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13.02.2021
12.02.2021 11:56 Uhr

Das süsse Gift der Medienförderung

Bundesrätin Simonetta Sommaruga will ein Massnahmenpaket für die Medienförderung durchbringen, das die Grossen unterstützt und die Kleinen leer ausgehen lassen will (Collage: medienwoche.ch)
Bundesrätin Simonetta Sommaruga will ein Massnahmenpaket für die Medienförderung durchbringen, das die Grossen unterstützt und die Kleinen leer ausgehen lassen will (Collage: medienwoche.ch) Bild: medienwoche.ch
Das geplante Medienförderungs-Millionen-Geschenk für grosse Verlage ist ein Unding: Anstatt sich zu bewegen und dem Markt anzupassen, werden sie unrentable Produkte, die immer weniger Leser wirklich brauchen, am Leben erhalten.

Ein Gastkommentar von Martina Gloor/soaktuell.ch

Der Bund will die grossen Verlage, welche Online-Portale, Radio- und TV-Stationen besitzen, mit rund 120 Millionen Franken jährlich unterstützen. Kleine Online-Medien sollen leer ausgehen. Aber auch kleine Zeitungsverlage werden von der Politik vernachlässigt. Der damit eingeschlagene Weg geht völlig an der Medienrealität in der Schweiz vorbei und wird langfristig keine Papierzeitung retten können. Das einzig Richtige wäre ein Übungsabbruch.

Karten werden neu gemischt

Die angepeilte Medienförderung wird sich langfristig als einer der grössten politischen Flops der letzten Jahrzehnte entpuppen. Keine einzige Papierzeitung in der Schweiz wird auch mit noch so vielen Steuerfranken zu retten sein. Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche. Die Gründe sind einfach: Zeitungen in Papierform braucht's nicht mehr. Die Leserinnen und Leser von Papierzeitungen sterben aus. Zeitungen sind zu teuer, verbrauchen Unmengen an Papier, landen spätestens am Abend schon im Abfall und gelten als umweltschädliches Produkt ewig gestriger. Weil das auch Werbetreibende wissen, werden immer weniger Zeitungsinserate geschaltet. Die staatliche finanzielle Förderung von Papierzeitungen ist blanker Unsinn.

Sicher wird es noch Jahrzehnte lang ein paar wenige Papierzeitungen in der Schweiz geben, aber deren Leserschaft soll den ökologischen Blödsinn, inklusive der Zustellung, doch bitte zum vollen Selbstkostenpreis bezahlen.

Bei allen anderen Medien, also Lokalradios und Regionalfernsehsender sowie Online-Portale, werden die Karten neu gemischt. Es macht auch keinen Sinn, hier viel Steuergeld zu investieren. Denn es wird künftig zwei Geschäftsmodelle geben, die ihre Berechtigung haben. Die einen Online-Medien verlangen von ihren Usern eine Registrierung und kapseln sich in einer geschlossenen Benutzergruppe ab von der Öffentlichkeit. Die meisten anderen Online-Medien, aber auch Lokalradios und Regionalfernsehsender, bleiben kostenlos zugänglich. Sie finanzieren sich über Werbung, Spenden oder Mitgliederbeiträge. Auch hier braucht es keine staatliche Medienförderung. Denn, wer sich letztlich im einen wie im anderen Modell nicht selber finanzieren kann, hat zu teuer produziert, uninteressanten Inhalt angeboten oder schlicht die Kosten nicht im Griff.

Die aufstrebenden Neuen sollen keine Medienförderung erhalten

Es gibt unter den jüngeren Online-Medien auf dem Schweizer Markt ein paar sehr gute Beispiele, die vieles richtig machen - sonst wären sie längst weg vom Fenster, wie so viele andere vor ihnen. Ein Beispiel ist sicher die News-Plattform für Rapperswil und das Linthgebiet, linth24.ch, die wie stgallen24.ch zur Portal24-Gruppe gehört. Seit 2018 auf dem Markt und immer noch da. Gut macht es auch nau.ch, seit 2017 auf dem Markt und heute eines der wichtigsten Online-Medien der Deutschschweiz. Rheintal24 und stgallen24 haben sich inner kürzester Zeit ihren Platz im Lesermarkt erobert – die Alternativen der grossen Verlage, das «St.Galler Tagblatt» und der «Rheintaler», publizieren beide mit Bezahlschranken, die viele Leser abschreckt.

Alle genannten Online-Portale haben etwas gemeinsam: Sie bekämen keinen Rappen von den 120 Mio. Franken Medienförderung, die das Parlament zur Unterstützung der demokratierelevanten Medien ausheckt. Dies, weil der Verlegerverband mit seinem politischen Einfluss dafür gesorgt hat, dass die Kriterien für den Erhalt von Medienförderung so ausgelegt sind, damit letztlich möglichst alles bei den Grossen bleibt. Selbst kleine Regionalzeitungen gucken ziemlich verdutzt nach Bundesbern und reiben sich die Augen. «Demokratierelevanter Qualitätsjournalismus» ist also nur, was von grossen Verlagen produziert wird. Das ist so dumm, wie wenn die vier grossen Parteien im Land behaupten würden, nur ihre Politik sei demokratierelevant. Das Gegenteil ist der Fall: Unsere Demokratie und unser Föderalismus waren von jeher Produkte der Kleinheit. Im Kleinen ist entstanden, was sich durchgesetzt hat.

Staatliche Medienförderung wird grossen Verlagen schaden

Die guten und funktionierenden Online-Medien beweisen eines - es geht auch ohne Millionen vom Steuerzahler. Was aber auf keinen Fall passieren darf, ist, dass einige grosse Verlage mit Millionen Franken künstlich am Leben gehalten werden. Das wäre eine politische Ungerechtigkeit und Marktverzerrung sondergleichen.

Die Grossen sind heute zu gross, zu träge und zu teuer. Sie haben in dieser Form keinen Platz mehr in der künftigen Medienlandschaft Schweiz. Wenn sie nicht staatlich gefördert würden, müssten sie sich gesund schrumpfen, fusionieren, innovativ bleiben und hohe Qualität bieten. Ansonsten verschwinden sie von der Bildfläche. Dies aber gäbe den erfolgreichen kleinen Online-Medien die Möglichkeit, das gleiche zu tun, nämlich in Innovation, Qualität und Wachstum zu investieren und die Kosten im Griff halten.

Es wird das Gegenteil von dem passieren, was die Medienförderer sich erhoffen

Mit den Steuer-Millionen an die grossen Verlage wird genau das Gegenteil von dem passieren, was sich Bundesbern erhofft. Anstatt sich zu bewegen und dem Markt anzupassen, werden die grossen Verlage unrentable Produkte, die immer weniger Leserinnen und Leser wirklich brauchen, am Leben erhalten. Weil sie dafür ja Geld bekommen.

Das süsse Gift der Medienförderung. Damit schaufeln sie sich ihr eigenes Grab. Unser Rat: Übung abbrechen - solange es noch möglich ist - und auf jegliche staatliche Medienförderung verzichten. Denn der Lesermarkt wird sich nicht so entwickeln, wie sich das viele Politiker erhoffen.

Martina Gloor
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