Die Aktion verlief ruhig und geordnet. Auf Bannern und Schildern standen Slogans wie «Auszahlung der UNRWA-Gelder jetzt!», «Menschen aushungern ist ein Kriegsverbrechen» oder «Save Gaza – Schweigen gleich Mitschuldig».
Damit unterstrichen die Teilnehmer ihre Forderung nach einer politischen Haltung der Stadtregierung. Mitglieder der Juso verteilten Flyer und suchten aktiv das Gespräch mit Vorbeigehenden. Ziel war, den Druck auf den Stadtrat zu erhöhen und auf die aus Sicht der Juso ungenügende Reaktion auf die eskalierende humanitäre Katastrophe in Gaza aufmerksam zu machen.
«Was, wenn nicht ein Genozid?»
Unterstützung erhält die Bewegung aus dem Stadtparlament. Im Anschluss an die Kundgebung reichte Robin Eichmann, Juso-Stadtparlamentarier, eine neue Interpellation ein. Unter dem Titel «Gaza brennt und St.Gallen schweigt» fordert er den Stadtrat dazu auf, nicht nur auf dem Papier Solidarität zu zeigen, sondern diese auch sichtbar und öffentlich zu vertreten.
In einem eindringlichen Votum im Parlament sprach Eichmann von einem «offenen Genozid», von 55'000 getöteten Palästinensern – jeder einzelne ein Mensch mit «Träumen, Hoffnungen, Erinnerungen».
Für ihn ist klar: «Was in Gaza passiert, ist nicht einfach Krieg, kein Konflikt, sondern gezielte Verbrechen.» Der internationale Gerichtshof habe mehrfach gewarnt – doch weder die Schweiz noch die Stadt St.Gallen hätten bisher klar Position bezogen. Das sei inakzeptabel, so Eichmann: «Wenn nicht hier, wann erhebt ihr dann eure Stimme?»
Kritik am Schweigen – trotz Mitunterzeichnung
Die Stadt St.Gallen hat laut Antwort des Stadtrats die «Städte-Erklärung für Gaza» vom 21. Mai 2025 mitunterzeichnet – eine Erklärung, die unter anderem von Lausanne und Genf initiiert wurde und das Vorgehen Israels als völkerrechtswidrig bezeichnet.
Doch öffentlich kommuniziert wurde diese Mitunterzeichnung bisher nicht. In den Medien, auf der Website der Stadt oder in offiziellen Statements findet sich dazu nichts. Eichmann kritisiert: «Was fehlt, ist eine klare Haltung.»
Die Juso fordert deshalb konkrete Handlungen als Folge der Erklärung. Dazu gehört die direkte Unterstützung von Geflüchteten auf kommunaler Ebene – insbesondere aus Palästina und dem Libanon. Symbolpolitik reiche nicht, sagt die Juso. Die Stadt müsse aktiv Verantwortung übernehmen.
Dringlichkeit ignoriert – und doch bestätigt
Schon vor sechs Monaten hatte Miriam Rizvi eine erste Interpellation zum Thema Gaza eingereicht. Damals lag die Zahl der Todesopfer bei 40’000. Sie forderte Dringlichkeit – doch das Präsidium des Parlamentes lehnte dies ab. Nun liegt die Antwort des Stadtrats vor: St.Gallen wolle zusätzliche 30’000 Franken für humanitäre Hilfe sprechen. Die Juso begrüsst diesen Schritt, kritisiert aber zugleich, dass Geld ohne politische Haltung nichts bewirke.
Eichmann fragt, ob der Stadtrat in Betracht zieht, an öffentlichen Mahnwachen teilzunehmen, Medienstatements abzugeben oder eigene Veranstaltungen zu organisieren. Nur so könne echte Solidarität glaubhaft vermittelt werden.
«Solidarität ist kein Verbrechen»
In seinem Votum übte Eichmann auch Kritik am Vorgehen der Stadtpolizei gegenüber propalästinensischen Demonstrationen. Es sei zu Einschüchterungsversuchen und Beobachtungen gekommen, wenn etwa Palästinafahnen getragen wurden. Das sende ein bedenkliches Signal, meint der Juso-Politiker: «Repression statt Solidarität.»
Für ihn und die Juso ist klar: Das Genozid durch Israel in Gaza duldet keinen Aufschub. Wer sich zur Menschlichkeit bekenne, müsse jetzt handeln – und nicht schweigen.