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Stadt St.Gallen
21.08.2021
19.08.2021 11:05 Uhr

Mundart-Kolumne «Hopp Sanggale!»

Susan Osterwalder-Brändle
Susan Osterwalder-Brändle
Susan Osterwalder-Brändle erforschte während Jahren den St.Galler Dialekt. Mit «Hopp Sanggale!» entstand ein Werk mit rund 3000 Mundartbegriffen und Redensarten, die zum Teil schon in Vergessenheit geraten sind. Auf stgallen24 leben sie wieder auf. Heute: «Gänggeliwaar».

Gänggeliwaar ist ein weibliches, im Plural stehendes Wort. Es bedeutet so viel wie Firlefanz oder Krimskrams.

Da ist diese eine Küchen-Schublade. Mysterium und Wundertüte zugleich. Sie füllt sich wie von Geisterhand immer wieder, trotz regelmässigen Ausmistens. In einem Sommer wie diesem, hat man genügend Zeit zum Ausmisten. Das tat ich an einem verregneten Julitag auch dieses Jahr und fragte mich: Haben andere auch eine Schublade wie diese?

Da liegt tatsächlich alles Mögliche drunter und drüber. Im Gegensatz zu meinen sonst übersichtlich strukturierten Besteck-Schubladen. Zahnstocher, Melonenkugelausstecher, Knoblauchpresse, Batterien in unterschiedlichen Grössen, ein angebrauchter Bogen Abfallmarken, Ersatzkreiden für die Einkaufslisten-Schiefertafel, Saat-Briefli, Gschenkbändeli, Gümmeli, Weinkorken, Schnur, Zündhölzli, Zeckenzange für den Hund, Plastikdeckeli für das Katzenfutter und zwei Schweizerfähnli der letzten 1. August-Weggen.

Lauter «Gänggeliwaar»! Bunt, durcheinander, ungeordnet, ein Sammelsurium – fast wie das Leben eben.

Christoph Landolt vom Schweizerischen Idiotikon (Wörterbuch der Schweizerdeutschen Sprache) weiss zur Wortherkunft genaueres:

«Das Schweizerdeutsche kennt eine grosse Wortfamilie mit Begriffen wie «gangge» = schwanken, «gangg(e)le» = schlendern, närrisch tun, «gängg(e)le» = ohne Eifer arbeiten, trödeln, sich mit unnützen Dingen abgeben, sich wie ein Kind verhalten, «gangg(e)lig, gängg(e)(r)lig» = läppisch, einfältig, wackelig, langsam, wertlos, «Ganggel, Gänggel» = närrischer Mensch, ferner «gäägge, gäggele» = ohne Ernst und Fleiss arbeiten, trödeln, «Gääggi» = langsamer, zaghafter Mensch, Narr, «gaagge, gaage, gaagele» = schwanken, schlenkern, schaukeln. Diese Wörter gehören alle in den Bereich des sogenannt Lautmalerischen und drücken ein Schwanken, ein Baumeln, ein Tändeln, ein Trödeln und demzufolge ein Unseriös-Sein, ein Liederlich-Sein, ein Wertlos-Sein aus – auch die «Gänggeliwaar» gehört in diese Kategorie des minder Geschätzten.»

- Christoph Landolt vom Schweizerischen Idiotikon

Im Gegensatz zum «Gschtegääch», welches ein grosses Durcheinander, einen ungeordneten Haufen umschreibt, geht es bei der Gänggeliwaar um kleines Zeug, Krimskrams.

Aber um jedes einzelne Ding in dieser Schublade war ich schon mal ziemlich froh und es wurde nicht «minder geschätzt»! Wohl deshalb gänggele ich ein bisschen herum mit der Frage, was ich irgendwann wohl noch brauchen könnte und was nicht. Im Wissen, dass sich die Antwort darauf immer erst offenbart, wenn man das Ding weggeschmissen hat!

Zur Autorin     

Die Ostschweizer Publizistin und Kunstschaffende Susan Osterwalder-Brändle landete mit ihrem dritten Buch, dem 1.St.Galler Mundartwörterbuch «Hopp Sanggale!» einen Sachbuch-Bestseller. Die ehemalige TV-Frau und Therapeutin widmet sich heute vor allem ihrer analogen und digitalen Kunst in der eigenen Galerie in Oberuzwil, sowie ihren publizistischen Projekten. Für stgallen24 erklärt Susan Osterwalder-Brändle regelmässig einen Mundartbegriff oder eine Redensart, verbunden mit kleinen Geschichten zum Schmunzeln.

Susan Osterwalder-Brändle, stgallen24-Kolumnistin
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