Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Stadt St.Gallen
09.09.2025
09.09.2025 16:34 Uhr

Das «open art museum» stellt an der Olma aus

Hans Krüsi (1920–1995), «3 Eidgenossen», 1981, Mischtechnik auf Bristolkarton, 69 x 99 cm, open art museum, Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut, St.Gallen (Ausschnitt)
Hans Krüsi (1920–1995), «3 Eidgenossen», 1981, Mischtechnik auf Bristolkarton, 69 x 99 cm, open art museum, Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut, St.Gallen (Ausschnitt) Bild: Kunstmuseum Thurgau
Vom 9. bis 19. Oktober 2025 ist das St.Galler open art museum mit einer Sonderschau an der Olma vertreten. Ein Kunstmuseum an der Schweizer Messe für Landwirtschaft, Ernährung und Gewerbe mag ungewöhnlich erscheinen, doch die Verbindung ist naheliegend. Zahlreiche Künstler der Sammlung stammen selbst aus bäuerlichem Umfeld – Kühe, Alpen und Brauchtum prägen ihre Arbeiten.

Die Olma wie auch das open art museum sind Orte der Begegnung. Die Sonderschau macht diesen Austausch erlebbar: Besucher treffen Mitarbeitende und Partner des Museums in Talks und informellen Gesprächen.

Ateliers laden dazu ein, selbst künstlerisch tätig zu werden; entstandene Werke werden vor Ort präsentiert und erhalten später eine eigene Sonderschau im open space des Museums.

«Es ist für uns eine besondere Freude, das open art museum an der Olma präsentieren zu dürfen. Die Messe ist ein lebendiger Treffpunkt für die ganze Region. An einem solchen Ort Kunst zu zeigen, ist eine Gelegenheit, Menschen zu erreichen, die vielleicht zum ersten Mal mit Art Brut oder Outsider Art in Berührung kommen», sagt Museumsleiterin Monika Jagfeld.

Hedi Zuber (1919–1996), Selbstporträt mit Klostertürmen, 1987, Acryl auf Karton, 110 x 80 cm, open art museum, Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut, St.Gallen (Ausschnitt) Bild: zVg

Auf den ersten Blick wirkten Landwirtschaftsmesse und Kunstmuseum wie zwei Welten. «Doch uns verbindet mehr, als man denkt: Viele Künstler unserer Sammlung stammen selbst aus bäuerlichem Umfeld. Kühe, Alpaufzüge oder Brauchtum tauchen in ihren Werken immer wieder auf. Künstlerinnen wie Hedi Zuber reagieren auf ihren Lebensort St.Gallen und zeigen verschiedene Plätze im Kanton, Feste der Stadt und deren Wahrzeichen, die Kathedrale, wie auch der Jahrmarkt, der zur Olma gehört. Darum passt unser Museum mit seiner offenen, unmittelbaren Kunst sehr gut in das bunte Treiben der Olma», so Jagfeld.

Die Gestaltung der Schau wurde von Studenten und Ehemaligen der Höheren Fachschule für Gestaltung der GBS St.Gallen entwickelt.

Unter der Leitung von Markus Pawlick, Lehrgangsleiter HF Industrial Design, ist mit Lea Schnitzer, Gianna Looser, Lea Steiger und Christian Graf ein künstlerisches Zusammenspiel aus einer riesigen Teppichcollage mit Bildausschnitten der eigenen Sammlung, Fotowänden und interaktiven Elementen entstanden.

Niklaus Wenk (1913–2013), «Alp Schafboden ab Tesel», 1996, Lackfarbe auf Pavatex, 60 x 44 cm, open art museum, Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut, St.Gallen (Ausschnitt) Bild: Legat Erna und Curt Burgauer

Ein Tisch lädt zum Gestalten ein, eine Lounge zum Verweilen. Kunst wird unmittelbar erlebbar. Gewinnspiele bieten kleine und grosse Kunstgenüsse. Das Motto der Olma 2025 «Gnüsse a de Olma» erweitert sich so um einen neuen Aspekt: den Kunstgenuss.

Das open art museum in St.Gallen ist auf schweizerische Outsider Art, Art Brut und Naive Kunst spezialisiert.

Es bewahrt eine Sammlung von rund 30 000 Werken und versteht sich als offener Ort für eine vielfältige Kunst ohne Grenzen. Auch das St.Galler Original Hans Krüsi (1920–1995) ist mit Arbeiten präsent. Der Künstler, bekannt für seine Vorliebe für Kühe in charakteristischer Malweise und seinen unverkennbaren Blumenhut, gehört über Jahrzehnte zum Bild der Olma. Hier sind Kunst und Landwirtschaft eng verbunden.

«Wir möchten zeigen, dass Kunst überall entsteht – oft aus dem Alltag heraus, mit einfachen Mitteln und Materialien», sagt Museumsleiterin Monika Jagfeld. Outsider Art besitze eine unvergleichbare kreative Freiheit wie kaum eine andere Kunst. Sie eröffne überraschende Perspektiven und lade ein, das Eigene und das Fremde neu zu entdecken.

Jakob Müller (1922–2005), Viehschau, undatiert, Holz, bemalt, 26 x 104 x 69 cm, open art museum, Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut, St.Gallen Bild: Sammlung Mina und Josef John

«Wir wünschen uns, dass die Besucher diese Offenheit mitnehmen und vielleicht Lust bekommen, selbst kreativ zu werden», so Jagfeld. Die Sonderschau vereine vieles: originale Werke aus der Sammlung, interaktive Stationen, an denen man selbst zeichnen oder gestalten kann, und eine Szenografie, die von Studenten entwickelt wurde.

«Mein persönliches Highlight ist, dass Kunst hier mit Menschen, dem Messepublikum, in einen echten Dialog tritt – mitten im Olma-Trubel, wo man Kunst wohl am wenigsten erwarten würde. Der Künstler Jean Dubuffet hat so die Art Brut definiert: ‹Die wahre Kunst ist immer da, wo man sie nicht erwartet›: heute an der Olma», sagt Jagfeld.

Während der Olma ist im open art museum die Ausstellung «Ein Traum von einem Ballkleid» zu sehen, die bis zum 22. Februar 2026 den Blick auf unbekannte Werke aus dem Bilderlager der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel lenkt. 

Die meisten künstlerischen Arbeiten sind von Patienten vor Ort in den Jahren 1960 bis 1990 entstanden. 

Die erstmals öffentlich gezeigten Werke wirken als gesellschaftliche Seismografen. In ihnen spiegelt sich die Wahrnehmung der Welt zu unterschiedlichen Zeiten auf eine persönliche, direkte Weise. Viele der Arbeiten eröffnen uns einen Blick auf das alltägliche Leben in der Klinik, einem Alltag, den die Patienten weitestgehend von der Aussenwelt abgeschnitten verbracht haben. Aus einer tief empfundenen Dringlichkeit geschaffen, sind diese Kunstwerke Ausdruck der Suche nach Halt, Orientierung und nach Sinnstiftung.

Hans Krüsi auf einem Polaroidfoto von Hans Ruedi Fricker, undatiert Bild: Archiv

Hans Krüsi – Ein Outsider Art-Künstler an der Olma

Viele erinnern sich noch an Hans Krüsi (1920–1995). Mit seinem bunten Blumenhut war er stadtbekannt. Jahrelang verkaufte er an der Zürcher Bahnhofstrasse Blumen, zusammen mit seinen selbst gemalten Bildern. Kühe sind sein beliebtestes Motiv und werden zum Markenzeichen seines künstlerischen Schaffens. Bald wird er als «Genie von der Strasse» gefeiert.

Krüsi gilt heute als einer der bedeutendsten Schweizer Vertreter der Outsider Art. Aufgewachsen im Appenzellerland bei Pflegeeltern sowie im Waisenhaus, arbeitet er zunächst als Knecht und Gärtnergehilfe, bevor er 1947 nach St.Gallen zieht.

Erst mit über 55 Jahren beginnt er zu malen, meist auf billigen Servietten, einfachem Packpapier oder Karton, und er arbeitet oft sogar mit selbst erfundenen Techniken der Bild-, Wort-, Ton- und Objektgestaltung. Ab 1981 stellt er in renommierten Galerien aus und kann sich ganz der Kunst widmen. 1990 zeigt das open art museum (damals Museum im Lagerhaus) seine erste Retrospektive.

Die Olma ist für Hans Krüsi ein wichtiger Ort und er ist regelmässig an der Messe zu sehen. Seine Verbindung zur Olma wird 2002 besonders gewürdigt: Damals entscheidet man, ein Werk aus seinem Nachlass als offizielles Olma-Plakat zu verwenden. Ursprünglich hat man Krüsi selbst einmal eingeladen, am Plakatwettbewerb teilzunehmen. Obwohl ihm alle Unterlagen geliefert werden, verpasst er den Einsendeschluss.

Jahre später erhält er postum dennoch diese Ehre. Seine mit Kühen bemalten Milchpackungen zieren das Plakat von 2002 und verbinden seither die Olma-Geschichte mit dem aussergewöhnlichen Künstler.

pd/stz.
Demnächst