Die Donut-Ökonomie bietet einen inspirierenden Rahmen dafür, wie Städte ihre Entwicklung im 21. Jahrhundert gestalten können: ökologisch verträglich, sozial gerecht und langfristig zukunftsfähig.
Das Modell der britischen Ökonomin Kate Raworth zeigt auf einfache Weise, was komplexe Strategiepapiere oft nicht leisten: Es verbindet das gute Leben der Menschen mit der Belastbarkeit unseres Planeten und definiert den Raum, in dem beides gleichzeitig möglich ist.
Im Zentrum steht das gesellschaftliche Fundament – die Grundbedürfnisse, die allen Menschen zustehen, von Wohnen und Gesundheit bis zu politischer Teilhabe. Der äussere Kreis markiert die planetaren Grenzen, deren Überschreitung Klima, Biodiversität und Ressourcen gefährdet. Dazwischen liegt der sichere und gerechte Raum, in dem eine Stadt florieren kann.
Aus Beispielen lernen
In Europa und weltweit setzen bereits zahlreiche Städte auf diesen Ansatz. Amsterdam nutzt den Donut, um seine Kreislaufstrategie bis 2050 zu entwickeln und konkrete Massnahmen wie ressourcenschonendes Bauen oder umfassende Monitoring-Instrumente umzusetzen.
Brüssel hat ein mehrstufiges Analysetool geschaffen, das soziale und ökologische Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen sichtbar macht und politische Entscheidungen systematisch unterstützt. Die Region Cornwall wiederum verwendet ein Entscheidungsrad, das in der frühen Planungsphase zeigt, wie Projekte optimiert werden können.
Und die kanadische Stadt Nanaimo verbindet den Donut mit einem breit angelegten Beteiligungsprozess, wodurch Strategien und lokale Bedürfnisse harmonisiert werden. All diese Beispiele zeigen: Der Donut ist keine Theorie, sondern ein praktisches Werkzeug für zukunftsorientierte Stadtentwicklung.
Vorreiterrolle einnehmen
Auch für St.Gallen könnte die Donut-Ökonomie ein kraftvoller Impuls sein. Sie bietet die Möglichkeit, bestehende Nachhaltigkeitsbestrebungen zu bündeln, strategisch zu verbinden und gemeinsam mit Bevölkerung, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik weiterzuentwickeln.
Ein Donut-Portrait der Stadt könnte sichtbar machen, wo St.Gallen sozial und ökologisch gut aufgestellt ist – und wo gezielte Massnahmen notwendig wären. Gleichzeitig könnte der Donut die Grundlage für ein partizipatives Zukunftsbild schaffen, das Antworten auf zentrale Fragen liefert: Wie wollen wir 2030, 2040 oder 2050 leben? Wie kann St.Gallen Wohlstand schaffen, ohne die ökologischen Grenzen zu überlasten? Und wie gelingt es, dass alle Menschen am Fortschritt teilhaben?
Ein Donut-Projekt würde St.Gallen die Chance geben, national wie international eine Vorreiterrolle einzunehmen – als Stadt, die mutig, wissenschaftlich fundiert und gemeinschaftlich an ihrer nachhaltigen Zukunft arbeitet. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, diesen Weg zu eröffnen.