Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Stadt St.Gallen
09.02.2024
09.02.2024 13:53 Uhr

Was die Macht mit uns macht

Elisabeth Fink-Schneider und Pater Martin Werlen.
Elisabeth Fink-Schneider und Pater Martin Werlen. Bild: zVg
Die St.Galler Anlaufstelle «Missbrauch Geistliche Macht» ist bereits im zweiten Jahr. Jetzt werden die Mitarbeiter zum Thema «Macht» sensibilisiert.

«Missbrauch hat immer mit Macht zu tun», sagt Pater Martin Werlen. Nebst dem Fachgremium für sexuellen Missbrauch, hat das Bistum St.Gallen vor zwei Jahren auch die Anlaufstelle Missbrauch geistliche Macht ins Leben gerufen. Im Gespräch teilen die beiden Ansprechpersonen Pater Martin Werlen und Elisabeth Fink-Schneider ihre Erfahrungen und Anliegen.

Umgang mit Macht steht auch bistumsintern auf der Agenda. Die Diözesane Kommission für Schutz und Prävention startet mit der Sensibilisierung der Mitarbeiter. An einer Pilotveranstaltung sprach Theologin und Erwachsenenbildnerin Dr. Hannah Schulz über die Gefahr des Missbrauchs der Macht. Es geht aber auch darum, das eigene Handeln zu reflektieren und die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Um Missbrauch jeglicher Art zu verhindern, setzt das Bistum St.Gallen seit Jahren diverse Massnahmen um. Nebst der Kommission für Schutz und Prävention, gibt es seit 2002 das Fachgremium sexueller Missbrauch und seit Anfang 2023 ist die Anlaufstelle für Betroffene von geistigem Missbrauch in der Pilotphase. Auf die Frage, was Missbrauch begünstigt, kommt das Thema Macht, bzw. Machtmissbrauch ins Spiel. «Überall wo Macht ist, kann Macht missbraucht werden, wir wissen, dass es im religiösen Kontext genauso ist, wie in anderen Bereichen der Gesellschaft», sagt Pater Martin Werlen. Er und Elisabeth Fink-Schneider sind die Ansprechpersonen für Menschen, die geistlichen Missbrauch erlebt haben.

Was heisst «geistlicher Missbrauch»?

Was versteht man unter «geistlichem Missbrauch»? Elisabeth Fink-Schneider sagt es mit den Worten des Jesuitenpaters Klaus Mertes: «Eine geistliche Person verwechselt die Stimme Gottes mit der eigenen.» Delikte von geistlichem Missbrauch sind subtil, weil sie keine strafrechtlichen Konsequenzen haben. Elisabeth Fink-Schneider versteht ihre Arbeit als eine Chance: «Ich möchte nicht nur betroffen sein, sondern auch einen konstruktiven Beitrag an Veränderung, Verbesserung leisten.»

Auf Basis der Gespräche mit Betroffenen wollen sie und Pater Martin Vorschläge machen, wo und wie Systeme und Strukturen verändert werden sollten. «Meine Erwartung ist, dass das Bistum dann aktiv wird.» Für Pater Martin Werlen ist der grösste Schritt zuzugeben: «Ja, wir haben ein Problem und wollen das anpacken.»

Das Bistum St.Gallen sensibilisiert Mitarbeitende im Umgang mit Macht

Schutz und Prävention sind im Bistum St.Gallen schon lange Thema: «Wir schulen und sensibilisieren die Mitarbeiter im Bistum schon seit 20 Jahren. Nun konzipieren wir auch Inhalte zu Macht und insbesondere die Gefahr von deren Missbrauch sowie den Umgang mit Nähe und Distanz», sagt Franz Kreissl, Präsident Kommission Schutz und Prävention. Geplant sind Schulungen vorerst für hauptamtliche Angestellte im Bistum. Die Pilotveranstaltung im Januar 2024 mit der Theologin und Erwachsenenbildnerin Dr. Hannah Schulz aus Bonn, gab erste Impulse.

Macht hat viele Facetten

«Macht ist kein Ding, das man besitzen kann, sondern ein Beziehungsverhältnis», sagt Hannah Schulz. Macht schafft einen Raum der Selbstverwirklichung, in dem der Machthaber sich im Handeln seiner Untergebenen verwirklicht. «Drei Zutaten ermöglichen Machtmissbrauch: das System, der Täter und das Opfer», so Hannah Schulz. Macht ist aber auch die Bedingung für Freiheit – im Gegensatz zur Ohnmacht. Und Vorsicht: Macht und Gewalt sind nicht dasselbe!

Das Thema Macht ist komplex und fordert die Verantwortlichen Schutz und Prävention heraus, den Mitarbeitern die relevanten Inhalte zu vermitteln: «Im Kern möchten wir sensibilisieren für die Momente, in denen jede und jeder von uns in Gefahr ist, Macht zu missbrauchen. Das heisst, das eigene Handeln zu reflektieren und in der Folge die Verantwortung dafür zu übernehmen», so Dolores Waser Balmer, Kommission Schutz und Prävention.

pd/fam
Demnächst