«Die Stadt St.Gallen will das Velofahren fördern. Fein! Am Velokongress «Flink» wurde gefragt, warum die Einwohner so selten das Velo nutzen. Antwort: viele wollen vielleicht (!) gerne Velo fahren, aber fühlen sich im Verkehr zu unsicher.
Dagegen helfen die baulichen Massnahmen des Tiefbauamtes. Der Anteil an Wegen, die mit dem Velo zurückgelegt werden, soll nämlich «deutlich erhöht» werden, heisst es im Gegenvorschlag zur «Velo-Initiative» der SP, der 2021 vom Stadtparlament angenommen und mit 15 Millionen Rahmenkredit bestückt wurde.
Damit die Investition in die Verhaltensänderung der Bevölkerung nicht in die Hose geht, wird mittels «Reglement für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung» 120'000 Quadratmeter Strassenfläche umgewandelt in Flächen für Velo, Fussverkehr und (bevorzugt) ÖV. Wer kann da noch nein zum Drahtesel sagen!
Doch da ist eine kleine Sache, die man in den oberen Amtsstuben vergessen hat, auch wenn das Amt sich «Tief» nennt. Am Bodensee aufgewachsen, wo das Velofahren zur DNA gehört, beschloss ich 2016 den Wegzug. Die Wahl fiel auf St.Gallen: nicht grad ein Ausbund an Velofreundlichkeit, aber man kann damit leben. Auf Wohnungssuche war überraschenderweise nicht meine Freigängerkatze der Hemmschuh.
Es fehlte in sämtlichen in Frage kommenden Wohnungen schlicht: der Velokeller. Nach der fünften Wohnungsbesichtigung hielt ich es nicht mehr für Zufall. Nachdem sich bei der sechsten der versprochene Velokeller als Heizungsraum entpuppt hatte, war klar: In St.Gallen hat man das Velofahren nicht erfunden. Ich hatte bis anhin noch gar nie ein Haus ohne Velokeller gesehen.
Wie soll das gehen? Das Velo im täglichen Einsatz, rein, raus, mit Anhänger zu Transportzwecken? Tatsächlich gibt es sanktgallische Velokeller: in den neueren Bauten. In den teureren Bauten. Vielleicht kann sich das die grün-sozialistische Bourgeoisie leisten. Aber das Oberstübchen der Oberen hat den Keller für die Unteren vergessen. Da hilft der schönste Veloweg nicht.»