«Ab sofort und nur bis zum 23. Dezember 2021 ist es möglich, bereits 5,5 Monaten nach der Grundimmunisierung eine Booster-Impfung zu erhalten. Normalerweise muss man für eine Booster-Impfung sechs Monate warten. Wer von diesem Angebot Gebrauch machen will, kann entweder über www.wir-impfen.ch einen Termin fixieren oder sich in einer Pop-Up-Impfstelle spontan als Walk-In impfen lassen», heisst es in der Medienmitteilung des Kantons, die am Donnerstagnachmittag verschickt wurde.
Sie liest sich ein bisschen wie die Headline eines Aldi-Prospekts, in dem mal wieder für die Spanische Woche geworben wird und man die Leute mit Oliven für 23 Rappen locken möchte. Nun, hier geht es aber nicht um Oliven, sondern um eine Booster-Impfung – die schon des öfteren für Kontroversen sorgte.
Dass der Kanton kurz vor Weihnachten in Anbetracht der hohen Fallzahlen in St.Gallen noch so viele Auffrischimpfungen wie möglich verabreichen möchte, ist zwar nachvollziehbar und epidemiologisch wahrscheinlich auch sinnvoll, aber dass man dabei die BAG- und EKIF-Empfehlung ignoriert und nicht belegt wieso, irritiert.
Eher wirkt die Aktion wie ein Akt der Verzweiflung – ein Eingeständnis, dass die Situation so langsam, aber sicher aus den Fugen gerät, die Spitäler sich weiter füllen und man es verpatzt hat, den Impf-Turbo rechtzeitig zu zünden. Auf Anfrage unserer Redaktion heisst es, dass die 5,5 Monate nicht bedenklich seien. Nach dem 23. Dezember gelten dann aber wieder sechs Monate Frist, so der Kanton.
Auf den Social-Media-Kanälen des Kantons sorgt die Aktion für Skepsis. So fragen sich manche Twitter-User sogar, ob das Impf-Schnäppchen ein Gag sei, andere haken nach, ob der Winterschlussverkauf nach dem 23. Dezember endet und man dann wieder sechs Monate warten müsse ...
Andere Länder – darunter Österreich – haben die sogenannte Karenzfrist zwischen letzter Impfung und Booster bereits auf vier Monate verkürzt, in den USA wird sogar nach drei Monaten aufgefrischt. Ein gesundheitliches Risiko werden die zwei Wochen früher, in der der Piks abgeholt werden kann, wohl nicht bergen.
Trotzdem wirkt die Aktion etwas willkürlich – und wir leben in einer hypersensiblen Gesellschaft, in der Willkür nicht gut ankommt. Mit einer sachlichen Mitteilung, in der auf der Basis medizinischer Erkenntnisse dargelegt wird, warum man keine Bedenken haben müsse, wenn man sich früher boostern lässt, wäre man wohl auf mehr Verständnis gestossen. So bleibt der Kanton vielleicht auf seinem «Schlussverkauf» sitzen.