Welchen Nutzen hat eine «Studienreise» von zwei Mitarbeitern der Kantons St.Gallen nach Russland, um mehr über das Wolfsmanagement und die Lappjagd zu erfahren? Die St.Galler Regierung hat dazu zwei Interpellationen beantwortet. Wir haben darüber berichtet.
Peter Weigelt, die Antworten der Regierung auf die Interpellationen zur Russlandreise des Leiters des Amts für Natur, Jagd und Fischerei (ANJF) sowie eines staatlichen Wildhüters bezüglich Wolfsjagd sind veröffentlicht. Wie beurteilen Sie die Stellungnahme der Regierung?
Mein Urteil fällt zweischneidig aus. Zum einen ist zu begrüssen, dass die Regierung die sogenannte Lappjagd ausführlich beschreibt und auch die für eine erfolgreiche Umsetzung notwendigen Voraussetzungen darlegt. Auf völliges Unverständnis stossen dagegen die Passagen, in denen absolut unnötig Seitenhiebe gegen die «private Jägerschaft», ja eigentliche Unterstellungen, geäussert werden.
Da müssen Sie genauer werden. Wo sehen Sie die St.Galler Jäger verunglimpft?
Die Interpellanten Gschwend und Schwager stellen in ihrer Interpellation die Frage nach dem Einsatz von Schrotmunition, die in der traditionellen Lappjagd zur Anwendung kommt. Im Kanton St.Gallen ist klar geregelt, wo und wann Schrot eingesetzt werden darf. Das Beschiessen von Grossraubwild mit Schrot ist in jedem Fall verboten, also auch keine Option bei einer Lappjagd.
Dass in diesem Zusammenhang den St.Galler Jägern vorgehalten wird, dass sie mit der Schrotjagd überfordert seien, ist ein Affront. Wörtlich schreibt die Regierung: «Die hohe Zahl der Fehlschüsse mit Schrot zeigt in der Praxis jedoch, dass ein beträchtlicher Teil der privaten Jägerschaft mit dieser Jagdmethode überfordert ist.» Solch faktenlose und letztlich diskreditierende Aussagen dokumentieren einmal mehr die mangelnde Wertschätzung der Verwaltung gegenüber den Jägern und ihrem grossen, ehrenamtlichen Einsatz zugunsten der Lebensräume unserer Wildtiere.
Auch wir sind beim Lesen der regierungsrätlichen Antwort über diesen Satz gestolpert, da diese doch sehr harte Formulierung mit der Lappjagd weder direkt noch indirekt etwas zu tun hat. Vielmehr erinnert dies an den von der Jägerschaft eingebrachten Vorwurf, dass sie bei der kantonalen Mountainbike-Strategie weder zur Erarbeitung noch zur Vernehmlassung eingeladen wurde. Sehen Sie darin Parallelen?
Leider ja, nicht nur in den beiden hier erwähnten, sondern auch in zahlreichen anderen Fällen. Solche Misstöne sind in einem Umfeld, in dem jährlich 10'000e Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet werden, Gift. Denn fehlende Wertschätzung mindert die Motivation und schafft letztlich ein lähmendes Misstrauen. Wenn solche Unterstellungen dann auch noch in einer regierungsrätlichen Antwort zuhanden des Kantonsparlaments auftauchen, ist dies mehr als bedenklich.
Die St.Galler Jagd wird sich aber unbeachtet solcher Fouls weiterhin für eine selbstverantwortliche und selbstregulierende Jagd starkmachen. Dazu erbringen wir Tag für Tag eindrückliche Tatbeweise, Tag und Nacht und bei jedem Wetter.
Zurück zur Lappjagd. «Die Ostschweiz» hat ihren Beitrag zu den Interpellationsantworten mit der Feststellung «Wenigstes einen Versuch wert» übertitelt. Sehen Sie dies auch so?
Vorab, ich halte es für richtig, dass man angesichts der anstehenden Herausforderungen rund um die heute wohl unbestrittene Regulierung des Wolfbestandes unterschiedlichste Konzepte und Strategien prüft. Ob die Lappjagd aber als besonderes Anschauungsobjekt taugt, lässt zumindest Fragen offen. Denn die Lappjagd setzt eher auf flaches Gelände und setzt eine angemessene Schneedecke voraus, was wiederum nur höhere Regionen aufweisen, die dann aber nicht mehr flach sind. Damit sind allein schon die Grundvoraussetzungen sehr volatil, ganz abgesehen von anderen schwierigen Auflagen wie etwa grossflächigen Absperrungen etc.
Wenn die Lappjagd eher nicht infrage kommt, welche Form der Wolfsjagd ist denn aus Ihrer Sicht die Zielführendste?
Erlauben Sie mir, dass ich semantisch korrigiere: Wir reden nicht von Wolfsjagd, da es eine solche gar nicht gibt. Der Wolf ist international geschützt und damit nicht jagdbar. Wenn eine Bestandsregulation über den Abschuss von Wölfen notwendig wird, ist dies eine behördliche Massnahme, für deren Vollzug staatliche Stellen, in unserem Fall die staatlichen Wildhüter zuständig sind.
Ich denke, dass die Wildhüter die Regulation weiterhin schwergewichtig in der Nacht einzelschussweise gewährleisten müssen. Die notwendigen technischen Hilfsmittel für einen sicheren Abschuss in der Nacht sind verfügbar. Umso mehr erstaunte mich die regierungsrätlichen Antwort: «Die Nachtarbeit und der Waffeneinsatz in der Dunkelheit bergen zudem ein erhebliches Unfallrisiko und die Abschüsse fallen daher nicht präzise aus.» Ich traue unseren Wildhütern auch in der Nacht einen sicheren und präzisen Schuss zu, zumal sie mit leistungsfähigen Nachtzielgeräten ausgerüstet sind.
Regierungsrat Beat Tinner hat an der Pressekonferenz des Bauernverbandes von Anfang August auf einer Alp im Sarganserland erwähnt, dass St.Gallen mit sieben Wildhütern gegenüber dem Kanton Graubünden mit über 200 Wildhütern unterdotiert sei. Wie ist dieser grosse Unterschied zu erklären?
Ich habe diese Aussage im Fernsehen auch gehört und gestaunt. Denn Wildhüter ist nicht gleich Wildhüter: Die St.Galler Wildhut ist vollamtlich als staatliche Wildhut angestellt, es sind also Profis. Im Kanton Graubünden dagegen sind die Wildhüter grossmehrheitlich im Nebenamt beschäftigt und vollziehen in ihrem Jagdbezirk vor allem hegerische, jagdplanerische und jagdpolizeiliche Funktionen.
Zudem kann unsere Revierjagd auch nicht mit der Bündner Patentjagd verglichen werden. Im Kanton St.Gallen gibt es 144 Jagdreviere, die selbstverantwortlich die Jagd im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gewährleisten und gleichzeitig einen enormen Aufwand im Hegebereich leisten, ob in der Lebensraumaufwertung, bei der Kitzrettung oder nächtlichen Einsätzen bei Wildunfällen. Aus meiner Sicht ist die St.Galler Wildhut gut bestückt. Mit den zwei angekündigten zusätzlichen Stellen mit Fokus «Wolf und Biber» würde ich dann sogar von sehr gut sprechen.
Peter Weigelt ist auch Verwaltungsratspräsident der Ostschweizer Medien AG, welche die «Die Ostschweiz» herausgibt. Dieses Interview führte «Die Ostschweiz»-Chefredaktor Marcel Baumgartner.