Zum Beginn der Schauspielsaison inszeniert Barbara-David Brüesch, die Leiterin der Sparte Schauspiel, einen grossen Doppelabend: Sie bringt nicht nur den einzigartigen Roman Sofja Petrowna der russischen Autorin Lydia Tschukowskaja auf die Bühne, sondern auch den Gedichtband Die Republik der Taubheit des amerikanisch-ukrainischen Schriftstellers Ilya Kaminsky.
Obwohl beide Werke am Buchmarkt etabliert und hochaktuell sind, handelt es sich bei beiden Texten um Entdeckungen für die Bühne: Tschukowskajas Roman und Kaminskys Gedichtband kommen zum ersten Mal überhaupt auf Deutsch ins Theater.
Die Premiere findet am Donnerstag, 17. Oktober 2024, in der Lokremise St.Gallen statt.
In Sofja Petrowna berichtet Tschukowskaja vom stalinistischen Terror der 1930er-Jahre und zeigt die Realität des sowjetischen Totalitarismus: Menschen verschwinden, während der Rest der Gesellschaft schweigt. Tschukowskaja erzählt die Geschichte einer Frau, die versucht, ihren geliebten Sohn aus den Fängen des Regimes zu befreien und dabei selbst den Sinn für Wahrheit und Gerechtigkeit verliert.
Der einzigartige Roman über Systemglaube und Desillusionierung einer verängstigten Gesellschaft konnte in der Sowjetunion erst 1988 erscheinen. Nachdem die deutsche Übersetzung jahrelang vergriffen war, wird der Roman im Herbst dieses Jahres bei Dörlemann neu aufgelegt.
Ebenfalls mit Begeisterung und Bestürzung wurde Ilya Kaminskys Gedichtband Republik der Taubheit aufgenommen, der 2019 in englischer Sprache veröffentlicht wurde. Das Werk spielt in einer besetzten Stadt, deren Bevölkerung Widerstand leistet, indem sie taub wird.
Die brutale, herzzerreissende lyrische Erzählung wirkt, obwohl zeitlos, wie eine Reaktion auf den Krieg in der Ukraine. Dieses poetische Plädoyer gegen Gewalt und für Menschlichkeit wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und erschien 2022 bei Hanser auf Deutsch.
Barbara-David Brüeschs Doppelabend präsentiert erstmals je eine deutschsprachige Theateradaption der beiden Texte und lässt sie in einen Dialog treten.
Roman und Lyrik finden auf der Bühne zusammen. In Kombination werfen sie, ohne dokumentarisch oder tagesaktuell zu sein, Schlaglichter auf die gegenwärtige Situation in Russland und der Ukraine: Wie sieht es im Inneren einer unfreien Gesellschaft aus? Was bedeutet Krieg, und wie wirkt sein Gift nach?
Mit dem Produktionsteam – Damian Hitz (Bühnenbild), Sabin Fleck (Kostüme) und Christian Müller (Musik) – verbindet Barbara-David Brüesch eine langjährige Zusammenarbeit. Das Ensemble setzt sich aus Spielern des hauseigenen Ensembles zusammen, für die Dramaturgie ist Martin Bieri verantwortlich.