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Gast-Kommentar
Stadt St.Gallen
29.03.2023

«Dieses Argument ist vollends lächerlich»

Der ehemalige Gemeinderat Bruno Eberle kennt sich mit Finanzen aus
Der ehemalige Gemeinderat Bruno Eberle kennt sich mit Finanzen aus Bild: zVg
Der Stadtrat sagt, dass die Rechnung «mit einer roten Null» abschliesse. Das sei etwas gar euphemistisch, findet Polit-Experte Bruno Eberle.

Vor ein paar Wochen habe ich an dieser Stelle dargelegt, dass in aller Regel die Jahresrechnung deutlich besser als das Budget abschliessen muss. Dies hat sich bei der Jahresrechnung 2022 exemplarisch bewahrheitet. Aber ein vertiefter Blick lohnt sich trotzdem.

Der Stadtrat sagt, dass die Rechnung «mit einer roten Null» abschliesse. Das ist nun etwas gar euphemistisch (beschönigend). Minus 4,7 Millionen sind nicht Null. Es stimmt, die Rechnung schliesst CHF 17 Mio. besser ab als das Budget. Aber wenn die laufenden Steuern CHF 34 Mio. mehr als budgetiert einbrachten und CHF 14 Mio. beim Personalaufwand weniger ausgegeben wurden, weil viele Stellen nicht besetzt werden konnten, muss irgendwo viel mehr als budgetiert ausgegeben worden sein.

Allerdings wurden aufgrund der Umstellung des Rechnungsmodells viele Einlagen in das Eigenkapital (CHF 45 Mio.) und interne Verrechnungen (CHF 60 Mio.) getätigt. Diese kann man aufgrund der komprimierten Jahresrechnung ohne weitere Informationen gar nicht nachvollziehen.

Aber Stadtrat und Verwaltung haben sich mit dieser absolut ungenügenden Budgetgenauigkeit kein Ruhmesblatt verdient.

Ganz schlimm wird es dann bei der Investitionsrechnung. Schon vor mehr als 20 Jahren hatte die Stadt Bruttoinvestitionen von CHF 51 Mio. und schon damals hat man gesagt, dass dies nicht genüge, um den „Investitionsberg“ abzutragen. Budgetiert waren 2022 CHF 70 Mio., realisiert ganze CHF 33 Mio.

Das ist absolut ungenügend! Vollends lächerlich wird es mit dem Argument, dass ein Projekt zur Erhöhung der Sicherheit bei Fussgängerstreifen von CHF 50‘000 nicht realisiert werden konnte.

Es fehlen Millionen bei wichtigen Investitionsvorhaben.

Auch Einsprachen sind kein Argument. Wenn nämlich ein Projekt nicht in diesem Jahr realisiert werden kann, dann halt im Nächsten. Der Stadtrat wäre gut beraten, sich Gedanken zur Erhöhung der Manpower, vor allem in der Bauverwaltung, zu machen und nicht irgendwelchem Kleinkram nachzurennen.

Mit der Jahresrechnung 2022 können sich der Stadtrat und die Verwaltung nicht brüsten. Aber sie haben ja Glück: Ein Grossteil des Stadtparlamentes kann sie gar nicht lesen

 Bruno Eberle war 16 Jahre lang Mitglied des St.Galler Stadtparlaments (1984–2000, LdU). Er beobachtet und kommentiert Politik, insbesondere Wahlen, seit bald 50 Jahren.

Bruno Eberle
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