Im Kanton St.Gallen wurde gemäss kantonalem Baumeisterverband bis und mit drittes Quartal 2020 ein Rückgang der Bautätigkeit von 6.1 Prozent gemessen am Umsatz registriert, also ein etwas kleinerer Rückgang als der Schweizer Baumeisterverband mit 7 Prozent fürs ganze Jahr erwartet.
Öffentliche Hand zurückhaltend
Bauunternehmer Christoph Bärlocher, Vorstandsmitglied des stadtsanktgaller Hauseigentümerverbands und Verwaltungsrat der HEV Verwaltungs AG, weist dabei auf eine Besonderheit hin: Der Rückgang macht sich im Kanton St.Gallen im Tiefbau mit einem Minus von 8,7 Prozent deutlich markanter bemerkbar als im Hochbau, wo sich die Bautätigkeit um lediglich 3,5 Prozent abschwächte. «Der Wohnungsbau ist zwar im zweiten Quartal eingebrochen, laufende Baustellen wurden gebremst, auch weil unklar war, wie Corona-Massnahmen umgesetzt werden können», sagt Christoph Bärlocher. Im dritten Quartal wurde dann aber vieles aufgeholt, die Lage habe sich wieder stabilisiert. «Zum einen hatte sich die Corona-Situation etwas entspannt, zum anderen hat sich der neue Alltag mit den zusätzlichen Schutzmassnahmen eingespielt.» Im Tiefbau bleibt hingegen ein markanter Auftragsrückgang zurück. Von Gemeinden bis hin zu den SBB sind vor allem Bauherren der öffentlichen Hand stark auf die Bremse gestanden. Auch hier rechnet Bärlocher mit einem Nachholeffekt, «2021 wird die öffentliche Hand wohl wieder mehr Aufträge vergeben, dafür gibt es klare Anzeichen.»
Ausgebremste Amtsstellen
Dennoch leide die Produktivität im Baubereich unter der Homeoffice-Pflicht. «Es gibt praktisch keine Begehungen vor Ort mehr, man trifft sich höchstens noch zu zweit», erklärt Christoph Bärlocher. Diesen Effekt beobachtet auch Mathias Tschanen, der Präsident des Thurgauischen Baumeisterverbandes: «Das Ausbremsen der Amtsstellen durch die Homeoffice-Pflicht zeigt mittlerweile auch auf dem Bau Spuren. Die Prozesse dauern länger, und die persönliche Komponente geht fast vollends verloren.» Tschanen sieht dennoch Grund für Zuversicht: «Wir hoffen, dass sich die Normalität schon bald wieder einstellt und vor allem die öffentliche Hand antizyklisch investiert.» Auch er rechnet damit, dass Bau- und Unterhaltsprojekte der öffentlichen Hand nun aktiv vorangetrieben werden. Die Corona-Pandemie sei wie für alle auch für den Baubereich eine schwierige Situation, sagt Mathias Tschanen, «wir sind wir auf den laufenden Baustellen bis jetzt aber ohne grosse Ausfälle durch die Krise gekommen.» Erhöhte Hygiene- und Schutzmassnahmen seien überall an der Tagesordnung und würden sehr gut eingehalten. Auch wenn im Thurgau gerade im Hochbau auf relativ hohem Niveau gebaut werde, spüre der Thurgauische Baumeisterverband eine Abschwächung des Marktes. «Der Leerwohnungsbestand ist am Ansteigen, was im Hochbau die Bautätigkeit dämpft», stellt Tschanen fest. Zudem sei durch die Einschränkungen in den Thurgauer Weilerzonen Bauland faktisch ausgezont worden, was zur Verknappung der Landsituation beitrage. «Für junge Familien wird der Traum eines Eigenheims je länger je mehr verunmöglicht.»
Wohnungen lohnen sich nach wie vor
Einen erhöhten Leerwohnungsbestand registriert Christoph Bärlocher auch in der Stadt St.Gallen. «Wir haben aber noch keine Überhitzung wie in Zürich, Winterthur oder im Aargau, wo Mehrfamilienhäuser auf Halde gebaut werden.» Er rechnet damit, dass weiterhin tüchtig gebaut wird – weil die Renditeaussichten auf flauen Aktienmärkten und mit Negativzinsen der Banken anderswo deutlich geringer seien. «Die institutionellen Anleger sind nach wie vor die Treiber in der Bauwirtschaft, zumal zunehmend auch mittelgrosse Investoren und Private in dieses Segment drängen.» Für diese Player lohnte es sich zu bauen, auch wenn die Bruttorendite aktuell eher bei 2,5 Prozent als bei guten 4 bis 5 Prozent liege. «Eine bis auf zwei Wohnungen gute vermietete Überbauung rentiert sich alleweil mehr als Negativzinsen.»