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Stadt St.Gallen
23.06.2025
23.06.2025 11:20 Uhr

Einzelner Einsprecher stoppt Entwicklung des Güterbahnhofareals

Das Güterbahnhofareal in St.Gallen
Das Güterbahnhofareal in St.Gallen Bild: z.V.g
Ein Einsprecher blockiert sämtliche Weiterentwicklungen auf dem Güterbahnhofareal St.Gallen. Der Verein Lattich gibt deshalb das Experiment «Stadtlabor» auf und konzentriert sich künftig auf Gartenprojekte. Der Lattich-Bau bleibt das letzte sichtbare Zeichen der einstigen Vision.

Ein Einsprecher nutzt den bestehenden rechtlichen Rahmen aus und verhindert jegliche Entwicklung des Güterbahnhofareals. Die Pioniere der Zwischennutzung verlassen das Areal und der Verein Lattich muss sein Ziel aufgeben, die Zwischennutzung als städtebauliches Labor für die spätere definitive Gestaltung des Areals weiterzuentwickeln.

Künftig liegt der Fokus auf Gartenprojekten mit komplett erneuertem Vorstand. Der Lattich-Bau als Kernstück bleibt indessen bis mindestens Ende 2029 bestehen. Er bietet rund 50 kleinteilige Arbeitsräume für Jungunternehmen, welche bis heute meist voll vermietet sind. Eine St.Galler Erfolgsgeschichte, die über die Landesgrenzen hinaus Beachtung findet. 

Der Verein Lattich hatte, zusammen mit der Regio Appenzell AR-St.Gallen-Bodensee als Initialpartner, ab 2016 erfolgreich die Zwischennutzung Lattich auf dem Güterbahnhofareal in St.Gallen etabliert: Zwischen 2016 und 2018 diente die Güterhalle der SBB jeweils im Sommerhalbjahr als Plattform zur Lancierung der Zwischennutzung.

Unterschiedlichste Veranstalter nutzten den inspirierenden, rohen urbanen Freiraum, was viel Publikum anzog. Lattich wurde zum Treffpunkt.

Der Lattich-Bau bietet seit 2019 Raum für Geschäftsideen

Ab Frühjahr 2019 gesellte sich der mit gut drei Millionen Franken vollständig durch die Lattich II AG finanzierte Lattich-Bau zur Zwischennutzung hinzu.

Der Holzmodulbau von Blumer Lehmann bietet rund 50 kleinteilige Arbeitsräume und ist bis heute stets voll vermietet. Von Game-Entwicklern, Design-, Architektur- und Ingenieurbüros über Psychotherapiepraxen bis zum Comestible-Händler und einem Gastrobetrieb ist die Mieterschaft sehr breit.

Anne Treichel, Vorstandsmitglied im Verein und selbst Mieterin, stellt fest: «Schon manche Geschäftsidee fand im Lattich ihren Anfang und ist ihm teilweise auch entwachsen. Die Vision, einen sichtbaren Brennpunkt für die Kreativwirtschaft und Jungunternehmen zu schaffen, ist gelungen».

Marcus Gossolt, Vorstandsmitglied des Vereins Lattich und Gestalter der gelben Fassade betont: «Diese St.Galler Erfolgsgeschichte fand über die Landesgrenzen hinaus Beachtung». Dieses Kernstück der Zwischennutzung bleibt weiter bestehen – mindestens bis Ende 2029. 

Ein bunter Strauss an Initiativen hätte das Areal weiter aufgewertet

Weitere Elemente hätten als privatwirtschaftlich getragene Initiativen in den vergangenen Jahren zur Zwischennutzung dazu kommen sollen. So könnte bereits seit 2022 ein weiterer Holzmodulbau mit rund 30 Mikro-Wohnungen Bewohnende beherbergen.

Die Güterhalle hätte zur Event-Halle «Hektor» ausgebaut werden sollen und könnte unterschiedlichsten Veranstaltungen – von der Generalversammlung bis zum Gin-Festival den passenden Rahmen bieten.

Und auf dem Brachland des 2021 frei gewordenen alten Trassees der Appenzeller Bahnen plante der Verein Lattich eine Ergänzung der bereits seit den Anfängen bestehenden Pioniernutzungen um weitere Hochseecontainer als Gewerbe-Ateliers und zusätzliche Flächen für Gartenprojekte.

Durch die städtebauliche Setzung der Container, auch zweistöckig, hätte ein Platz und eine von der Strasse abgetrennte durchgängige öffentliche Fusswegverbindung durch das Areal geschaffen werden können. 

Ein Einsprecher verhindert jegliche Entwicklung

Hätten. Denn nach drei Jahren intensiver Arbeit für entsprechende Baugesuche und darauffolgende Rekursverfahren muss der Verein Lattich, wie auch die weiteren Akteure auf dem Güterbahnhofareal, welche sich im Areal engagieren, feststellen, dass eine Weiterentwicklung des Areals nicht möglich ist. Die Rekurse des Vereins wurden zwar zu einem guten Teil durch das kantonale Baudepartement als Rekursinstanz gestützt.

«Damit ist aber nichts gewonnen – ein einzelner Einsprecher nutzt die Möglichkeiten aus, die ihm der aktuelle rechtliche Rahmen bietet, um jegliche Entwicklung auf dem Areal zu verhindern.» stellt Christine Egli, Co-Präsidentin des Vereins Lattich, welche das Baugesuch als Architektin verantwortete, fest.

«Stossend ist, dass sich der Einsprecher trotz mehrmaliger Kontaktversuche weigert, im Gespräch seine konkreten Einwände zu äussern und mit den Bauwilligen nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen.»

Ziegler meint:

Recht – aber kein Fortschritt

Ja, der Einsprecher handelt legal. Das Recht, ein Projekt juristisch zu blockieren, steht jedem Bürger zu. Und doch bleibt ein schaler Nachgeschmack, wenn ein einziger Einsprecher die Entwicklung eines zentralen Stadtareals wie des Güterbahnhofs St.Gallen auf unbestimmte Zeit hinauszögert – ganz besonders, wenn der Dialog verweigert wird.

Gerade im Austausch entstehen oft Lösungen, die mehrheitsfähig sind, die Rücksicht nehmen – und die dennoch Fortschritt ermöglichen. Dass es offenbar nicht einmal zu einem Gespräch kam, ist bedauerlich. Denn es geht nicht um irgendein Stück Boden, sondern um ein Schlüsselareal mit enormem Potenzial für Stadtentwicklung, Mobilität und Innovation.

Recht haben ist das eine. Etwas zum Guten bewegen das andere.

Stephan Ziegler ist Chefredaktor von stgallen24

Pioniere der Zwischennutzung verlassen das Areal

Für die Pioniernutzer besteht so leider keine Möglichkeit mehr, auf dem Areal weiterhin ihrem Gewerbe nachzugehen. Eine entsprechende Baubewilligung ist unter den genannten Umständen kaum zu erreichen.

Hannes Rutishauser wird mit seiner Metallbauwerkstatt weiterziehen. Musiker und Zwischennutzer der ersten Stunde, Roman Rutishauser, hat seinen «Container für Unerhörtes» 2024 bereits aufgegeben.

Seither wird er von den «HEKS Neue Gärten», die ebenfalls von Beginn an dabei sind, als Unterstand und Materialraum genutzt. Künftig wird wohl auch HEKS auf diesen Container verzichten müssen, da er aktuell über keine Baubewilligung mehr verfügt. 

Fokus auf Gartenprojekte mit neuem Vorstand

«Die Zwischennutzung als städtebauliches Labor für die spätere definitive Gestaltung des Areals weiterzuführen, ist nicht mehr möglich», konstatiert Rolf Geiger, Co-Präsident des Vereins Lattich. Deshalb zieht sich der aktuelle Vorstand des Vereins Lattich, Christine Egli, Rolf Geiger, Marcus Gossolt und Anne Treichel zurück.

Künftig fokussiert sich der Verein, welcher seit 2021 das Brachland um den Lattich Bau von den Eigentümern Appenzeller Bahnen, Kanton St.Gallen und SBB mietet, auf Gartenprojekte.

Entsprechend wird der Vereinsvorstand neu hauptsächlich durch Personen der Gartenprojekte gestellt: Adelheid Karli und Fiona Schlumpf von den HEKS Gärten sowie Florim Sabani vom UrbanenGrünAtelier (UGA) bilden zusammen mit Melanie Hangartner den neuen Vorstand.

pd/tan
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