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Stadt St.Gallen
30.11.2020
30.11.2020 16:05 Uhr

Mehr als nur zeitgeistig

Mathias Gabathuler gratuliert Maria Pappa zur Wahl
Mathias Gabathuler gratuliert Maria Pappa zur Wahl Bild: zVg
Dass Maria Pappa das Rennen um das St.Galler Stadtpräsidium gemacht hat, sei keine Überraschung, findet Stephan Ziegler in seinem Kommentar. Und er hofft auf ein «Dreamteam».

Dass Maria Pappa das Rennen um das St.Galler Stadtpräsidium gemacht hat, ist keine Überraschung: Die quirlige Baudirektorin entspricht fast zu hundert Prozent dem herrschenden Zeitgeist, der weiblich, links und jung weht. Ältere weisse Männer aus dem bürgerlichen Lager haben es da schon grundsätzlich schwer; besonders schwer haben sie es in den Städten, die traditionell links wählen (St.Gallen war auch die einzige Stadt neben Rorschach im Kanton, welche die Konzernverantwortungsinitiative angenommen hat). So gesehen ist es fast ein Wunder, dass die FDP mit Gabathuler zumindest den Sitz im Stadtrat verteidigen konnte.

Authentisch, engagiert und offen

Obwohl die Wahl Pappas tatsächlich als «historisch» bezeichnet werden darf – St.Gallen hatte noch nie eine Stadtpräsidentin –, wäre es zu kurz gegriffen, ihre Wahl darauf zu reduzieren, dass Maria Pappa eine Frau ist. Denn die 49-Jährige ist auch eine engagierte Politikerin, die Zusammenhänge sieht, die spricht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, die Kompromisse eingehen kann und die sich nicht zu schade ist, mit der Bevölkerung immer wieder in Kontakt zu treten. Ich glaube, sie wirkt nicht nur authentisch, engagiert und offen – sie ist es auch.

Vielleicht ist es ihren italienischen Wurzeln geschuldet, dass sie es so gut mit den Leuten kann, dass es ihr nicht schwerfällt, auf diese zuzugehen und sie ernst zu nehmen. Die sonst eher etwas «brötigen» St.Galler Politiker können sich, was Authentizität und Offenheit angehen, gerne eine Scheibe davon abschneiden.

Maria Pappa betonte unmittelbar nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am Sonntag, sie wolle sich «für die Interessen der Menschen dieser Stadt» einsetzen. Dieses Versprechen dürfte nicht ganz einfach umzusetzen sein, divergieren die Interessen zum Teil doch diametral: Die einen wollen am liebsten nur noch Velowege, die anderen mehr Parkplätze. Links verlangt nach Staatswohnungen, rechts stört sich ab der staatlichen Bevormundung. Handel und Gewerbe stöhnen unter einer stets wachsenden städtischen Vorschriftenlast, Kunst und Kultur wünschen sich hingegen noch mehr Förderung durch die Stadt.

Gabathuler soll es richten

Hier eine Balance zu finden, wird auch für eine offene Persönlichkeit wie Maria Pappa nicht einfach werden. Da kann sie schon fast von Glück reden, dass mit ihrem Konkurrenten Mathias Gabathuler zumindest noch ein Vertreter einer wirtschaftsfreundlichen Partei im Stadtrat sitzt. Zu gross wäre sonst die Gefahr gewesen, dass sich das Fünfergremium auf einen noch stärker ausgeprägten Linkskurs begeben hätte, der die Stadt über kurz oder lang in den Ruin geführt hätte.

Auf Mathias Gabathulers Schultern lastet nun die Bürde, seinen künftigen Kolleginnen und Kollegen beizubringen, dass man Geld, das man ausgeben will, zuerst einmal verdienen muss. Dass die Steuerschrauben nicht nach Belieben angezogen werden können, weil sonst früher oder später auch noch der letzte Wohlhabende der Stadt den Rücken zudreht. Dass Unternehmen nicht einfach nach Belieben gegängelt werden können, weil auch sie sich sonst einmal sagen: Jetzt reichts, wir ziehen weg. Kurz: Dass man nicht nur zu den «Schwächsten» schauen muss, wie es sich Rot-Grün ja gerne auf die Fahne schreibt, sondern auch zu den Starken. Weil diese die ganze Umverteilung schlussendlich finanzieren.

Ich bin aber überzeugt, dass Mathias Gabathuler dabei auch auf die Unterstützung von Maria Pappa zählen kann. Sie ist eine, die zuhören kann, die Zusammenhänge sieht und die alles andere als parteipolitisch verblendet ist. Das lässt auf eine Art «Dreamteam» hoffen – vielleicht sogar darauf, dass das alte Sprichwort «In St.Gallen sind keine grossen Würfe möglich» bald ausgedient hat. Der Ball liegt jetzt bei den beiden Neugewählten, die Stadt in den nächsten Jahren tatsächlich weiterzubringen. Für alle, nicht nur für Rot-Grün.

Dr. Stephan Ziegler ist Chefredaktor des St.Galler Verlagshauses MetroComm AG, das auch stgallen24 betreibt
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