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Stadt St.Gallen
29.01.2025
29.01.2025 12:32 Uhr

Architekt Bruno Clerici: «Luxustempel zerstört Marktplatz»

Ein Teil der Visiere für den Pavillon auf dem Marktplatz. Hier wird deutlich, dass der Neubau in die Kronen der Platanenreihe ragt
Ein Teil der Visiere für den Pavillon auf dem Marktplatz. Hier wird deutlich, dass der Neubau in die Kronen der Platanenreihe ragt Bild: zVg
Das definitive Projekt für die Neugestaltung von Marktplatz und Bohl liegt bis 20. Februar öffentlich auf. Die Visiere des neuen Marktpavillons auf dem Marktplatz zeigen, wie überdimensioniert der Neubau für diesen Ort ist, sagt der bekannte St.Galler Architekt Bruno Clerici. Den Rest des Projektes könne man realisieren, diesen Neubau müsse man seiner Meinung nach aber nochmals überdenken.

Für Bruno Clerici ist klar: Der neue Marktpavillon passt nicht auf den Marktplatz. Dadurch wird die Hälfte der Freifläche überbaut. Durch seine Stellung und Grösse wirkt der Neubau wie ein Riegel. Die fürs Raumgefühl wichtige Ost-West-Sichtachse zur neuen Bibliothek wird versperrt. Der Neubau des Marktpavillons würde den Marktplatz in zwei viel zu kleine Hälften aufteilen.

Zwischen dem neuen Marktpavillon und der Treppe zum Blumenmarkt entsteht zudem eine Hinterhofsituation. Diese Planung wird der neuen Bibliothek im Union und mit Neubau auf dem Blumenmarkt keinesfalls gerecht. Richtig wäre sowieso, das Ergebnis der Bibliotheksüberarbeitung und die Volksabstimmung darüber abzuwarten, um die beiden Projekte aufeinander abzustimmen.

Mit der Zerstörung der flexibel nutzbaren Freifläche im Zentrum bezahlt die Stadt St.Gallen nach Meinung von Clerici für 140 Quadratmeter Verkaufsfläche einen viel zu hohen Preis. Dazu kommt: Für den Neubau werden Kosten von rund 6,5 Millionen Franken veranschlagt. Der Quadratmeter Verkaufsfläche kostet damit sage und schreibe 50'000 Franken.

Entspricht nicht dem Abstimmungsprojekt

Der ausgesteckte Pavillon entspricht gemäss Bruno Clerici weder dem Siegerprojekt des Wettbewerbs für Marktplatz und Bohl noch der Abstimmungsvorlage von 2020. Vorgesehen war ein kleiner Neubau mit zwei zurückhaltenden Baukörpern und einem Dach darüber am Rand des Platzes.

Bei der Projektierung wurden die Baukörper schräg auf den Platz gestellt. Darüber spannt sich auf einer Fläche von 480 Quadratmetern ein zeltartiges Glasdach von der Acrevis-Bank bis zu den Platanen am Rand.

Der Neubau hat so eine Maximalhöhe von sieben Metern. Das sonst übliche Modell, das die unbefriedigende Situation auf einen Blick zeigen würde, fehle diesmal leider, kritisiert der Architekt.

Stadt solle Freiraum verfügen

Diese neuste Planungsvariante ist für den Architekten städtebaulich und ökonomisch ein klarer Fehler. Fürs Stadtleben brauche es keinen Riegel quer über den Platz sowie östlich und westlich davon je eine Minifreifläche. Die Stadt müsse in ihrem Zentrum wie bisher über einen verkehrsfreien flexibel nutzbaren grossen Freiraum, eine Piazza, verfügen.

Es müsse im Zentrum einen Ort geben, an dem man Grossveranstaltungen durchführen, an dem man bei Bedarf ein Festzelt platzieren könne. Der derzeitige Stand der Marktplatzplanung berücksichtige dieses Bedürfnis laut Clerici nicht mehr.

Dach tangiert Bäume

Dazu kommt, dass das sieben Meter in die Höhe ragende Riesendach die Kronen einiger erhaltenswerter Bäume tangiert. Eine der grössten Platanen auf dem Platz fällt dem schräg gestellten Pavillon sogar vollständig zum Opfer. Auch da wünscht sich Bruno Clerici mehr Rücksicht.

Fraglich ist für ihn, wie das Glasdach später im Alltag funktionieren würde: Schneelast, Reinigung oder Hitzeentwicklung unter dem Glas im Sommer sind solche Fragen. Zudem fehlt eine WC-Anlage und die Baukörper sind durch die Umplanung nur noch zur Hälfte unterkellert.

Eine passende Lösung suchen

Architekt Clerici appelliert an den Stadtrat, auf den Marktpavillon zurückzukommen. Als Ersatz müsse man für den Ort passende, pragmatischere Alternativen prüfen. Solche gebe es durchaus, etwa in Form von mobilen Marktständen, die das Freiräumen des Platzes für grosse Anlässe innert nützlicher Frist erlauben würden.

Eine mobile und flexible Lösung mit acht modulartigen einfachen Marktständen hatte  seinerzeit auch zu den Vorgaben im Architekturwettbewerb für den Marktplatz gehört. Bei der Jurierung der Projekte spielte dieser Aspekt keine Rolle mehr.

Rest des Projekts ist realisierbar

Den Rest des Projekts könne man losgelöst vom überdimensionierten Marktpavillon realisieren, sagt Bruno Clerici. Es ist bekannt, dass Händler des ständigen Marktes, das «Zielpublikum» für den Neubau, den Pavillon ablehnen. Auch von daher sei es kein Problem, diesen Teil des Marktplatzprojektes aufzuschieben und zu überdenken.

Dieser Zusatzaufwand lohne sich, ist der Architekt überzeugt. Wenn der Marktpavillon stehe, sei der Platz im Stadtzentrum für Generationen verbaut. Ob die Verkaufsflächen darin dann zum erforderlichen Preis vermietet werden könnten, stehe sowieso noch in den St.Galler Sternen.

pd/tan
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