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Stadt St.Gallen
29.10.2025
28.10.2025 17:01 Uhr

«KI ist kein Ersatz, sondern ein Verstärker der Kreativität»

Yanina de Sapio in einem mit KI generiertem Bild
Yanina de Sapio in einem mit KI generiertem Bild Bild: ai-media-agency.com
Die St.Gallerin Yanina de Sapio gewann mit ihrem Film «Ocean Mirror» den ersten AI Media Award 2025. Im Gespräch erklärt die junge Filmemacherin, warum künstliche Intelligenz für sie kein Widerspruch zur Kunst ist, was ihre Generation antreibt und weshalb sie in der Präzision der Sprache den Schlüssel zur Zukunft sieht.

Yanina de Sapio, aus welcher kreativen Richtung kommen Sie ursprünglich?
Ich komme aus dem klassischen Design. Nach meiner Ausbildung als Polydesignerin 3D habe ich zunächst im visuellen Kommunikationsbereich gearbeitet. Mich faszinierte schon damals das Zusammenspiel von Raum, Farbe und Materialität. Mit dem Studium Content Creation & Online Marketing an der SAE Zürich habe ich diesen Schritt in die digitale Welt bewusst intensiviert. KI ist für mich dabei kein Bruch, sondern eine Erweiterung meines gestalterischen Denkens.

Was hat Sie zum Thema Ihres gesellschaftskritischen Films Ocean Mirror inspiriert?
Ich bin in einer Generation aufgewachsen, die ständig mit den Folgen ökologischer Krisen konfrontiert ist – aber zugleich in einer Konsumkultur lebt, die diese Probleme verschärft. Ocean Mirror war mein Versuch, dieses Paradox sichtbar zu machen. Die Idee, das Meer als Spiegel unseres eigenen Handelns zu zeigen, entstand aus dem Gedanken, dass wir Menschen zwar technologisch fortgeschritten sind, aber moralisch noch im seichten Wasser treiben.

Wie erleben Sie die neue Bewegung von AI-Filmschaffenden, und wie sehen Sie die Zukunft dieser Entwicklung?
Wir stehen erst am Anfang einer neuen kreativen Ära. Die Bewegung ist von einer bemerkenswerten Dynamik geprägt – weltweit entstehen derzeit völlig neue Formen des visuellen Erzählens. Ich bin überzeugt, dass künstliche Intelligenz die Rolle des Menschen im schöpferischen Prozess nachhaltig verändern wird: Es findet eine Demokratisierung der Produktion statt. Kreativschaffende erhalten Zugang zu neuen Technologien und Methoden, die eine bisher kaum denkbare künstlerische Freiheit ermöglichen – unabhängig von klassischen Produktionsstrukturen.

Szene aus «Ocean Mirror» Bild: zVg

Wie muss man sich eine AI-Filmproduktion vorstellen?
Im Kern ähnelt der Prozess klassischen Filmproduktionen – doch die Werkzeuge sind andere. Am Anfang steht stets ein Storyboard und ein Drehbuch, das ich selbst verfasse. Danach gestalte ich die visuelle Welt mit Midjourney, animiere die Szenen mithilfe von KLING AI und ergänze Stimmen sowie Geräusche über ElevenLabs. Den Soundtrack komponiere ich mit SUNO AI, bevor in Adobe Premiere alle Elemente zu einem Ganzen verschmelzen.

Wie sehen Sie diese Entwicklung im Hinblick auf den Berufsstand der Sprecher?
Das ist ein sensibles Thema. Es braucht rechtliche Klarheit und faire Vergütungsmodelle. Plattformen wie ElevenLabs ermöglichen Sprechern, ihre Stimme zu lizenzieren – ähnlich wie Fotografen ihre Bilder. Das kann neue Einkommensquellen schaffen, wenn es transparent und respektvoll gehandhabt wird.

Haben Sie bereits Pläne für Ihren nächsten Film?
Im Moment konzentriere ich mich darauf, Ocean Mirror bei weiteren internationalen Festivals und AI-Awards einzureichen. Langfristig möchte ich jedoch stärker narrative Formate entwickeln – vielleicht eine Kurzfilmreihe, die ökologische Themen in unterschiedlichen Facetten beleuchtet.

Ist künstliche Intelligenz ein Ersatz für menschliche Kreativität?
Nein, sie ist ein Verstärker. KI kann Ideen generieren, aber nicht fühlen. Sie reagiert auf Muster – nicht auf Intuition. Der Mensch bleibt der emotionale Kern, die Instanz, die Bedeutung stiftet. Ich sehe KI als Partner, nicht als Konkurrent.

Szene aus «Ocean Mirror» Bild: zVg

Wie verändert KI Ihren Blick auf Ästhetik und Gestaltung?
Sie hat mich gelehrt, präziser zu denken. Ein Prompt ist wie eine filmische Partitur – jedes Wort, jede Nuance steuert das visuelle Ergebnis. KI zwingt uns, bewusster zu formulieren und konzeptionell klarer zu werden. Das ist keine technische, sondern eine sprachliche Disziplin.

Wie stehen Sie zur ethischen Diskussion rund um KI-Kunst?
Ich halte Transparenz für zentral. Wir müssen klar kommunizieren, welche Teile eines Werks KI-generiert sind. Das mindert den Wert der Arbeit nicht, im Gegenteil – es macht sie nachvollziehbar. Nur so kann Vertrauen entstehen.

10. Welche Bedeutung hat der Best Swiss Content Creator Award für Sie persönlich?
Er ist ein starkes Signal – insbesondere für junge Kreative. Er zeigt, dass die Schweiz Teil dieser globalen Bewegung ist und  Qualität wichtiger bleibt als Herkunft oder Reichweite. Für mich ist es eine Bestätigung, dass Kunst und Technologie keine Gegensätze sind, sondern einander befruchten.
Die Schweiz besitzt ein enormes Potenzial: Wir verfügen über Designkultur, technologische Kompetenz und eine hohe Qualität in der kreativen Ausbildung. Wenn es gelingt, diese Stärken klug zu verbinden, kann sich die Schweiz als wichtiger Standort für AI-Kunst und digitale Kreativität etablieren.

stgallen24/stz.
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