«Die Kosten für Pflege, Unterkunft und Betreuung in Alters- und Pflegeheimen steigen kontinuierlich. Zwischen 70 und 80 Prozent dieser Ausgaben sind Lohnkosten. Nachdem das Schweizer Stimmvolk die Pflegeinitiative angenommen hat, sind bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege gesetzlich verankert – besonders für Mitarbeiter in Altersinstitutionen, die an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr anspruchsvolle Arbeit leisten.
Trotzdem hat sich der Regierungsrat des Kantons St.Gallen entschieden, die Finanzierung nicht an das aktuelle Kostenniveau anzupassen. Dies, obwohl er gemäss nationalem Gesetz zur Ausfinanzierung der Pflegekosten verpflichtet ist und das kantonale Gesetz eine Anpassung alle drei Jahre verlangt.
Nach 2023, als nicht einmal die vollen Kostenzahlen aus 2021 berücksichtigt wurden, wäre 2026 eine erneute Anpassung fällig. Doch in einem einfachen Schreiben teilte die Regierung den Pflegeheimverbänden mit, aus Spargründen darauf zu verzichten.
Nachholbedarf bei Löhnen und Infrastruktur
Das kantonale Gesundheitsdepartement hatte selbst eine Analyse in Auftrag gegeben, die einen deutlichen Nachholbedarf auswies – insbesondere bei den Lohnkosten der Pflegeangestellten.
Dies überrascht kaum, denn die heutige Pflegefinanzierung basiert auf Lohndaten aus dem Jahr 2021 und auf Kostendaten für Infrastruktur, Reinigung und Betreuung aus dem Jahr 2008.
Selbst Gemeindevertreter, welche als Finanzierer der Pflegekosten direkt betroffen sind, hatten sich für eine Erhöhung ausgesprochen.
Christian Streit, Geschäftsführer des nationalen Verbands Senesuisse, zeigt sich entsetzt:
«Es ist uns ein Anliegen, dass die Öffentlichkeit erfährt, wie der Kanton St.Gallen seine Sparbemühungen auf dem Buckel der Schwächsten austrägt. Seine Verweigerung ist gesetzeswidrig und unsozial. Bewohner und Mitarbeiter in Altersinstitutionen haben ein Recht auf die nötigen Gelder für gute Pflege und Betreuung.»
Bedrohung durch drohende Mehrbettzimmer
Nicht nur im Bereich der Pflege, sondern auch bei der Finanzierung über Ergänzungsleistungen (EL) besteht erheblicher Nachholbedarf. Das Bundesgesetz schreibt vor, dass ein Heimaufenthalt nicht zur Sozialhilfeabhängigkeit führen darf.
Die Kantone müssen deshalb eine Finanzierung von Betreuung und Aufenthalt garantieren, welche die effektiven Kosten deckt. Doch auch hier vertröstet die Regierung auf später. Die von ihr selbst auf rund zehn Millionen Franken geschätzten Mehrkosten werden schlicht ignoriert.
Im Kantonsrat regt sich inzwischen Widerstand. Die Fraktionen von SVP, Mitte-EVP und SP-Grüne-GLP haben in einer dringlichen Interpellation eine Erklärung gefordert.
Sie warnen davor, dass die Nichtanpassung der EL-Pauschalen zu einer Zweiklassengesellschaft führen könnte: Nur wer es sich leisten kann, erhält künftig noch einen Platz im Alters- und Pflegeheim.
Wer diesen Platz aufgrund fehlender Finanzierung nicht mehr bezahlen kann, wird zur Sozialhilfe gezwungen – was wiederum die Gemeinden anstelle des Kantons belasten würde.
Die Regierung reagierte auf diese Kritik mit der Aussage, das Ergänzungsleistungsgesetz bezwecke keine Finanzierung von Aufenthalten mit erhöhtem Standard, etwa in Einzelzimmern.
Das ist unseren betagten Bürgern unwürdig
Corinne Dähler, Präsidentin von Curaviva St.Gallen, stellt klar: «Müssen wir jetzt unsere Betriebe etwa wieder zu Mehrbettzimmern umbauen?» «Das ist unseren betagten Bürgern unwürdig! Die Schwächsten unserer Gesellschaft können sich nicht selbst wehren – wir müssen uns für sie einsetzen.»
Die von fast allen Parteien eingereichte Interpellation zeigt, dass die Regierung auf dem Holzweg ist, wenn sie unsere betagten Bürger in die Sozialhilfe zwingt.»