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Kanton
16.11.2021

Intensiv-Pflegerin: Kein Verständnis mehr für Ungeimpfte

Die Pflegearbeit für Coronapatienten auf den Intensivstationen ist ungeheuer aufwändig und fordert dem Personal alle Kräfte ab
Die Pflegearbeit für Coronapatienten auf den Intensivstationen ist ungeheuer aufwändig und fordert dem Personal alle Kräfte ab Bild: homburg1.de
Das Spitalpersonal ist in dieser vierten Welle erschöpft und erschüttert. Eine Krankenhaus-Intensivstationsleiterin kann über die Impfverweigerer nur noch den Kopf schütteln.

Die Intensivstationen in den Spitälern der Schweiz nähern sich langsam, aber sicher aufgrund der zu pflegenden Coronakranken der Belastungsgrenze. Zum Glück scheinen die Spitäler im Kanton St.Gallen noch in einer Ausnahmesituation zu befinden, sind der doch gerade einmal sechs Patienten auf der Intensivstation zu verzeichnen, von denen allerdings fünf Menschen künstlich beatmet werden müssen.

Erschreckende Sieben-Tage-Inzidenz im Rheintal

Insgesamt sind aktuell bereits 47 Krankenhausbetten im Kanton St.Gallen mit Covid-Patienten belegt. Trotz einer Sieben-Tage-Inzidenzzahl im Rheintal in Höhe von erschreckenden 597,9, scheint die Lage noch im Griff. Noch. Denn ein Blick zu unseren Nachbarn im Norden und Osten, wo die Intensivstationen zum Teil bereits überfüllt sind, macht klar, dass auch in der Schweiz in Kürze eine Überlastungssituation auf die ohnehin schon erschöpften Intensivpflegekräfte zukommen wird.

Lassen wir doch die Stationsleiterin der Covid-Intensivstation des Kepler Universitätsklinikums Linz Karin Engl zu Wort kommen. Denn in Österreich hat die vierte Welle ein, zwei Wochen früher eingesetzt als in der Schweiz. Die Impfquote in Österreich ist mit 64,2 Prozent doppelt Geimpfter etwa gleich hoch als in der Schweiz mit 65 Prozent vollständig Geimpfter. Die Schilderungen von Karin Engl sind also als Blick in eine allzu nahe Zukunft zu verstehen.

Keine Erklärung für die Impfweigerung

«Wenn ein Ungeimpfter kommt, wir haben kein Verständnis mehr. Wir wissen nicht, warum man sich nicht impfen lässt und dann trotz allem - wenn es ja Corona nicht gibt - warum gehe ich dann ins Krankenhaus und hole mir Hilfe? Das ist was, was wir manchmal dann schon nicht verstehen, mit welcher Selbstverständlichkeit dann trotzdem die Hilfe und die Betreuung eingefordert wird», kritisierte Engl in der Reihe «Journal zu Gast» des Radiosenders Ö1. Für sie gibt es mittlerweile keine Erklärung mehr dafür, warum sich Menschen weigern, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.

Ihr Arbeitsplatz, die Covid-Intensivstation des Kepler-Universitätskrankenhauses in Linz, ist derzeit voll belegt. Und dies mit ungeimpften Schwerstkranken. Das von verantwortungslosen Coronakritikern immer wieder gern verbreitete Gerücht, dass vor allem Geimpfte in den Intensivstationen liegen würden, wies Engl vehement zurück. «Ja, es gibt geimpfte Patienten, die trotzdem intensivpflichtig werden. Die haben alle Grunderkrankungen oder andere Erkrankungen dazu. Das ist die Minderheit. Das was erzählt wird, die Intensivstationen sind voll mit Geimpften, ist ganz einfach eine Lüge. Wir haben Wochen gehabt, da sind ausschließlich Ungeimpfte gelegen.» Dann habe es eine kurze Zeit gegeben, wo auch ältere geimpfte Patienten dabei waren. «Und jetzt sind es ausschließlich wieder Ungeimpfte.»

In seltensten Fällen schwere Erkrankung

Auch Karin Engl bestätigt, dass es zu Impfdurchbrüchen kommen könne. Fakt sei aber, dass in seltensten Fällen Menschen schwer erkranken würden, wenn sie geimpft sind und dann trotzdem positiv werden.

«Nach 20 Monaten Pandemie ist das Spitalspersonal mittlerweile ausgelaugt und erschöpft», erzählte Engl von ihrem Alltag. «Während der ersten Welle ist noch jeder gewillt gewesen, Überstunden zu machen und auf den Urlaub zu verzichten. Mittlerweile steigt die Zahl der Krankenstände wegen Erschöpfung.» Tatsächlich haben seither bereits viele Pflegekräfte ihren Job an den Nagel gehängt. Die Haupterklärung für den im letzten Jahr erfolgten Abbau von Intensivbetten. Ob es zu der befürchteten Kündigungswelle beim Gesundheitspersonal nach der vierten Corona-Welle kommen wird, weiss Karin Engl nicht - wie wohl Bedenken und Ängste in dieser Richtung da sind. Sie unterstrich: «Es ist fünf nach zwölf.»

Weinen aus Verzweiflung

«Woher die Motivation jetzt noch bei allen unseren Kollegen kommt, weiss ich nicht», so Engl. «Es gibt Tage, da weinen nicht nur die jungen Schwestern, sondern auch die alten Schwestern und auch ich - aber eher aus Verzweiflung. Wenn wir nicht wissen, wie wird es morgen sein.»

Im Intranet des Krankenhauses können die Pflegekräfte mitverfolgen, wie viele Patienten aufgrund von Covid-19 aufgenommen würden. «Die steigen ganz steil an und dann wissen wir: Die, die heute in die normalen Akutbetten kommen, sind in einer Woche zu einem gewissen Prozentsatz bei uns in der Intensivstation. Und wenn jetzt die Station voll ist, frage ich mich, wo legen wir die, die heute kommen nächste Woche hin, wenn nicht wieder wer stirbt, der ein Bett freimacht?»

rheintal24/gmh/uh/stgallen24
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