In der Stadt St.Gallen können Läden seit Anfang Juni an den Abenden und am Wochenende ihre Türen länger öffnen. Gegen diese Ausweitung der Ladenöffnungszeiten in der Innenstadt hat sich ein breites Komitee aus Parteien, Gewerkschaften und Ladenbetreibenden formiert und eine Volksinitiative lanciert.
Nun hat das Initiativkomitee noch vor Ablauf der dreimonatigen Sammelfrist am 1. Februar die notwendige Zahl von 1000 Unterschriften weit übertroffen. Am Donnerstag, 7. Januar um 10.30 Uhr werden die Unterschriften der Stadtkanzlei übergeben.
«Völlig überraschend und eigenmächtig»
«Die erfolgreiche Unterschriftensammlung zeichnet ein weiteres Kapitel im Streit um die Ladenöffnungszeiten in St.Gallen. Nachdem die Stimmbevölkerung in den vergangenen Jahren verlängerte Öffnungszeiten bereits mehrfach an der Urne abgelehnt hat, forderten bürgerliche Parteien und Gewerbekreise wiederholt eine Liberalisierung», heisst es in einer Medienmitteilung des Initiativkomittees.
Im Frühling des letzten Jahres habe der St.Galler Stadtrat dann «völlig überraschend und eigenmächtig» unter Anwendung einer Regelung im Reglement über Ruhetag und Ladenöffnungszeiten die Angestellten vor vollendete Tatsachen gestellt. Seit dem 1. Juni dürfen die Geschäfte der Innenstadt werktags bis 20 Uhr und am Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet haben.
Initiative soll Stadtrat die Kompetenz entziehen
Mit der Initiative, die das Initiativkomitee am Donnerstag einreicht, soll dem Stadtrat die Kompetenz entzogen werden, eigenmächtig über die Ladenöffnungszeiten in der Stadt St.Gallen zu entscheiden. Dazu soll der Artikel 2 des Reglements über Ruhetag und Ladenöffnung ersatzlos gestrichen werden. Bei einer Annahme muss der Stadtrat das Vollzugsreglement über Ruhetag und Ladenöffnung folglich aufheben.
Das Initiativkomitee wird getragen von einem Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften und Ladenbesitzern (SP, Juso, Grüne/Junge Grüne, PFG, EVP, Städtischer Gewerkschaftsbund, Unia, SEV, Syndicom, VPOD, Syna, kaufmännischer Verband, Buchhandlung Comedia, Claro, Stadtladen St.Gallen.) Dass das Anliegen auch über das Komitee hinaus Sympathien geniesst, zeigt nicht nur das rasche Zustandekommen der nötigen Unterschriftenzahl.
Im September wurde im St.Galler Stadtparlament eine Motion mit gleichem Inhalt wie die Initiative äusserst knapp, nur durch einen Stichentscheid des damaligen Parlamentspräsidenten, abgelehnt.
«Weitergehende Liberalisierungsversuche völlig fehl am Platz»
Ohne die städtische Initiative abzuwarten, ging Anfangs Dezember die FDP auf kantonaler Ebene einen Schritt weiter beim Aufweichen des Arbeitnehmerschutzes. «Mit einem Griff in die neoliberale Mottenkiste forderte sie eine umfassende Deregulierung der Ladenöffnungszeiten im ganzen Kanton St.Gallen», heisst es weiter.
Man stehe aufgrund der zunehmenden Abwanderung des Verkaufsgeschäfts ins Internet unter grossem Zugzwang, hiess es in deren Mitteilung.
«Es gibt nicht einfach mehr Kunden»
«Das ist gleich mehrfach falsch und für das Verkaufspersonal sowie die kleineren Läden ein Hohn. Erstens können gerade kleinere Läden sich das zusätzliche Verkaufspersonal nicht leisten und laufen die Gefahr, gegenüber den grossen Detailhändlern und Ladenketten weiter unter Druck zu geraten. Wenn schon, müssten die Geschäftsmieten in der Stadt endlich sinken, wogegen sich die Immobilienbesitzer aber tunlichst sträuben.»
Zweitens argumentiert das Komitee, dass seit der Einführung der ausgeweiteten Ladenöffnungszeiten zu beobachten sei, dass nur die grossen Ketten und vereinzelte Läden davon Gebrauch machen. «Nur weil die Läden länger geöffnet sind, gibt es nicht einfach mehr Kunden.»
Tatsache sei, dass die Angestellten im Detailhandeln in der Zwischenzeit noch immer auf einen Gesamtarbeitsvertrag warten, der ihnen minimale Arbeits- und Lohnstandards garantiert und das Recht auf Freizeit und Erholung einräumt. Das Initiativkomitee hat denn auch deutlich gemacht: Solange ein Gesamtarbeitsvertrag fehlt, kann über eine Liberalisierung nicht diskutiert werden.