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Stadt St.Gallen
30.06.2021
30.06.2021 09:02 Uhr

«Friedliches Feiern geht an vielen Orten»

Stadtpräsidentin Maria Pappa (SP)
Stadtpräsidentin Maria Pappa (SP) Bild: pd
Anwohner klagen über Lärmbelästigung, die Stadt verschärft Massnahmen, um das Partyvolk im Zaum zu halten – und die Jugendlichen fragen sich, wo die Solidarität bleibt. Was sagt die Stadtpräsidentin zur Stimmungslage in St.Gallen?

Maria Pappa zeigte sich besonders während den St.Galler Krawallnächten interessiert an der jungen Generation: Während Molotowcocktails explodierten, suchte die frisch gekürte Stadtpräsidentin das Gespräch und verkroch sich nicht hinter dem Schreibtisch.

Zwar gibt es derzeit keine Krawallaufrufe, trotzdem kommt es an den Wochenenden zu grossen Menschenansammlungen, was zu viel Abfall, Lärm und noch viel genervteren Anwohnern führt. Die Jugendlichen fühlen sich hingegen unerwünscht und fragen sich nach über einem Jahr Party-Verzicht: «Wo sollen wir denn sonst hin?»

Stadtpräsidentin Maria Pappa, die St.Galler Krawalle und die Situation im Bermudadreieck sorgten lokal und national für Schlagzeilen. Viele junge Menschen möchten nach der Pandemie einfach nur Party machen und sich vergessen. Können Sie das nachvollziehen?

Grundsätzlich ist es verständlich, dass Menschen (und da sind nicht nur Jugendliche gemeint) das Bedürfnis haben, nach so einer langen Zeit der Entbehrungen mehr im Kontakt mit anderen Menschen treten zu dürfen und auch zu feiern. Es gibt gleichzeitig, gerade in einer Stadt verschiedene Interessen – von Partygästen über das Gewerbe bis hin zu Anwohnern – zu berücksichtigen. Es braucht deshalb gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt!

Viele fühlen sich aber unverstanden und unwillkommen in St.Gallen. Ist das so? Möchte die Stadt keine feiernden Jugendlichen haben?

Kann ich generell so nicht bestätigen. Ich kenne sehr viele Jugendliche, die sich in der Stadt wohl und willkommen fühlen. Einige haben mir auch erzählt, dass sie gerne in die Stadt kommen, weil sie diese als sehr sicher erleben. Letztens war ich mit Jugendlichen im Gespräch, die sich seit Monaten am Wochenende im Stadtpark treffen. Es sind solche aus anderen Gemeinden. Solange die Nachtruhe beachtet wird und sie den Abfall wieder mitnehmen, dürfen sie dort feiern. Dies wird von diesen Jugendlichen erfüllt.

Wir haben sehr viele Jugendliche und Erwachsene, die jeweils in der Stadt nachts und abends unterwegs sind, wegen der Pandemie vermehrt draussen, weil Restriktionen in den Gebäuden und Ausgehorten wie Discos und Bars bestehen bzw. bestanden. Es kann sicherlich darunter auch solche geben, die sich unsicher und unwohl fühlen.

Was tut die Stadt, um dem entgegenzuwirken?

Die Stadtverwaltung möchte mit ihrer Bevölkerung den Austausch pflegen und hat dazu verschiedene Möglichkeiten. Spezifisch für die Bedürfnisse von Jugendlichen setzt sich die Offene Jugendarbeit ein. Diese sucht zusammen mit verschiedensten externen Anspruchsgruppen und Ämtern immer wieder Lösungen, die mögliche Interessenskonflikte mildern oder aufheben.

Damit sollen Jugendliche in der legitimen Teilhabe am öffentlichen Raum unterstützt und sie somit auch willkommen geheissen werden. Aktuell prüfen wir eine Befragung von St.Galler Jugendlichen, um noch besser zu verstehen, welche Bedürfnisse sie haben und wie die Stadt idealerweise darauf reagieren kann.

Die Polizei selbst reagiert ebenfalls mit Dialog und erst dann mit Strafen, wenn das Ausmass des Lärms oder das Verhalten inadäquat ist und die Situation nicht im Gespräch geklärt werden kann. 

Können Sie sich erklären, weshalb es gerade in St.Gallen so «knallt»?

Krawalle, wie wir sie an Ostern erlebt haben, sind für St.Gallen glücklicherweise unüblich und haben mit der speziellen Situation zu tun,  in der die Gesellschaft steckt. Grundsätzlich sind Städte Zentrumsgemeinden, in denen mehr Menschen leben, arbeiten, ausgehen und sich aufhalten. St.Gallen ist ja die grösste Stadt der Ostschweiz. Wir haben regelmässig sehr viele Menschen am Wochenende und abends hier, die unterwegs sind, mehrheitlich friedlich. Die Kriminalitätsquote ist in St.Gallen im Vergleich mit anderen grösseren Städten sogar verhältnismässig tief.

Bis vor kurzem gab es noch ein Musikverbot auf den Drei Weieren. War diese Massnahme nicht zu drastisch?

Grundsätzlich gilt es zu sagen, dass es schon immer so war, dass man draussen nicht einfach Musik in voller Lautstärke hören darf. Bei routinemässigen Anpassungen von Regelungen wurden im Mai 2021 sämtliche Badeordnungen der städtischen Freibäder vereinheitlicht. Leider wurde da auch der Mannenweier mit einbezogen. Diese Anlage ist jedoch speziell, da sie 24 Stunden offen ist und dort andere Regelungen gelten.Deshalb wurde die Anpassung korrigiert. Es soll weiterhin möglich sein, dass im öffentlich zugänglichen Bereich von Drei Weieren Musik gehört wird, natürlich im adäquaten Rahmen.

Manche sprechen von einer aggressiven Grundstimmung. Empfinden Sie das auch so?

Meines Erachtens ist es übertrieben, von aggressiv zu reden. Ich erlebe in der Stadt regelmässig viele Menschenmengen, die friedlich unterwegs sind oder feiern. Wenn Alkohol und Frust sich vereinen, kann es aber sein, dass vereinzelte Menschen aggressiv reagieren. 

Was würden Sie den Jungen raten, wenn sie Sie fragen würden: «Wo dürfen wir uns noch aufhalten, wenn wir uns am Abend treffen wollen, etwas trinken, Musik hören und eine gute Zeit miteinander verbringen wollen – ohne dabei jemanden zu stören?»

Ich mache die Erfahrung, dass ich den Jugendlichen keine Tipps diesbezüglich machen muss. Sie kennen in der Stadt sehr viele Orte, wo sie friedlich feiern können.

Matilda Good/stgallen24
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