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Gaiserwald
31.12.2025
29.12.2025 14:21 Uhr

Erinnerungen ans Bellonatal

Bild: EZ
Das Bellonatal bei St.Josefen ist ein Ort voller Geschichte, Mythen und persönlicher Erinnerungen. In seinen «Erinnerungen ans Bellonatal» zeichnet Ernst Ziegler ein schönes Bild des Tales, das von industrieller Nutzung, Explosionen, Sägereien und Weihern geprägt war und zugleich Raum für Kindheitserlebnisse bot.

Meine Jugend verbrachte ich von 1938 bis etwa 1960 im damals heimeligen St.Josefen. Zu diesem Dorf gehörte «eine romantische Schlucht», das Bellonatal.

Hier baute Johannes Löhrer aus Waldkirch um 1819 eine Pulvermühle oder Pulverfabrik, wo er «aller Gattungen Schiess-, Jagd-, Kanonen- und Sprengpulver» verfertigte. Da Pulver auch zu Kriegszwecken benötigt wurde, erhielt das friedliche Tal den Namen von der römischen Kriegsgöttin Bellona (bellum: Krieg).

Der Kriegsgott Mars gab übrigens auch der Pulverfabrik Marstal südlich von Gossau den Namen, die von Josef Löhrer, einem Bruder von Johannes, 1831 errichtet worden war.

Bereits im Juni 1821 flog die Pulvermühle im Bellonatal zum ersten Mal in die Luft.

 Nach Josef Denkinger schrieb Josef Löhrer seinem Bruder Jakob Anton, der die Pulvermacherei in Salzburg betrieb: «Unserem Bruder Johann ist in diesem Sommer wieder ein Pulverstampf mit 240 Pfund in die Luft geflogen. Gott sei Dank wurde niemand verletzt. Seit 1821 hat er sieben Explosionen erleben müssen.»

Drei Jahre später meldete er wiederum nach Salzburg: «Am 23. Mai [1838], morgens halb 9 Uhr, ist unserem geliebten Mitbruder Johannes wieder eine Pulverstampfe mit 200 Pfund in die Luft geflogen. Gott sei Dank wurde niemand weiter beschädigt.» Mit der Einrichtung des sogenannten Pulverregals 1848 endete dann die Pulverherstellung durch Privatleute.

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Am Wiesenbach betrieb der Landwirt Joseph Mooser bis um 1899 eine «Knochenstampfe», wo Knochen geschlachteter Tiere zerstampft und gemahlen wurden. Das so gewonnene Knochenmehl diente den Bauern als Dünger oder Hühnerfutter.

Nach dem Ende der Pulverfabrikation scheint es im Bellonatal ruhig geworden zu sein.

Ein «Flaschner» und ein «Mühlenmacher» sollen um 1860 dort unten gewohnt haben. Dann wurde 1875 der Wiesenbach für eine Sägeanlage gestaut. Es begann mit einer einfachen Betonmauer, an der in den folgenden Jahren bis 1918 immer wieder gebaut wurde.

In einem Adressbuch von 1889 sind die Sägerei von Zimmermeister Jakob Lehmann sowie die Sägerei und Holzhandlung von Anton Stärkle erwähnt.

Der in St.Josefen tätige Arzt Dr. Adolf Eberle schrieb 1929 über diese Sägerei: «Dort in der Sägemühle sassen wir mit Vorliebe auf dem gleitenden Holzstamme, bis wir ganz nahe dem Sägeblatt waren und verspeisten die frischen Krebse, die wir aus dem Wiesenbach fingen.»

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An die Sägerei im Bellonatal kann ich mich noch gut erinnern, und fast zwei Jahrzehnte nach Doktor Eberle haben auch wir im Wiesenbach Krebse gefangen.

Unter der Staumauer des «Sägiweihers» konnten wir zur Winterszeit auf dem Eis spielen.

Der Weiher war für uns ein etwas unheimlicher Ort, weil – der Sage nach – sich dort einst eine alte Frau erhängt haben sollte. Faszinierend für mich war um 1950 herum jeweils der Weg von der «Filtrox» gegen das Bellonatal und hinauf nach St.Josefen. Da kam man nämlich an verfallenen Anlagen und einem noch gut sichtbaren Wehr vorbei.

Unterhalb des grossen Weihers lag einst der 1907 erstellte kleine Bellonatalweiher, der nach 1933 verlandete. Heute sieht man davon nicht mehr viel, weil der Wald fast alles überwachsen hat. Gegen das Bellonatal zu begegnete ich einst auch Waldköhlern. Diese wilden Gesellen stellten damals noch Holzkohle her.

Über die Weiher der Stadt St.Gallen haben Théo Buff und Rolf Kretzer 2000 ein in jeder Hinsicht gediegenes Buch verfasst, worin der Bellonatalweiher als «ein wunderschöner Waldsee», der unbedingt erhalten werden sollte, gepriesen wird.

Ernst Ziegler, ehem. St.Galler Stadtarchivar
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