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Stadt St.Gallen
20.10.2025
20.10.2025 17:07 Uhr

Adelheid Duvanel: Zwischen Verletzlichkeit und Stärke

Ohne Titel (Drei weibliche Figuren) 1987, Filzstift auf Papier, 21 x 29.7 cm
Ohne Titel (Drei weibliche Figuren) 1987, Filzstift auf Papier, 21 x 29.7 cm Bild: zVg
Das Open Art Museum widmet der Basler Schriftstellerin und Künstlerin Adelheid Duvanel (1936–1996) eine grosse Ausstellung mit Zeichnungen und Gemälden. Die Vernissage findet am Sonntag, 9. November 2025, statt – ein Auftakt, der die faszinierende Bildwelt einer der eigenständigsten Stimmen der Schweizer Kunst- und Literaturgeschichte in den Mittelpunkt rückt.

Anknüpfend an die Sonderausstellung «Ein Traum von einem Ballkleid – Werke aus den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel» (bis 22. Februar 2026) widmet das Open Art Museum im Lagerhaus an der Davidstrasse 44 der Basler Schriftstellerin und Künstlerin Adelheid Duvanel (1936–1996) eine umfassende Ausstellung ihrer Zeichnungen und Gemälde.

Während ihre feinen, lakonischen Textminiaturen längst zu den eigenständigsten Stimmen der Schweizer Literatur zählen, ist ihr bildkünstlerisches Werk bis heute nur wenig gewürdigt.

Obwohl Adelheid Duvanel als Schriftstellerin in der professionellen Kulturszene mitwirkte, orientierte sie sich weder an künstlerischen Strömungen noch an Moden oder an der Basler Kunstszene. Eine Gratwanderin im Leben, blieb sie auch in der Kunst eine Aussenseiterin, die sich mit künstlerischen Mitteln an sich selbst abarbeitete.

So wurde die preisgekrönte Schriftstellerin zur Outsider-Künstlerin. Ihre Zeichnungen sind jedoch nicht als biografische Illustrationen zu verstehen, sondern als eigenständige künstlerische Ausdrucksformen.

Schon in ihren frühen Zeichnungen der 1950er-Jahre widmete sich Duvanel Menschen am Rand der Gesellschaft – fragilen Frauenfiguren und geflüchteten Kindern.

Angst, Einsamkeit, Depression, Krankheit und Tod durchziehen ihr Werk und verleihen ihm eine unverwechselbare Intensität.

Der Literaturwissenschaftler Peter von Matt fasst diese kompromisslose Haltung so zusammen: «Alles, was ihre Kunst so bedrängend macht, ist von Anfang an da. Phasen einer Entwicklung, Stufen auf einem Weg vom imitierenden zum eigenen Erzählen sind nicht zu erkennen … Auf dem kleinsten möglichen Raum die grösste mögliche Verdichtung zu erreichen, das war der ästhetische Imperativ, unter dem sie stand.»

Nach einer längeren Schaffenspause begann Duvanel 1980 in der sicheren Umgebung der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel erneut zu zeichnen und zu malen. Ausgelöst wurde dieser Neubeginn durch ihre Trennung von Joe Duvanel, der – selbst Maler – ihr zuvor das Malen verboten hatte.

Ohne Titel (Schwebende / fallende Frau) , 1984 Filzstift auf Papier, 29.6 x 21 cm Bild: zVg

Die 1980er-Jahre wurden zu ihrer produktivsten Phase: Blatt um Blatt füllte sie mit Kugelschreiber- und Filzstiftzeichnungen auf DIN A4, oft in leuchtenden, kontrastreichen Farben wie Rosa, Pink oder Violett. Parallel entstanden grossformatige Acrylgemälde.

Das Frühwerk der 1950er- und 1960er-Jahre umfasst Zeichnungen und Gemälde mit Kreide, Blei- und Farbstift sowie Kugelschreiber. Es zeigt surreale Szenen, Porträts, vielfach Karikaturen mit deformierten Körpern sowie Darstellungen von psychisch erkrankten Menschen und Menschen mit Behinderung.

Ihre Motive kreisen um existentielle Themen wie Mutter und Kind, Mann und Frau, Angst und Bedrohung, Einsamkeit und Verlust, Krankheit und Tod.

Immer wieder setzt sie sich mit patriarchalen Strukturen auseinander, zeigt gebrochene Frauenfiguren, bedrohte Kinder und die Sehnsucht nach Geborgenheit. Religiöse Symbole wie Dornenkrone oder Mandorla verleihen ihren Arbeiten eine überzeitliche Dimension. Häufig ergänzen Inschriften die Bildszenen und verstärken ihre emotionale Wirkung.

Das Spätwerk ab 1980 zeichnet sich durch eine radikale Vereinfachung der figürlichen Gestaltung aus: kantige Körper, spitze Formen, expressiv verlängerte Gliedmassen und grelle Farbigkeit prägen diese Arbeiten.

Trotz des scheinbar naiven Stils entstehen surreale, traumartige Szenen, die zugleich berühren und verstören. In den Figuren spiegelt sich kompromisslos ihr eigenes Dasein wider – eine zutiefst persönliche und betont weibliche Kunst.

Bereits 2009 präsentierte das Open Art Museum eine erste Retrospektive mit Leihgaben aus dem Schweizerischen Literaturarchiv, den UPK Basel und der Sammlung Dammann. Mit dieser Ausstellung gelangte eine bedeutende Werkgruppe aus dem Besitz ihres Bruders Felix Feigenwinter in die Sammlung des Museums.

2021 kamen weitere 40 Zeichnungen hinzu. Parallel dazu erschienen zahlreiche Publikationen, die Duvanels literarisches und bildkünstlerisches Schaffen aus neuen Perspektiven beleuchten.

Die aktuelle Ausstellung vereint nun Werkgruppen aus dem Sammlungsbestand des Museums mit Gemälden aus dem Bilderlager der UPK Basel.

Sie macht Adelheid Duvanels eindrucksvolle Bildwelt erneut sichtbar – eine Kunst, die ungeschönt und zugleich einfühlsam von Anderssein, Einsamkeit und der Sehnsucht nach Geborgenheit erzählt.

Kuratorinnen
Dr. Monika Jagfeld, Museumsleiterin, Open Art Museum, St.Gallen
Isabelle Zürcher MA, Sammlungskuratorin, Open Art Museum, St.Gallen

Vernissage
Sonntag, 9. November 2025, 11 Uhr
Alle sind herzlich eingeladen! Mit Apéro.
Mit einem Gespräch mit Karin Dammann (Sammlung Karin und Gerhard Dammann).

Das Begleitprogramm im Überblick

Sonntag, 30. November 2025, 15 Uhr
Kunst Kaffee Kuchen mit Lesung
Umrahmt von ihren Bildern im Open Space trägt die Lyrikerin und Künstlerin Sonja Crone ihre Gedichte vor.

Sonntag, 7. Dezember 2025, 14–16 Uhr
Kunst tut gut
Interaktive Führung und Workshop mit Rahel Flückiger (OFFCUT St.Gallen) für alle ab 14 Jahren, die Kunst nicht nur sehen, sondern fühlen und erleben wollen. Lass deine Fantasie frei und entdecke, wie gut Kunst dir tut.
9 Franken (inkl. Ausstellungseintritt). Anmeldung: info@openartmuseum.ch

Sonntag, 26. April 2026, 11–14 Uhr
Brunch für alle
Kunst für alle geniessen – gemeinsam mit dem Verein «Kultur für Alle» und einem gemeinschaftlichen Sonntagsbrunch, verbunden mit einer kurzen Einführung im Tandem.
30 Franken (inkl. Ausstellungseintritt). Anmeldung: info@openartmuseum.ch

Ausstellungsrundgänge
Mittwoch, 19. November 2025, 18 Uhr
Mittwoch, 10. Dezember 2025, 18 Uhr (im Tandem mit «Kultur für Alle»)
Mittwoch, 11. Februar 2026, 18 Uhr (im Tandem mit «Kultur für Alle»)

pd/stz.
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