Vor wenigen Wochen ging auf Rheintal24 ein Bericht darüber online, wie Karin Hasler, SP-Politikerin aus Balgach, die Zustände im Heerbrugger RAV kritisierte. So soll das RAV monatelang unterbesetzt und sogar ohne eine Leitung gewesen sein. Auch der Datenschutz habe aufgrund der offenen Räumlichkeiten gelitten.
Der Kanton antwortete damals, dass es durchaus eine Unterbesetzung gab, man aber guten Mutes sei, da die Stellen jetzt wieder aufgestockt wurden. «Die entlastende Wirkung der erfolgten Stellenaufstockung wird sich aufgrund der laufenden Rekrutierungs- und Einarbeitungsprozesse erst mit einer bestimmten Verzögerung einstellen.»
Und auch bezüglich Datenschutz hatte der Kanton eine Antwort parat: «Der Regierung ist kein Fall bekannt, in dem es in einem der sechs RAV im Kanton St.Gallen zu einer Verletzung von Datenschutzbestimmungen gekommen wäre.»
Anonymer Brief an die Politik
Doch damit gaben sich anscheinend nicht alle zufrieden. Wenige Wochen später erschien im Mailpostfach von Rheintal24-Redaktor Fabian Alexander Meyer erneut eine Nachricht rund um das RAV. Absenderin: Karin Hasler. Sie bekam einen anonymen Brief aus einer «vertrauenswürdigen Quelle». Darin wird vor allem an der Arbeitslosenkasse kein gutes Haar gelassen. Das Engagement der Politikerin aus Balgach zeigte also Wirkung. Der Brief liegt Rheintal24 vor.
Die Vorwürfe sind hart: «Die aktuellen Arbeitsbedingungen, der autoritäre Führungsstil und der Umgang mit Kritik überschreiten deutlich die Menge des rechtlich und menschlich Zumutbaren.» Es herrsche ein «Klima der Angst, übermässige Kontrolle, hohe Fluktuation sowie das systematische Versagen interner Aufsichtsstrukturen».
Insbesondere die Führungsetage wird immer wieder kritisiert. Es sei unterlassen worden, angemessen auf die Missstände zu reagieren und eine Verbesserung einzuleiten. Der Brief ist im Prinzip eine grosse Anschuldigung.
Sicherheitslücken, Einschüchterung, Mobbing
Auch Punkte wie der Datenschutz und die Sicherheit werden behandelt: «Persönliche Daten von Versicherten und Mitarbeitern werden unzureichend geschützt, Beratungen finden in ungeschützten Räumen statt.» Mitarbeiterbefragungen: «Mitarbeiter wurden im Vorfeld einer Befragung explizit aufgefordert, Rückmeldungen möglichst positiv oder milde zu formulieren, um das Ansehen bestimmter Personen zu wahren.»
Und auch die übermässige Fallbelastung sowie Mobbing und Einschüchterung sind ein Thema. «Mitarbeiter werden systematisch isoliert, von Informationen ausgeschlossen oder unter Druck gesetzt.»
Es herrsche ein von Kontrolle und Einschüchterung geprägter Führungsstil – «inklusive unbegründeter Abmahnungen und Drohungen gegenüber kritischen Stimmen». Beschwerden an die verschiedensten Stellen werden nicht ernst genommen.
«Leidensdruck muss gross sein»
Gibt es bei der ALV des Kantons St.Gallen also ein Führungsproblem? Und was denkt Hasler, die Empfängerin des Briefes, welche sich bereits in der Vergangenheit mit einer Interpellation für die RAV-Mitarbeiter starkmachte, darüber?
«Eigentlich überrascht mich die Zustellung des Briefes nicht, nach den Vorwürfen zum RAV, über die wir berichtet haben. Die Vorwürfe lassen ja bereits dort erahnen, dass es sich weder um Einzelfälle, persönliche Missgunst noch sonstige Missverständnisse handelt.»
Es brauche Mut für einen solchen Brief. «Der Leidensdruck muss also gross sein.» Moderne Führungsstrukturen verlangen eine entsprechende Haltung und eine Unternehmenskultur. Das wisse sie aus ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit abseits der SP-Politik. «Führungspersonen werden zu wenig auf ihr Verhalten hin bewertet.»
Das Problem sitzt laut der SP-Kantonsrätin tief: «Ich glaube, die Menschen müssen zu viel aushalten, aus Angst, den Job zu verlieren. Und das, obwohl wir zunehmend in einem Arbeitnehmer-System sind. Denn aufgrund demografischer Veränderungen und aufgrund des Fachkräftemangels haben Arbeitnehmer eigentlich immer mehr Vorteile den Arbeitgebern gegenüber – nur wird das noch nicht so wahrgenommen, zu gross ist die Angst vor finanziellen Einbussen.»
Hasler kämpft weiter
Die Vorwürfe würden demnach mit der ersten Berichterstattung übereinstimmen, seien aber viel differenzierter und beziehen sich nun übergeordnet auf das Amt. «Dies wahrscheinlich auch als Reaktion auf die Beantwortung der Interpellation, die ziemlich enttäuschend war und aufgezeigt hat, dass man sich eigentlich nicht weiter um das Problem kümmern will.»
Heutzutage wisse man aber, dass die Führungs- und Unternehmenskultur einer der grössten Hebel ist, um Fluktuation zu verhindern. «Es tönt ein wenig nach einem Regime, das hier geführt wird.» Steile Hierarchien, patriarchales, kontrollierendes Verhalten, wenig Augenhöhe oder konstruktive Kommunikation würden dazu führen, «dass halt niemand mit solchen Führungspersonen zusammenarbeiten möchte.»
Für die Rheintalerin ist das Vorgehen daher klar: «Ich handle mit bestem Gewissen. Zudem weiss ich aus meiner beruflichen Tätigkeit, dass Führungsverhalten ein riesiges Thema und einer der wichtigsten Hebel für Mitarbeiterzufriedenheit und deren Leistungen ist.» Sie wurde bei den Vorwürfen hellhörig.
«Wir hoffen, dass die mediale Berichterstattung das Amt und Regierungsrat Beat Tinner auf die Missstände aufmerksam macht.» Denn «es ist ja nicht meine Aufgabe, auf das Amt zuzugehen. Meine Aufgabe war die Interpellation, weil ich mich für Mitarbeiter und Bezüger verantwortlich fühle in meinem Mandat». Sie werde auf jeden Fall auf politischer Ebene für die Mitarbeiter weiterkämpfen.
Und was sagt das Volkswirtschaftsdepartement dazu?
Man sehe ein, dass es Baustellen in der Unternehmenskultur gibt, räumt das Departement auf Anfrage von Rheintal24 ein. «Es ist korrekt, dass wir in der Hauptabteilung Arbeitslosenversicherung (ALV) im Amt für Wirtschaft und Arbeit bei der gesamtkantonalen Personalumfrage Ende 2023 Handlungsbedarf in der Unternehmenskultur eruiert haben. Deshalb wurden im Jahr 2024 verschiedene Massnahmen ergriffen, um Aspekte, die sich in einer Umfrage zeigten, anzugehen.»
In der jährlichen Umfrage des Amtes anfangs dieses Jahres habe sich gezeigt, dass diese Massnahmen Wirkung zeigen und namentlich die Zufriedenheit der Mitarbeiter gestiegen sei. «Gleichzeitig zeigte die Wirkungsmessung des Seco, dass sich auch das Ergebnis der geleisteten Arbeit stark verbessert hat.»
Anmerkung der Redaktion: Einer der Vorwürfe im anonymen Brief sprach davon, dass Kritik milde und möglichst positiv gehalten werden soll – ob dies auch auf die Umfrage von diesem Jahr zutrifft, konnte nicht geprüft werden.
Dass interne Angelegenheiten dennoch an die Öffentlichkeit und die Politik dringen, zeige auf, «dass die Vertrauensbasis noch nicht genügend ist». Das werde daher weiter verbessert. «Es ist uns in diesem Zusammenhang wichtig, darauf hinzuweisen, dass für die Mitarbeiter jederzeit die Möglichkeit besteht, sich direkt an die Departementsleitung, d. h. an den Generalsekretär oder den Departementsvorsteher Beat Tinner, zu wenden.»
Die folgenden Werte werden gemäss VD vertreten:
- Vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Führungspersonen
 - Partizipative Führung, die auf Dialog, Beteiligung und klaren Zielvorgaben beruht
 - Ergebnisorientierte Übernahme von Verantwortung auf allen Ebenen – im Fokus steht das Gemeinwohl des Kantons
 - Wertschätzung und Respekt im täglichen Miteinander
 
Keine Aussage zu Einzelpersonen
Rheintal24 sind ausserdem Namen von mehreren Personen bekannt, die massgeblich für die Missstände verantwortlich seien. Damit konfrontiert, gibt das VD zu Protokoll, dass keine Aussagen zu einzelnen Personen gemacht werden, man aber volles Vertrauen in sie habe.
Auch der Datenschutz kam zur Sprache. Hierbei wurde auf die Interpellation 51.25.07 (Weder Datenschutz noch zeitgemässe Arbeitsverhältnisse für Personal und Kundschaft des RAV Heerbrugg) verwiesen. «Seitens des Bundes wird die Einhaltung des Datenschutzes in diesem Bereich regelmässig überprüft.»
Mitarbeitergespräche für persönliche Anliegen
Der grösste Kritikpunkt – die Unternehmenskultur und das Unterdrücken von kritischen Stimmen sowie das Mobbing – wurde vom Volkswirtschaftsdepartement wie folgt beantwortet: «Der wertschätzende Umgang mit den Mitarbeitern und ein offener Dialog sind Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Die Pflege der damit verbundenen Werte ist eine Daueraufgabe.» Mitarbeiter können auch in jährlich stattfindenden Gesprächen die individuellen Anliegen zur Sprache bringen.
«Die Führungspersonen tragen unsere Werte in die Teams. Sie erarbeiten mit ihren Teams Lösungen, damit die Werte und damit die Unternehmenskultur gelebt werden. Der offene und sachorientierte Dialog ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Kultur. Die Führungsverantwortung lässt sich dabei nicht delegieren. Nicht in jedem Fall können Entscheide getroffen werden, die allen Beteiligten gleich gut gefallen.»