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Wirtschaft
01.01.2021

«Die Zusammenarbeit war grossartig»

Prof. Dr. Leo Staub, Bild: Marlies Thurnheer
Prof. Dr. Leo Staub, Bild: Marlies Thurnheer Bild: FS
Am 9. Oktober 2020 hielt Prof. Dr. Leo Staub seine Abschiedsvorlesung am Weiterbildungszentrum der HSG. Im Interview blickt Staub zurück und verrät, was er mit seiner neu gewonnenen Freizeit anfängt.

Leo Staub, nach zwölf Jahren an der HSG gaben Sie Anfang Oktober Ihrem Abschied. Mit welchen Gefühlen hielten Sie diese Vorlesung?
Es war ein Mix an Gefühlen: Natürlich Stolz und Befriedigung über das zusammen mit meinem Team Erreichte. Dann aber auch etwas Wehmut, weil die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen meines Direktionsbereichs über all die Jahre schlicht grossartig war. Eine Prise «Leere» kam hinzu, galt es doch, den geliebten Unterricht in meinen Kursen aufzugeben und meine Studentinnen und Studenten und Doktorandinnen und Doktoranden langsam loszulassen. Und zu guter Letzt: Ich spürte auch eine grosse Vorfreude auf etwas mehr Zeit für meine anderen Aufgaben in verschiedenen Unternehmen und – dies vor allem – über mehr Zeit mit meinen Kindern und Enkeln, mit meiner Frau und mit unseren Freunden.

Sie sind Absolvent der Uni Zürich. Wie kam es, dass Sie schlussendlich an der HSG gelandet sind?
Als es für mich darum ging, den Studienort zu wählen, war es Zeit, Stadtluft zu schnuppern. Zürich bot sich da an. Ich bin ja in Gossau aufgewachsen, das damals doch noch recht dörflich war. Sie sehen, meine Wahl für Zürich erfolgte nicht aufgrund akademischer Kriterien (lacht). St.Gallen wurde aber aktuell, als ich mich entschied, eine Weiterbildung in Unternehmensführung zu absolvieren. Das Ausland kam nicht mehr in Frage – ich war damals bereits Familienvater. Die Entscheidung für St.Gallen und den hiesigen Executive MBA stellte sich dann als absoluter Glückstreffer heraus. Ich durfte bei Persönlichkeiten wie Rolf Dubs, Martin Hilb, Franz Jaeger oder Manfred Timmermann lernen. Als junger Anwalt habe ich da gemerkt, wie wichtig es ist, etwas von Unternehmensführung zu verstehen, wenn man im Wirtschaftsrecht beraten will. Und dann war diese Weiterbildung natürlich auch wegweisend für meinen akademischen Weg: Die Schnittstelle zwischen Recht und Management war damals noch überhaupt nicht ausgeleuchtet. Da tat sich für mich ein fantastisches Betätigungsfeld für meine Forschung und Lehre auf. Das hat dann auch die HSG erkannt und mich früh in den Lehrbetrieb eingebunden.

Wie hat sich das Lehren und Lernen an der HSG in den vergangenen zwölf Jahren verändert?
Na ja, es geht heute natürlich nichts mehr ohne technische Unterstützung. Der Zugriff auf Daten und Literatur geschah früher über meterweise Papier zwischen Kartondeckeln in der Bibliothek. Heute sind diese Informationen über ein paar Klicks im Internet zugänglich. Online-Unterricht via Zoom ist Alltag geworden. Aber damals wie heute ist Lehren und Lernen ein Ergebnis des guten Zusammenspiels zwischen Professoren einerseits sowie Studentinnen und Studenten andererseits. Klar, strukturiert, verständlich und praxisnah vermitteltes Wissen, die Diskussion darüber mit den Studentinnen und Studenten, ein offenes Ohr für Fragen und Anliegen, gegenseitiger Respekt und auf beiden Seiten eine gewisse Leidenschaft fürs Fach sind die Ingredienzen guten Lehrens und Lernens. Da hat sich nichts geändert.

Und welches sind die persönlichen Highlights Ihrer HSG-Karriere?
Sicher die Begegnungen mit spannenden Menschen. Dazu gehört mein Team, das mir sehr ans Herz gewachsen ist. Dann aber natürlich auch die jungen Menschen, die in meinen Kursen engagiert mitgearbeitet haben. Und natürlich die Kolleginnen und Kollegen an der HSG und die vielen Bekanntschaften und Freundschaften, die ich mit Professorinnen und Professoren an anderen Universitäten im In- und Ausland knüpfen und mit denen ich hervorragend zusammenarbeiten durfte.

Und die schwierigsten Momente?
Schwierig war sicher die Wahl des Zeitpunkts für meine Emeritierung (Pensionierung) an der HSG. Ich habe ja schon vor drei Jahren angekündigt, dass ich Ende März 2020 mit 63 Jahren ausscheiden möchte. Das war dann ausgerechnet der Beginn des Corona-Lockdowns. Ich musste also meinen Nachfolger Bruno Mascello genau dann bitten, das Steuer zu übernehmen, als es richtig schwierig wurde. Das ist bitter, für ihn, aber natürlich auch für mich.

Sie haben massgeblich dazu beigetragen, dass die HSG zahlreiche Partnerschaften mit Unternehmen und Universitäten eingehen konnte
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Ich hatte zu Beginn meiner akademischen Karriere einfach Glück, dass mein Forschungsinteresse einem Gebiet galt, das zunehmend mehr Bedeutung erhielt, und zwar vorerst vor allem in den USA, in Australien und in Grossbritannien. Wenn ich also ein Fachgespräch über betriebswirtschaftliche Aspekte des Rechts führen wollte, musste ich mich mit Kolleginnen und Kollegen ausserhalb Kontinentaleuropas zusammentun. Gemeinsam hat dann ein Kreis von Professorinnen und Professoren, die überall auf der Welt verstreut sind, unser immer noch junges Forschungsgebiet aufgebaut. Wir durften an der HSG von Anfang an eine respektierte Stimme in diesem Kreis sein.

Für die international stark vernetzte HSG bedeutete dies natürlich, dass sie global sichtbar geworden ist …
… in einem zwar kleinen, aber zunehmend stark beachteten Forschungsgebiet, ja. Das hat neue Zugänge eröffnet, etwa zur University of Miami, zur Harvard University oder zur Indiana University in den USA, zur Oxford University in England oder zur Griffith University in Australien. Was die Kontakte zu Unternehmen betrifft, so lag das natürlich auf der Hand. Ich war ja immer nur im Teilzeitpensum an der HSG tätig. Die übrige Zeit widmete ich meiner Tätigkeit in verschiedenen Unternehmen. Ich finde es wichtig, dass an der Uni generiertes Wissen auch dem Tauglichkeitstest in der Praxis unterzogen wird. Umgekehrt haben mir meine Aktivitäten in und mit Unternehmen sehr geholfen, praxisnah zu unterrichten.

Gibt es auch etwas, das Sie heute anders machen würden?
Klar! Da sind die vielen kleinen Entscheidungen, die man trifft und von denen man bereits spätestens am Abend des gleichen Tages merkt, dass es bessere Varianten gegeben hätte. Wenn Sie aber die grossen Weichenstellungen ansprechen, dann kann ich mit viel Demut feststellen, dass ich sie richtig gemacht habe: in der Familie und im Beruf. Hinzu kamen Glück sowie die Unterstützung meiner Familie und meiner Kolleginnen und Kollegen an der Uni!

Was machen Sie mit der neu gewonnen Zeit, die Sie nun haben? Sie spielen ja Bass, bleibt nun wieder mehr Zeit dafür?
Leider merke ich noch nicht sehr viel von den viel beschworenen Freuden des Ruhestands. Ich unterrichte nach wie vor kleine Pensen hier an der HSG in der Weiterbildung, an der Universität Zürich und an der University of Miami. Zudem halten mich meine Aufgaben in den Verwaltungsräten einiger Unternehmen ordentlich auf Trab. Corona hat hier dazu beigetragen, dass ich an vielen Fronten gefordert bin. Aber ich bleibe zuversichtlich: Irgendwann wird sich schon etwas mehr Musse einstellen. Spätestens dann, wenn meine noch kleinen Enkel ihren Anteil an Qualitätszeit mit dem Opa stärker einfordern!

Dieser Text von Patrick Stämpfli ist aus der LEADER Ausgabe Nov/Dez 2020. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch.

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