flüchtlinge von ihrer Reise über die Balkanroute in die Schweiz und von den Erfahrungen, die sie mit dem Schweizer Asylsystem gemacht haben.

Nach einer ruhigen Nacht bereiteten die Aktivisten bei strahlendem Sonnenschein einen offenen Brunch vor. Während der gesamten Aktion kamen zahlreiche Besucher spontan vorbei, informierten sich und spendeten den Aktivisten Essen und ein Lächeln.

Bewilligte Veranstaltung für konstruktiven Dialog

Das Solicamp4Moria verlief friedlich; das Corona-Schutzkonzept (es durften sich maximal 50 Personen gleichzeitig im Camp aufhalten) wurde gemäss Stadtpolizei St.Gallen vorbildlich umgesetzt. Auch der Kontakt mit den Polizisten während des Solicamp4Morias sei entspannt und von gegenseitiger Rücksicht geprägt gewesen, so die Initianten. Angesichts dessen stelle man sich die Frage, warum dieses Vorgehen nicht schon während des Bewilligungsverfahrens möglich war. Dieses war aus Sicht der Veranstalter eher von «Repressionsdrohungen, haltlosen Auflagen und allgemeiner Ablehnung» geprägt. Schlussendlich habe es mit der Bewilligung aber doch geklappt, obwohl das Camp eigentlich schon für Februar vorgesehen war.

«Die ruhige, offene Atomosphäre im Solicamp4Moria selbst ermöglichte einen konstruktiven Dialog darüber, wie die Schweiz die humanitäre Krise an Europas Grenzen nachhaltig bekämpfen kann», so die Aktivisten.

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Was will das Solicamp4Moria?

Ziel der Aktion war es, auf das vernachlässigte Thema der «skandalösen Migrationsabwehr in Europa» aufmerksam zu machen. Gerade während einer Pandemie seien die am stärksten Betroffenen – wie die Bewohner von Moria – am härtesten betroffen.

«Im September 2020 wüteten Flammen im Lager von Moria und veranlassten Tausende von Vertriebenen, aus ihren behelfsmässigen Hütten bzw. Zelten zu fliehen, in der Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft in Europa. Mit den Flammen von Moria stieg auch die Flamme der Solidarität in Europa. Die Politik hatte viel zu sagen, kritisierte die Zustände, die in Moria herrschten, achtete aber darauf, keine konkreten Versprechen zu machen, und in Bern wollte man nichts von humanitärer Verantwortung wissen», so die Solicamp4Moria-Organisatoren.

Am Ende waren innerhalb von 24 Stunden nach dem Brand 406 unbegleitete Minderjährige von der Insel gebracht worden und auf dem Weg in andere europäische Mitgliedsstaaten. «Der Rest der 13.000 gestrandeten Asylsuchenden muss sich jedoch in dem neuen Lager registrieren lassen, in dem heute noch immer rund 7.300 Flüchtlinge leben. Jede der zuvor erwähnten Kerzen, steht für 100 Menschen, die nach der Flucht vor Konflikten und Instabilität und einem niedergebrannten Lager nur in ein neues Gefängnis gebracht wurden.»

In Moria hätten Ärzte von Kindern berichtet, die sich aus Verzweiflung selbst verletzen. Angesichts dieser Berichte sei es kaum an Absurdität zu überbieten, dass der Bund die hilfsbereiten Städte aufgrund juristischer Probleme kaltstellte und am Ende gerade mal, je nach Zählweise, bis zu 37 Menschen aus Moria aufnehmen will. «Uns lässt diese Ignoranz seitens des Staates wütend und traurig zurück. Tag für Tag gehen wir an leeren Häusern in St.Gallen vorbei, müssen mitansehen, wie Millionen in sinnlose Bauprojekte zwecks Profitoptimierung gesteckt werden. Wir haben es satt, mit anzusehen wie tagtäglich Menschen an unseren gemeinsamen Aussengrenzen sterben und deren ehrenamtliche Lebensretter hier in Europa auch noch juristisch verfolgt werden», so die Initianten des Camps.

«Wenn Europa und die Schweiz ihre Rolle in dieser humanitären Krise erkennen würden, dann würden sie lernen, zuerst vor der eigenen Haustür zu schauen. In der Schweiz haben wir Asylzentren eingerichtet, in denen Flüchtlinge nach der quälenden Reise an unseren Grenzen landen. Diese Lager dienen als Isolationszentren, unter dem Vorwand der Integration», sind die Aktivisten überzeugt. Das habe sich seit Beginn der Pandemie nur noch verschlimmert. «Hier sind Asylsuchende gezwungen, jahrelang mit strengen Auflagen zu leben, während ihr Asylgesuch in dem sich langsam bewegenden, personell und finanziell unterbesetzten Asylwesen der Schweiz verharrt.»

stgallen24/stz.
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