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Stadt St.Gallen
22.07.2021

Stadtrat lehnt zwei Klima-Initiativen ab

Bild: pd
Der Stadtrat hat die Initiativbegehren «Für ein gesundes Stadtklima (Gute-Luft-Initiative)» und «Initiative für eine zukunftsfähige Mobilität (Zukunfts-Initiative)» abgelehnt. Er schlägt aber zwei Gegenvorschläge vor.

Der Verein «umverkehR» hatte gemeinsam mit Partnerorganisationen zwei Stadtklima-Initiativen eingereicht: Die «Initiative für ein gesundes Stadtklima» («Gute-Luft-Initiative») will Strassenfläche zu Grünflächen mit Bäumen umwandeln. Die «Initiative für eine zukunftsfähige Mobilität» («Zukunfts-Initiative») will Strassenfläche zu Fuss- und Veloflächen sowie Flächen für den öffentlichen Verkehr umwandeln.

In St.Gallen wurden die Initiativen mit den Grünen, dem VCS St.Gallen/Appenzell, der Politischen Frauengruppe, den jungen Grünen, der Juso, der Integrale Politik, dem WWF und der SP von einer breiten Trägerschaft unterstützt. Mit 1'271 gültigen Unterschriften für die Gute-Luft Initiative und 1'214 Unterschriften für die Zukunfts-Initiative kamen die Initiativen im November 2020 zustande. 

Nun hat der Stadtrat seine Antworten auf die beiden Initiativen veröffentlicht: Er lehnt die Initiativen zwar ab, schlägt aber je einen Gegenschlag vor. 

Gegenvorschlag Zukunfts-Initiative

Der Stadtrat anerkennt die Ziele der Zukunfts-Initiative für eine zukunftsfähige Mobilität. In ihrer Stossrichtung entspricht die Initiative den mit dem Verkehrsreglement verfolgten, langfristigen Zielen der Stadt für eine nachhaltige Mobilität. Allerdings sei festzuhalten, dass die Zielvorgabe der Zukunfts-Initiative mit einer Umwandlung von jährlich 0,5 Prozent der Strassenfläche auf Stadtgebiet nur mit ausserordentlichen finanziellen Aufwendungen umsetzbar ist, heisst es in der Antwort. Dabei gilt es zu bedenken, dass die Stadt St.Gallen einzig diejenige Strassenfläche zugunsten des Fuss- und Veloverkehrs sowie des öffentlichen Verkehrs umwandeln kann, die auch in ihrer Hoheit liegt und die heute vornehmlich dem motorisierten Individualverkehr dient, nämlich die Gemeindestrassenfläche 

Bei nachhaltigem Ausbaustandard und bei regelmässigem baulichem Unterhalt müssen Strassenflächen – abhängig von ihrer Belastung – alle 50 bis 70 Jahre vollständig erneuert werden. Alle rund 20 bis 30 Jahre ist zur Erreichung der maximalen Nutzungsdauer ein Deckbelagsersatz erforderlich. So-mit werden gemäss langjähriger Praxis pro Jahr rund 1,5 - 2 Prozent  der Strassenflächen erneuert. In der Stadt St.Gallen entspriche dies einer Fläche von rund 33'000 - 44'000 m2 pro Jahr. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Nachhaltigkeit wird eine Neugestaltung von Strassenräumen ausserhalb deren Sanierungsnotwendigkeit nur aus vordringlichen Gründen (insbesondere Verkehrssicherheit) vorgenommen.

Eine Umsetzung der Zukunfts-Initiative gemäss Wortlaut würde bedeuten, dass jährlich rund 18'000 m2, sprich rund 40 bis 55 Prozent der jährlich überhaupt zu sanierenden Gemeindestrassenfläche, in Flächen für den Fuss- und Veloverkehr sowie den öffentlichen Verkehr umgewandelt werden müssten. Dies würde einer Reduktion der Strassenfläche für den übrigen Verkehr um rund die Hälfte gleichkommen – ein Unterfangen, das gerade auf den Gemeindestrassen eine geordnete Verkehrsabwicklung verunmöglichen würde. Entsprechend würden für eine Umsetzung der Zukunfts-Initiative ausserhalb der sanierungsnotwendigen Strassen, sprich in der Neuschaffung von Begegnungszonen, hohe zusätzliche Kosten und eine Vernichtung von Strassenrestwert entstehen, bestehende Gemeindestrassen müssten zu einem gewichtigen Teil ausserhalb ihrer Sanierungsnotwendigkeit in Begegnungszonen umgewandelt werden.

Der Stadtrat strebt im Sinne einer Umsetzung des Reglements für eine nachhaltige Verkehrsentwick-lung auch künftig eine Stärkung des Fuss- und Veloverkehrs sowie des öffentlichen Verkehrs an. Diese Stärkung ist in Form geplanter Projekte der Investitionsplanung sowie bei Sanierungsmassnah-men, bei Rahmenkreditobjekten oder bei Projekten der Laufenden Rechnung vorgesehen. Er hat diese Absicht unlängst mit seinem Gegenvorschlag zur Initiative zur Förderung des Veloverkehrs in der Stadt St.Gallen (Velo-Initiative) zusätzlich bekräftigt. Nichtsdestotrotz sei er bereit, die Förderung von Fuss- und Veloverkehr sowie von öffentlichem Verkehr über die Umwandlung von Strassenfläche im Sinne der Zukunfts-Initiative zusätzlich zu intensivieren.
Der Gegenvorschlag des Stadtrats sieht deshalb vor, in den nächsten zehn Jahren ingesamt 95'000 m2 Gemeindestrassenfläche in Flächen zugunsten von Fuss- und Veloverkehr sowie die Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs umzuwandeln.

Neben den bereits in der Investitionsplanung berücksichtigten Projekten einerseits und den Instandstellungsprojekten andererseits sollen so während zehn Jahren zusätzlich insgesamt 30'000 m2 Flächen zugunsten des Fuss- und Veloverkehrs sowie der Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs umgewandelt werden. Diese Umwandlung soll – wie bei der Zukunfts-Initiative – in erster Linie über die Schaffung von Begegnungszonen erreicht werden. Der Stadtrat ist dabei der Meinung, dass Begegnungszonen mit guter Aufenthaltsqualität mit 50 Prozent ihrer Fläche und Begegnungszonen mit hoher Aufenthaltsqualität mit 80 Prozent ihrer Fläche angerechnet werden sollen.

Anders als die Initianten der Zukunfts-Initiative stuft er den Nutzen von Begegnungszonen für zu Fuss Gehende und Velofahrer insbesondere wegen der geänderten verkehrsrechtlichen Anordnung und dem damit einhergehenden Vortrittsrecht für den Fuss- und Veloverkehr als höher ein. Der Stadtrat sieht vor, dass für diese zusätzlichen Umwandlungsmassnahmen während zehn Jahren insgesamt 10 Mio Franken. zur Verfügung zu stellen sind. Zusätzlich zu diesen finanziellen Mitteln sind für die Ausarbeitung und Projektierung der Massnahmen interne Ressourcen im Umfang von eineinhalb Vollzeitstellen zur Ver-fügung zu stellen. Sie sind entsprechend der Aufwände auf die Dienststellen Tiefbauamt, Stadtgrün, Stadtplanung sowie die Stadtpolizei aufzuteilen.
Der Stadtrat ist überzeugt, dass die Anliegen der Zukunfts-Initiative mit dem Gegenvorschlag sinnvoll und nachhaltig umgesetzt werden können.

Gegenvorschlag Gute-Luft-Initiative

Der Stadtrat teilt das Anliegen der Initiantinnen und Initianten der Initiative, dass die Bevölkerung vor den negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung, insbesondere vor Hitzetagen und Tropennächten, zu schützen ist und dafür wirksame Massnahmen zu treffen sind. Diese Massnahmen sollen helfen, die Lebensqualität im Stadtraum auch bei zukünftig längeren sommerlichen Hitzeperioden zu erhalten. Der Stadtrat geht mit den Initiantinnen und Initianten überein, dass die Schaffung von zusätzlichen Grünflächen, darin eingeschlossen die Pflanzung neuer Bäume, ein wirksames Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind. Die Stadt St.Gallen habe mit dem Umweltkonzept und dem Fachbericht Stadtklima zur Hitzeminderung Grundlagen geschaffen, Massnahmen zu treffen, um die Auswirkungen des Klimawandels in der Stadt St.Gallen zu minimieren und das Stadtklima zu verbessern.

Die Entsiegelung und Begrünung von versiegelten Flächen, wie dies die Initiative vorsieht (Art. 3), ist dabei allerdings nur eines von mehreren Mitteln, wie der Überhitzung der Stadt entgegengewirkt werden kann. Innerhalb des Siedlungsgebiets ist der Anteil versiegelter Fläche hoch. Dies führe in den heissen Sommermonaten zu einer starken Überhitzung dieser dicht besiedelten Gebiete. Mit der zu-nehmenden Klimaveränderung wird dieser Hitzeinseleffekt in der Stadt noch verstärkt. Problematisch sind hier nicht nur die Asphaltflächen der Strassen; auch die Fassaden der Gebäude wirken hitzeverstärkend.

Verantwortlich für die Hitzeentwicklung im dicht besiedelten Gebiet sind daneben auch die fehlenden Grünflächen, die eingeschränkte Windzirkulation sowie die Abwärme von Industrie und Ver-kehr. Zur Verringerung dieses Hitzeeffekts sieht der Fachbericht deshalb nicht nur Massnahmen zur Entsiegelung und Begrünung von versiegelten Flächen vor. Vielmehr empfiehlt er auch die Begrünung von Gebäuden, das klimaoptimierte Planen und Bauen von Gebäuden und Infrastruktur, die Verwendung von Baumaterialien mit hoher Albedo (Rückstrahlvermögen) sowie die Förderung von Wasserflächen.

Für das weitere Vorgehen sind die folgenden Varianten möglich:

− Folgt das Stadtparlament dem Initiativbegehren, untersteht der so beschlossene rechtset-zende Erlass dem fakultativen Referendum (Art. 47 RIG).

− Lehnt das Stadtparlament das Initiativbegehren ab und nimmt den Gegenvorschlag an, kommt es zur Volksabstimmung über das Initiativbegehren und den Gegenvorschlag (Art. 50 RIG), ausser das Initiativbegehren wird innert sieben Tagen nach Beschluss des Stadtparlaments zurückgezogen. Für diesen Fall würde die Reglementsanpassung gemäss Gegenvorschlag ebenfalls dem fakultativen Referendum unterstehen.

− Sollte das Stadtparlament weder dem Initiativbegehren noch dem Gegenvorschlag zustim-men, kommt es ebenfalls zur Volksabstimmung, aber nur über das Initiativbegehren (Art. 48 Abs. 2 RIG).

− Sollte die Initiative oder der Gegenvorschlag an der Urne angenommen werden, könnte der verlangte Erlass vom Stadtrat in der Folge in Kraft gesetzt werden.

mik/stgallen24
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