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07.03.2021
08.03.2021 11:12 Uhr

Gegen die linke Interpretation der Welt

Bild: Marlies Thurnheer
Bild: Marlies Thurnheer Bild: FS
Markus Somm ist neuer «Nebelspalter»-Chef. Was für Pläne verfolgt der Medienunternehmer mit dem Ostschweizer Traditionsblatt?

Die Klarsicht AG, an der sich gegen 70 Investoren beteiligt haben, hat die Satirezeitschrift Nebelspalter aus Horn übernommen. Als Verwaltungsratspräsident amtet der St.Galler Konrad Hummler; Markus Somm ist neuer «Nebi»-Chefredaktor. Was für Pläne verfolgt der Zürcher Medienunternehmer mit dem Ostschweizer Traditionsblatt?

Markus Somm, Gerüchten in der hiesigen Medienszene zufolge haben Sie den Nebelspalter nur gekauft, weil Sie am Portal nebelspalter.ch interessiert waren.
Das ist ein Irrtum: Ich war an der Marke «Nebelspalter» interessiert, eine der weltweit ältesten überhaupt, und definitiv die älteste Medienmarke der Schweiz. Die Nebelspalter-DNA gefällt mir, er hat immer gegen links und gegen rechts ausgeteilt – hart, mutig und mit viel Humor. Das ist eine ungeheure Leistung – gerade während der Zeit des Dritten Reiches und des Kalten Krieges.

Es heisst, nebelspalter.ch soll zu einem schweizweiten Newsportal werden, losgelöst von der Nebelspalter-Printausgabe.
Das stimmt – und stimmt nicht. Wir wollen zuerst den digitalen Nebi im März neu lancieren; die Idee ist es, eine Newsplattform mit Recherchen, Interviews und Kommentaren anzubieten, die zu 80 Prozent seriös, zu 20 Prozent satirisch berichtet. Und zwar mit Texten, Bildern, Karikaturen, Podcasts und Videos. Die Printausgabe hingegen wird mittelfristig neu durch einen seriösen Teil ergänzt, ich denke hier an eine Mischung von etwa 50 zu 50 Prozent. Als Vorbilder bewundere ich «Private Eye» aus Grossbritannnien oder «Le Canard enchaîné» aus Frankreich. Diese Blätter decken Missstände gnadenlos, aber faktenbasiert auf, durch investigative Recherchen und unerschrockene Reporter, und vergessen dabei den Humor nicht.

Leidet denn die bürgerliche Seite unter einem Humordefizit?
Und unter einem Sympathiedefizit, eindeutig! Die Linken bringen es viel besser fertig, sich als «modern» und «sympathisch» zu positionieren, auch wenn sie miserable und veraltete Rezepte auftischen. Wir Bürgerliche dagegen versuchen redlich, aber erfolglos, durch Fakten zu überzeugen, was oft trocken und unattraktiv daherkommt. Wir mögen zwar recht haben, es gelingt uns aber kaum, das gut zu verkaufen.

Der Aufschrei in der linken Medienszene war schrill, als bekannt wurde, dass Sie das Traditionsblatt übernommen haben. Man befürchtete ein «rechtsgerichtetes Satireformat».
Nichts Neues unter der Sonne. Der linke Mainstream legt meistens zweierlei Masstäbe an: Hat sich irgendjemand aufgeregt, als die «Republik» gegründet wurde? Da hat sich auch keiner darum gesorgt, ob es dafür im Markt auch Platz gebe oder ob die Republik genügend Leser findet, die linken Journalismus möchten. Bei uns kümmern sich alle fast rührend um die Frage, ob es für uns neben der «NZZ» und der «Weltwoche» noch Leser zu holen gebe. Dabei wählen 70 Prozent der Schweizer nach wie vor bürgerlich – ein gigantisches Potenzial! Es wäre doch gelacht, wenn ein bürgerlich-liberaler Nebelspalter hier keine begeisterten Leser finden könnte. Die DNA des Nebi war im Übrigen so gut wie immer bürgerlich, kaum je links – das scheinen einige Journalisten geflissentlich zu übersehen.

Aber ist es nicht riskant, gerade jetzt ein Magazin neu zu lancieren? Alle Medien verlieren Leser.
Gewiss, der Strukturwandel in den Medien trifft uns alle. Ein Problem aber, das manche Verleger unterschätzen, liegt darin, dass die meisten Journalisten links ticken und damit auch die meisten Medien in diesem Sinn prägen. Auch deshalb haben alle Zeitungen in den vergangenen Jahren Leser eingebüsst, auch deshalb hat das Vertrauen in die Medien so gelitten. Manchen Journalisten ist das wohl bekannt. Deshalb behaupten sie nun plötzlich, es gebe gar keine bürgerlichen Wähler, also auch keine solchen Leser, nur linke Medien seien gefragt. Was für ein Unsinn! Die meisten Journalisten schreiben nicht für den Leser, sondern für ihresgleichen, damit sie in ihrer Blase gelobt und bestätigt werden. Das macht sie betriebsblind. Diesen Nebel wollen wir spalten. Jede Zeitung, die nicht dem linksliberalen Mainstream verfallen ist, bedeutet eine Bereicherung für die Meinungsvielfalt in der Schweiz. Und darum geht es doch. NZZ, Weltwoche, nun der Nebi: Es ist Zeit, dass sich die Bürgerlichen wieder in den Medien finden!

Sie haben den LEADER vergessen.
Genau, auch der LEADER, ja. Unser Ziel ist es – wie Ihres auch –, relevante Informationen zu bringen, die andere nicht haben oder den Lesern vorenthalten wollen. Dabei nehmen wir eine Perspektive ein, die sonst im Mainstream nicht vorkommt, nämlich eine dezidiert liberale, im Zweifel wirtschaftsfreundliche, immer radikaldemokratische. Denn die linke Interpretation der Welt ist nicht die einzig mögliche. Die Leser merken das sehr wohl und goutieren das auch nicht wirklich, müssen aber mangels Alternative diese fade Kost zu sich nehmen.

Bild: LEADER - das Unternehmermagazin

Werden Sie einen «Newsroom» installieren, der Print und Online bedient, oder werden die beiden Redaktionen getrennt? Solange die Printausgabe noch in Horn produziert wird, werden beide Redaktionen zwar kooperieren, aber an zwei Orten aktiv bleiben. Mittelfristig dürften wir aber eine gemeinsame Redaktion in Zürich etablieren. Wichtiger als die geografische Trennung ist die inhaltliche: Satire und Recherche halten wir klar auseinander und kennzeichnen sie auch dementsprechend. Unser erster Schwerpunkt wird es sein, einen soliden Rechercheapparat aufzubauen, wir wollen ja keinen Betrachtungsjournalismus machen.

Rechnen Sie damit, dass von den jetzigen 18000 Abonnenten einige abspringen, weil sie befürchten, nun ein rechtsbürgerliches Blatt geliefert zu bekommen?
Das dürfte vorkommen, auch wenn wir uns um jeden Abonnenten bemühen. Zuerst werden vielleicht ein paar leider abspringen, dann kommen aber hoffentlich wieder neue hinzu oder melden sich zurück, wenn sie sehen, was für ein elegantes, witziges und überraschendes Produkt wir machen. Denn wir möchten unsere Leser begeistern und fesseln, unterhalten und aufklären. Freude, die Erleuchtung, ein helles Lachen und manchmal vielleicht auch etwas Ärger. Alles ist erlaubt, alles möglich, nur Langeweile ist von Amtes wegen verboten.

Und wie halten Sie es mit dem Autorenpool?
Grundsätzlich übernehmen wir alle Autoren, sie machen einen guten Job. Dieses Know-how wollen wir nutzen. Im Satireteil werden wir politisch ohnehin pluralistisch sein: Es muss lustig sein; wer drankommt, ist mir dabei einerlei, und wenn ich selbst es bin. Als ich neu in Basel als Chefredaktor bei der BaZ anfing, nahm mich der kürzlich verstorbene Helmut Hubacher zur Seite und warnte mich: «In Basel müssen Sie nur eine Regel beachten: Wenn Sie und die BaZ an der Fasnacht kein Thema sind, dann haben Sie verloren!» Und so war ich vor jeder Fasnacht nervös: Wird die BaZ verrissen, wird sie fertiggemacht? Und sie wurde nach Strich und Faden auseinandergenommen, wir wurden durch den Kakao gezogen, durch einen bittersüssen Strom breiter als der Rhein. Dann lehnte ich mich befriedigt zurück und dankte Hubacher für den guten Rat.

Sie wollen auch eine «prominent zusammengesetzte Bundeshausredaktion» installieren.
Sie wird von Dominik Feusi geleitet, dem ehemaligen Bundeshauschef der BaZ. Feusi ist vermutlich der derzeit bestinformierte und unbequemste Bundeshauskorrespondent in Bern. Ein leidenschaftlicher, energiegeladener Journalist, wie ich kaum einen zweiten kenne. Deshalb sitzt er auch in der Geschäftsleitung der Klarsicht AG, zusammen mit Christian Fehrlin vom Winterthurer IT-Unternehmen Deep Impact AG und mir.

Und welche Rolle spielt Ex-Wegelin-Bankier Konrad Hummler? Wird der Verwaltungsratspräsident der Klarsicht AG auch Beiträge liefern?
Auf jeden Fall! Konrad Hummler ist als einer der klügsten Diagnostiker des politischen und wirtschaftlichen Zeitgeschehens bekannt, darüber hinaus ist er ein brillanter Stilist. Wer ihn als schreibenden VR-Präsidenten nutzen kann, kann sich glücklich schätzen. Von diesem Glück lebt nun der Nebi.

Der Nebelspalter (1875 in Zürich gegründet) gilt seit der Einstellung des englischen Satiremagazins Punch als das älteste existierende Satiremagazin der Welt. Seine erste Blütezeit erlebte der Nebelspalter in den 1930er und 1940er Jahren, als er die Ideologie der Nationalsozialisten und ihrer frontistischen Mitläufer in der Schweiz anprangerte, – genauso wie er die Kommunisten und Stalinisten bekämpfte Mit der rasanten Entwicklung und den grossen Umbrüchen der Schweizer Medienlandschaft im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts hatte der Nebelspalter aber Mühe mitzuhalten. Karikaturen, Kolumnen und andere satirische Formen wanderten mehr und mehr in Tagespresse und audiovisuellen Medien ab. In den 1990er Jahren schlug die Neuausrichtung des Nebelspalters nach dem Vorbild der «Titanic» fehl;. die Wende nach links hatte den Nebi beinahe ruiniert.. 1998 übernahm der Thurgauer Verleger Thomas Engeli den Titel. Ihm gelang es, den Abonnentenund Leserschwund aufzuhalten und eine gegenläufige Entwicklung einzuleiten.

Dieser Text von Stephan Ziegler ist aus der LEADER Ausgabe Jan/Feb 2021. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch.

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