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Stadt St.Gallen
12.11.2020
12.11.2020 11:19 Uhr

Hat sie oder hat sie nicht?

Bild: zVg
Als Trudy Cozzio bekanntgab, dass sie zum zweiten Wahlgang antreten wolle, sorgte das bei der FDP für rote Köpfe. Ein Dokument soll nun beweisen, dass sich die CVP nicht an eine Unterstützungsvereinbarung gehalten habe.

Überraschend spannten in diesem Wahljahr die Bürgerlichen zusammen: Mathias Gabathuler (FDP), Trudy Cozzio (CVP) und Karin Winter-Dubs (SVP) bildeten eine Allianz. Im ersten Wahlgang verpasste Gabathuler das knappe Mehr; Cozzio erhielt knapp tausend Stimmen weniger als Gabathuler. Winter-Dubs gab nach dem ersten Wahlgang bekannt, dass sie nicht mehr antreten werde.

Laut einer Vereinbarung hätte auch die CVP darauf verzichten sollen. Das sei schriftlich festgehalten worden, hiess es seitens der FDP. Doch diese Vereinbarung ignorierte die CVP offenbar, als sie anfangs Oktober bekanntgab, dass Cozzio wieder antreten wolle. Der ehemalige CVP-Ständeratskandidat und St.Galler Rechtsanwalt Michael Hüppi trat deshalb aus der Partei aus.

Vereinbarung wurde geleakt

«Es ist bedauerlich, dass die CVP – entgegen der unterzeichneten Vereinbarung – nun gegen die Kandidatur von Mathias Gabathuler antritt. Gabathuler ist führungserfahren, kommunikativ und tritt souverän auf. Das hat auch die St.Galler Bevölkerung überzeugt: Gabathuler verpasste im ersten Wahlgang nur knapp das absolute Mehr und kam beim Stadtpräsidium der SP-Kandidatin sehr nahe. Motiviert wurde Cozzio offenbar von links-grünen Kreisen. Das Kalkül dahinter ist offenkundig: SP und Grüne wollen Mathias Gabathuler als Stadtpräsidenten verhindern und erachten Trudy Cozzio, die kaum mehr als eine Legislatur im Amt bleibt dürfte, als weniger gefährlich», so der Geschäftsführer der Stadt-St.Galler FDP, Christoph Graf.

Doch was genau stand in dieser Vereinbarung? Dem «St.Galler Tagblatt» liegt die Vereinbarung vor, die von allen Parteipräsidenten und Kandidaten unterzeichnet worden ist. Sie umfasse acht Ziffern. Dabei sei Ziffer 4 besonders interessant, denn dort heisst es: «Im zweiten Wahlgang stellen die Stadtparteien in Aussicht, gemeinsam diejenigen Kandidaturen zu unterstützen, welche am aussichts- und chancenreichsten sind.»

«Bis zur letzten Sekunde gewartet»

Diese Formulierung lässt Raum für Interpretationen. In einer gemeinsamen Sitzung nach den Wahlen hätte man die verschiedenen Szenarien nach dem ersten Wahlgang besprechen wollen. In der Vereinbarung sind diese sogar aufgelistet. Eingetroffen ist das Szenario B1: Vier gewählte Stadträte, eine Vakanz sowie ein vakantes Stadtpräsidium. Demnach hätte Folgendes passieren sollen: «Unterstützung der bürgerlichen Kandidatur mit dem besten Resultat bei den Stadtratswahlen. Rückzug der anderen bürgerlichen Stadtratskandidaturen.»

Über eine linksgrüne Kandidatur oder eine Verhinderung einer allfälligen stillen Wahl ist nichts im Dokument zu finden. CVP-Präsident Raphael Widmer sagt gegenüber der Zeitung, dass die CVP keine Vereinbarung verletzt hätte. Man sei bei der Formulierung des Szenarios B1 davon ausgegangen, dass eine linksgrüne Gegenkandidatur aufgestellt würde. Wäre dies eingetroffen, so hätte man sich sofort zurückgezogen. «Ohne Gegenkandidatur und ohne Wahlkampf bräuchte man sich ja keine gegenseitige Unterstützung zuzusichern», so Widmer. Deshalb hätte man mit der Anmeldung von Cozzios Wahl auch bis zur letzten Sekunde gewartet.

Kampfansage für die FDP

Klar ist, dass durch die Kandidatur von Cozzio die Chance der FDP auf einen Sitz geschmälert wird. Denn: Gabathuler muss zunächst als Stadtrat gewählt werden, um überhaupt Stadtpräsident zu werden. Die FDP nehme diese Kampfansage an und werde engagiert um das Stadtpräsidium kämpfen, so Christoph Graf: «Sie ist weiterhin zweitstärkste Partei und Fraktion in der Stadt St.Gallen und hatte mit Thomas Scheitlin bisher einen hervorragenden Stadtrat und Stadtpräsidenten, um dessen Sitz es am 29. November nun geht.»

stgallen24 findet:

Dass Politik ein zuweilen schmutziges Geschäft ist, wissen wir alle. Und dass dabei oft auch mit harten Bandagen gekämpft und Verträge das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt sind, gehört zum Geschäft.

Aber doch nicht in St.Gallen!

Dass die CVP eine schriftliche Abmachung bricht, verheisst nichts Gutes für die künftige Zusammenarbeit unter den Bürgerlichen: Ein so offensichtlicher Vertrauensbruch würde keiner Partei schmecken. Wie soll man so dem - eigentlich - politisch Verbündeten noch trauen?

Aber:

Die CVP steckte in einer Zwickmühle: Die Grünen hatten angedroht, selbst einen Kandidaten aufzustellen, sollten die Bürgerlichen keine Auswahl, sprich zwei Kandidaten, bieten. Sollte sie das risikieren - oder doch mit einer eigenen Kandidatin antreten, um den letzten bürgerlichen Sitz im Stadtrat zu verteidigen?

Die CVP gab der Drohung nach, obwohl sie sich später als Schall und Rauch erwies: Obschon die Christdemokraten bis zum Schluss mit dem Einreichen der Kandidatur Cozzio gewartet hatten, war von einer grünen Kandidatur weit und breit nichts zu sehen.

Das Kalkül links-grüner Kreise ist damit aufgegangen: Sie haben es geschafft, die Bürgerlichen in einen Zweikampf zu verstricken - und damit den Weg für eine linke Stadtpräsidentin, nämlich Maria Pappa, zu ebnen.

Verloren ist der Kampf ums Stadtpräsidium allerdings noch lange nicht: Mit einer Konzentration aller Stimmen aus der Mitte und dem bürgerlichen Lager auf Mathias Gabathuler sind die Chancen intakt, dass St.Gallen auch weiterhin von einem FDP-ler präsidiert wird.

stgallen24
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