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Stadt St.Gallen
19.07.2021
19.07.2021 14:59 Uhr

Tempo 30: Macht St.Gallen jetzt Ernst?

Bild: KEYSTONE/Archiv
Der Stadtrat will auf Quartierstrassen «flächendeckend Tempo 30 einführen», wie er in einer Antwort auf eine Interpellation verlauten lässt. Doch auch das übergeordnete Stadtstrassennetz ist kein Tabu mehr.

In der Gallusstadt blickt man derzeit Richtung Zürich: Auf den Strassen soll dort bis 2030 weitgehend Tempo 30 eingeführt werden. Drückt St.Gallen nun auch auf die Bremse?

In einer Antwort auf die Interpellation «Tempo 30 in der Stadt – was läuft?» von Grünen, Jungen Grünen, glp, junger glp, SP, Juso, PFG und Jürg Brunner (SVP) sowie zwei weiteren mitunterzeichnenden Mitgliedern des Stadtparlaments vom 23. März 2021 konkretisiert die Stadt nun ihre Vorstellung einer Tempo-30-Stadt.

Weniger Lärm, mehr Sicherheit

«Der Stadtrat hat sich zum Ziel gesetzt, auf Quartierstrassen grundsätzlich flächendeckend Tempo 30 einzuführen. Wo sinnvoll und möglich, sollen auch Begegnungszonen (Tempo 20) ermöglicht werden.I nsgesamt wurden bisher rund 60 Tempo-30-Zonen vorwiegend in Quartieren realisiert», heisst es seitens des Stadtrates.

Bis im Sommer 2022 soll einerseits die Aktualisierung des bestehenden städtischen Tieftempokonzepts und andererseits das «Tieftempokonzept auf Hauptachsen», das in Zusammenarbeit mit dem Kanton erarbeitet wird, vorliegen. Beim derzeitigen Planungsstand und bei den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen wird damit gerechnet, dass bis 2030 weitere rund 150'000 Quadratmeter in Tieftempogebiete integriert werden könnten.

Im Zusammenhang mit Lärmsanierungsprojekten sowie zur Steigerung der Quartierverträglichkeit und im Sinne der Ausgestaltung von Strassen- zu Lebensräumen werden Geschwindigkeitsreduktionen auch ausserhalb von Quartierstrassen – d.h. auf dem übergeordneten Stadtstrassennetz (z.B. Zürcher Strasse oder Langgasse) – geprüft. Der Stadtrat erachtet Temporeduktionen als «wichtigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung vor Strassenlärm und zur Steigerung von Verkehrssicherheit und Lebensqualität». Er erwartet, dass das «Tieftempokonzept auf Hauptachsen» die Potenziale und die mögliche Umsetzung von Tempo 30 auf Hauptachsen aufzeigen wird.

«Gift für die Wirtschaftsentwicklung»

Die neusten Entwicklungen dürften ein kleines politisches Erdbeben ausgelöst haben: Während Grüne, Linke und einige wenige Rechte sich darüber freuen, dass die Stadt einen Gang runterschalten möchte, gibt es aber auch viel Kritik. FDP-Stadtparlamentarier Remo Daguati sagt im «St.Galler Tagblatt», dass «jede Minute, die uns langsamer macht, pures Gift für die Wirtschaftsentwicklung» sei. Der Standortberater meint, nicht nur Buspassagiere seien durch die Geschwindigkeitsbeschränkung langsamer oder verpassten Anschlüsse, auch der Autoverkehr werde ausgebremst.

«Für Unternehmen und das Gewerbe ist das fatal, denn eine optimale Erreichbarkeit ist für die Entwicklung zentral.» Die Idee von immer mehr Tempo-30-Zonen aus Zürich und anderen Städten zu kopieren, empfiehlt Daguati für St.Gallen nicht. «Denn Zürich, Bern oder Basel sind im Vergleich zu St.Gallen boomende Städte.» Die Ostschweizer Metropole aber stagniere.

«Veloverkehrs-Infrastruktur mit hoher Priorität verbessern»

Der VCS St.Gallen-Appenzell freut sich hingegen über die Ankündigung der Stadt, Tempo 30 auf dem übergeordneten Strassennetz und somit auf verkehrsorientierten Strassen ernsthaft zu prüfen. Die Verlustzeiten für den öV erachtet der VCS als geringes und lösbares Problem.

Angesagt seien Optimierung von Lichtsignalanlagen, mehr separate öV Trassen, Fahrbahnhaltestellen oder ähnliches, damit der Autoverkehr nicht Kreuzungen überstaut und den öffentlichen Verkehr behindere. Ganz wesentlich sei auch, dass die Infrastruktur für den Veloverkehr mit hoher Priorität verbessert wird, hiess es am Montag in einer VCS-Medienmitteilung.

Das sei in den Aggloprogrammen vorgesehen – und das gebietet auch der Klimawandel. Eine attraktive Veloinfrastruktur werde zu einer Abnahme des MIV führen, was wiederum der Fahrplanstabilität des öV zu Gute kommen werde. VCS-Präsident Blumer hält fest: «Der VCS erwartet, dass der Kanton nun ernsthaft Hand bietet, um auch auf Kantonsstrassen streckenweise Tempo 30 einzuführen. Dabei ist auch klar, dass auf diesen Strecken kein Rechtsvortritt gilt.»

mik/stgallen24
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