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Stadt St.Gallen
06.06.2021

Als der Scheitlinsbüchel lichterloh brannte

Löschübung des alten Scheitlinsbüchel durch den Zi­vilschutz im März 1974
Löschübung des alten Scheitlinsbüchel durch den Zi­vilschutz im März 1974 Bild: Stadtarchiv SG
«Die Tage des Restaurants Scheitlinsbüchel sind gezählt. Der Zivilschutz beginnt, mit Sprengstoff und Feuer da­ran zu üben.»

Diese Zeilen aus der «Gallus-Stadt» von 1975 erzählen die Geschichte über die Sanierung der altehrwürdigen Ausflüglerbeiz im Naherholungsgebiet St.Gallens. Im März 1974 wurde der alte Scheitlinsbüchel komplett abgerissen und neu aufgebaut. Diese Gelegenheit nutzte der Zivilschutz, um im Rahmen einer Übung das Wirtshausgebäude samt der grossen Scheune niederzubrennen.

Nach der Renovation des «seinerzeit bäuerlichen Wirtshäuschen einfachsten Stils» war «eine hübsche Wirtschaft mit der nötigen, aber den hergebrachten Charakter nicht beeinträchtigenden Modernisierung» geworden, also diejenige, welche die Erholungssu­chenden des 21. Jahrhunderts auch heute noch ken­nen. Das Projektziel des Neubaus anno 1974 war eine «einfache Bauernwirtschaft für Spaziergänger», wie die «Ostschweiz», eine heute nicht mehr existierende Tageszeitung, damals berichtete.

Die Gaststube des Scheitlinsbüchels kurz vor der Schliessung 1974 Bild: Stadtarchiv SG

Knapp vierzig Jahre nach dem totalen Neubau von 1974 inves­tierte die Ortsbürgergemeinde als Eigentümerin des Gutes 2013 wiederum in dessen Ausbau und Modernisie­rung. Der neue Erweiterungsbau sollte dem Ausflugs­ziel auch bei schlechtem Wetter Gäste bescheren. 28 Personen mehr konnten nach der Eröffnung vom 4. De­zember 2013 hier ihren Blick über die Stadt schweifen lassen.

Dem Ziel von 1974 blieb man jedoch treu. Wirt Peter Fässler wollte auch mit dem Anbau den ursprünglichen  Charakter der Wirtschaft erhalten. Holztische und -stühle konnten den gemütlichen Charakter des Restaurants bewahren sowie Alt und Neu mit­einander verbinden. Auch an der gutbürgerlichen Küche wurde nichts geändert. Der Scheitlinsbüchel wollte nie zum Gourmet-Restaurant werden.

Der winterlich eingeschneite Scheitlinsbüchel vor 1974 Bild: Stadtarchiv SG

Die Investition von 2.2 Millionen Franken zeugte 2013 davon, dass die OBG an ihren Bemühungen, den grünen Ring attraktiv zu gestalten, unablässig festhält. Nicht weni­ger als fünf Ausflugsrestaurants werden von der Orts­bürgergemeinde St.Gallen betrieben (Scheitlinsbü­chel, Unterer Brand, Peter & Paul, Schlössli Haggen und Falkenburg).

So können Flaneure von nah und fern trotz Verlusten an tradi­tionellen Ausflugsbeizen (Scheffelstein, Tivoli, Freudenberg, Alt-Guggeien, Solitüde und  Gübsensee) nach wie vor bei einem Glas Wein und feinem Essen die Aussicht auf die Stadt St Gallen geniessen.

Scheitlinsbüchel?

Ursprünglich wurde das Gebiet «Linsebühler Weide» genannt und gehörte zu den Besit­zungen des Siechenhauses Linsebühl, welches seit dem 13.Jahrhundert die Leprakranken der Stadt ver­sorgte. Der heutige Name Scheitlinsbüchel tauchte erstmals 1836 in einem  Pachtvertrag auf und setzt sich aus dem Familiennamen Scheitlin und dem Flur­namen Büchel zusammen.

Nicole Stadelmann, Co-Leiterin Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen
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