In der Ostschweiz gibt es aktuell 83000 KMU. Davon kommen etwa 15 Prozent in den nächsten fünf Jahren in eine Nachfolge-Situation – pro Jahr sind das rund 2500 KMU. 90 Prozent davon sind Klein- und Kleinstunternehmen mit ein bis zwei Mitarbeitern, also z. B. ein Coiffeur, eine Innenarchitektin oder eine Anwaltskanzlei. «Bei Firmen mit über zehn Mitarbeitern sind es noch circa 250 KMU in der Ostschweiz, bei denen eine sorgfältige Nachfolgeregelung angezeigt ist, da hier viel Geld und Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen», weiss HSG-Professor Zellweger.
Viele Anbieter im Nachfolgemarkt
Wer die Nachfolge in seinem Unternehmen regeln will, hat bei den Anbietern, die ihn dabei professionell unterstützen wollen, die Qual der Wahl. Mittlerweile gibt es einen richtigen «Nachfolge-Markt» mit vielen spezifischen Anbietern. Dazu gehören Wirtschaftsberatungsunternehmen, Banken, Anwaltskanzleien, Steuerberater, Treuhandbüros, Online-Plattformen, aber auch spezialisierte Berater. «Jeder Player hat seine Stärken und Schwächen», sagt Thomas Zellweger. Die Bank löse beispielsweise den Finanzierungsaspekt und Anlagefragen. Der Steuerexperte konzentriere sich eher auf Steuerfragen, und Business Broker seien eher prämien- und abschlussorientiert. Um den geeigneten Berater zu finden, sollte man sich deshalb genau überlegen, wer die Herausforderungen, die sich im spezifischen Fall bei der Nachfolgeregelung stellen, am besten lösen kann. «Der Anbieter sollte den Unternehmer in seinen eigenen Fähigkeiten optimal ergänzen», betont Zellweger. Bei einer Nachfolgeregelung gebe es viele Unsicherheiten und Fragen: So zum Beispiel, was der tatsächliche Wert der Firma ist oder ob der potenzielle Käufer zur bisherigen Firmenphilosophie passt – das bedinge ein gegenseitiges Aufeinanderzubewegen. «Hier braucht es einen Ansprechpartner, der beiden Seiten gerecht werden kann», hält Zellweger fest.
Fit für die Nachfolge werden
Um Unternehmer und Berater fit für das komplexe Thema Nachfolge zu machen, bietet das KMU-HSG Seminare an. «Bei den Unternehmern sind vor allem Familienunternehmen dabei, wo es darum geht, die familieninterne Nachfolge optimal zu regeln», erklärt Zellweger. Im Seminar erhalten die Unternehmer die Werkzeuge, um einen komplexen Nachfolgeprozess, den sie oftmals selber nicht lösen können, so zu strukturieren, dass eine Firmenübergabe erfolgreich über die Bühne gehen kann. «Die Leute laufen mit Zuversicht aus unseren Seminaren raus, sie haben bereits Gespräche über Nachfolgeszenarien geführt und haben eine klare Vorstellung, wie sie den Nachfolgeprozess tatsächlich gestalten wollen», stellt Zellweger fest. Gerade während der aktuellen Corona-Pandemie habe die Nachfrage nach Seminarplätzen punktuell zugenommen. Allerdings seien auch viele Nachfolgedeals derzeit auf Eis gelegt worden, weil die wirtschaftliche Unsicherheit sehr gross ist und aktuell auch die Bewertung der Unternehmen nicht gleich verlässlich vorgenommen werden könne. «Aber ab Herbst werden wohl sehr viele Nachfolgedeals stattfinden», sagt Zellweger.
Trend zu familienexternen Lösungen
Bei der erwarteten «Übergabewelle» ist die demografische Entwicklung aber nur ein Aspekt, der gemäss Thomas Zellweger nicht überbewertet werden darf. «Es gibt aktuell nämlich eine immer grössere Verschiebung von familieninternen zu externen Lösungen – und diese lassen sich auch zeitlich besser abstimmen», erklärt Zellweger. Die Gründe sind vielschichtig: So zum Beispiel abnehmende Familiengrössen, gestiegene Anforderungen an eine Firmenführung und vielfältige Berufsoptionen der Kinder ausserhalb des Familienunternehmens. In Zahlen ausgedrückt erfolgen heute etwa 40 Prozent der Nachfolgeregelungen familienintern, 40 Prozent familienextern (Management-Buy-out, Fremdverkauf …) und 20 Prozent sind Mischformen – hier bleibt beispielsweise der Firmeninhaber weiterhin Eigentümer und vielleicht Verwaltungsratspräsident, die Führung der Firma, der Posten des CEO, wird aber familienextern vergeben.