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Wittenbach
17.11.2020
17.11.2020 14:14 Uhr

Ostschweizer sorgen für mehr Inklusion im Schweizer Tourismus

ginto Verein AccessibilityGuide
ginto Verein AccessibilityGuide Bild: FS
In der Schweiz leben rund 1.7 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Dank der Plattform «ginto» des Wittenbacher Vereins AccessibilityGuide erhalten diese Menschen mehr Informationen zur Zugänglichkeit auch von touristischen Orten.

Bereits in der Bundesverfassung wird festgehalten, dass niemand aufgrund einer Behinderung diskriminiert werden darf. Ebenfalls fordert die revidierte Bundesverfassung, die 2000 in Kraft getreten ist, die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. So wird auch festgehalten, dass bis spätestens Ende 2023 der öffentliche Verkehr (öV) der Schweiz den Bedürfnissen behinderter und altersbedingt eingeschränkter Reisender entsprechen muss.

Mobilität dank digitaler Hilfsmittel
2012 hat das Eidg. Parlament über eine Totalrevision der Gesetzesgrundlage über die Förderung von Innovation, Zusammenarbeit und Wissenstransfer (Innotour) entschieden. Innotour ist dem SECO zuzuordnen. Das Innotour-Förderkonzept fokussiert die «Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Tourismuslandes Schweiz». Durch Fördergelder aus Innotour wird das Projekt «Informationen zur Zugänglichkeit von Angeboten im Schweizer Tourismus» des Fördervereins Barrierefreie Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Verein AccessibilityGuide aus Wittenbach umgesetzt. Das Projekt wurde «OK:GO Initiative» getauft. Digitale Hilfsmittel helfen Menschen mit Behinderungen, mobiler zu werden. Von den 1.7 Millionen Menschen mit Behinderungen leben rund 43'000 mit einer Gehbehinderung. Für diese Betroffenen ist die oftmals historische Gebäudearchitektur öffentlicher Gebäude, Restaurants oder Lokale in der Schweiz eine grosse Herausforderung, da sie nicht barrierefrei zugänglich sind. Das betrifft auch die Freizeitgestaltung. So sind leider immer noch sehr viele Angebote nicht auf Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder ältere Personen zugeschnitten.

Die Ostschweiz an vorderster Front
Die Gesellschaft verändert sich, Menschen werden immer älter, das Mobilitätsbedürfnis steigt, entsprechend werden auch alltägliche Angebote inklusiver gestaltet. Menschen mit Behinderungen wollen präsenter sein und an der Gesellschaft teilhaben. Die Bundesverordnung, den öV und damit die Bahnhöfe in der Schweiz bis Ende 2023 barrierefrei zu gestalten, fordert die Kantone. Erst im Juni dieses Jahres hat der Bundesrat erweiterte Regeln erlassen, dass auch das Fernbus-System neu mindestens zwei Rollstuhlplätze anbieten und Seilbahnen Manövrierfläche für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer zur Verfügung stellen müssen. Die Ostschweiz positioniert sich im Bereich Inklusion und Gleichstellung von Tourismus- und Freizeitangeboten neu. 2017 lancierte der Verein AccessibilityGuide die Zugänglichkeitsplattform «ginto». Die dazugehörige kostenlose App zeigt Menschen mit speziellen Anforderungen die Zugänglichkeit unterschiedlicher Lokalitäten auf, jeweils auf die individuellen Bedürfnisse der Nutzenden ausgerichtet. Seit Inbetriebnahme von «ginto» hat die Community bereits über 5000 Einträge in der ganzen Schweiz erfasst. Mit «ginto» kann man Lokalitäten schweizweit erfassen. Das Angebot steht in den Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch zur Verfügung.

Mit «ginto» zu mehr Zugänglichkeit im Tourismus
Für das national ausgerichtete Projekt, den Schweizer Tourismus zugänglicher zu machen, wurde die «ginto»-Plattform ausgewählt. In Zusammenarbeit mit dem Förderverein Barrierefreie Schweiz wird in den nächsten vier Jahren die «OK:GO Initiative» im Schweizer Tourismus umgesetzt. Die Initiative verfolgt die Vision, dass alle Betriebe im Schweizer Tourismus Informationen zur Zugänglichkeit ihrer Angebote strukturiert und öffentlich zur Verfügung stellen. Dabei hat der Verein AccessiblityGuide das bestehende Datenmodell von «ginto» soweit angepasst, dass dieses auch für den Tourismussektor funktioniert. Hotelbetriebe können sich ebenso abbilden wie einzelne Seilbahnbetriebe oder die Schifffahrt. «Dank dieser Zusammenarbeit können wir uns in der Schweiz als die führende Plattform für Zugänglichkeit etablieren» so Julian Heeb, Vereinspräsident und Gründer von AccessibilityGuide. Er ist seit Geburt aufgrund einer neuromuskulären Erkrankung auf einen Elektrorollstuhl und Assistenz angewiesen. Heeb kennt die Bedürfnisse von Menschen mit einer schweren Mobilitätseinschränkung und die Herausforderungen an die Mobilität aus eigener Erfahrung. Er ist viel unterwegs, pendelt eigenständig zur Arbeit von Wittenbach nach Zürich und zurück. Dies hat Heeb dazu bewogen, eine Internetplattform aufzubauen, die es erlaubt, Informationen zu Zugänglichkeiten von Orten und Gebäuden abzubilden und zu teilen. Denn er war davon überzeugt, dass diese Informationen auch für andere Menschen mit einer Mobilitätseinschränkung von Nutzen sein können. Sein technisches Verständnis und Know-how hat er 2007 mit dem Studium an der ETH Zürich durch den Master of Science in Electrical Engineering and Information Technology erworben.

Abbildung von Zugänglichkeit ohne Wertung
Für jeden Menschen heisst Zugänglichkeit etwas anderes. Auf «ginto» werden die Daten auf eine objektive, beschreibende Art erfasst. Dank diesen detaillierten, umfassenden Informationen ist es möglich, dass Zugänglichkeiten basierend auf dem persönlichen Bedürfnisprofil angezeigt werden. So wird die Zugänglichkeit ein und derselben Lokalität für die Userinnen und User unterschiedlich angezeigt. Sie sehen zudem immer transparent, weshalb für sie etwas als nicht zugänglich angezeigt wird und können dank diesen Informationen selbstbestimmt entscheiden, ob ein Lokal für sie zugänglich ist oder nicht. Das gleiche gilt in Zukunft auch für die Angebote im Schweizer Tourismus.

Toggenburg Tourismus macht sich stark
Das Toggenburg hat bereits vor zehn Jahren entschieden, sich für einen barrierefreien Tourismus einzusetzen und als Pilotregion das Label «Ferien für alle» zur Verfügung gestellt. «Das zentrale Anliegen für die Ferienregion Toggenburg ist es, die Zielgruppen Menschen mit Behinderungen und Seniorinnen und Senioren gleich zu behandeln wie alle Gäste und ihnen eine Willkommens-Kultur vorzuleben», so Sonja Teuscher, Produktmanagerin Sommer Toggenburg Tourismus. Das Toggenburg will seine Aufgabe wahrnehmen und einen Beitrag dazu leisten, dass alle Gäste Zugang haben, auch zu den Informationen über die Ferienregion. Als Destinations-Management-Organisation (DMO) bündelt Toggenburg Tourismus alle Angebote und Informationen ihrer Partner und Leistungsträger und macht sie auf unterschiedlichen Kommunikationskanälen für alle verfügbar und zentral zugänglich.

Das Toggenburg auf der «ginto»-Plattform
Für Toggenburg Tourismus ist es eine Herzensangelegenheit, dem barrierefreien Tourismus ihrer Region wieder mehr Beachtung zu schenken. Dank der «OK:GO Initiative» wird es möglich, Kräfte zu bündeln und Synergien zu nutzen, die «ginto»-Plattform bildet die solide Basis. Toggenburg Tourismus wird Partner und Leistungsträger informieren, ihren Betrieb oder ihr Angebot auf der Plattform einzutragen. Sonja Teuscher kann sich auch vorstellen, diese Einträge zu einem späteren Zeitpunkt auf der Website zu verlinken.

Dieser Text von Fabienne Locher ist aus der Oktober-2020-Ausgabe des Magazins"east#digital". Die east#digital-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch

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