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Stadt St.Gallen
21.06.2025
22.06.2025 11:35 Uhr

Als Mohammad Chatami St.Gallen besuchte

Bild: Privatarchiv Maria Hufenus
Chatami, einst Präsident des Iran und heute Symbolfigur für Reformhoffnungen, besuchte 2007 den Stiftsbezirk. Stadtführerin Maria Hufenus erinnert sich an eine Begegnung voller Respekt, feinem Humor und einem Handschlag, der mehr sagte als Worte.

Mohammad Chatami (*1943) ist derzeit wieder in den internationalen Schlagzeilen: Der frühere iranische Staatspräsident (1997-2005) gilt als einer der hoffnungsvollsten Reformer seines Landes.

Viele setzen Hoffnungen in ihn, wenn es darum geht, das iranische Regime zu einer Entspannung im Atomkonflikt mit den USA zu bewegen.

Kaum bekannt ist: Im Jahr 2007 stattete Chatami der Ostschweiz einen Besuch ab.

Das ehemalige iranische Staatsoberhaupt wurde dabei von der St.Galler Stadtführerin Maria Hufenus durch den Stiftsbezirk und die Stiftsbibliothek begleitet.

Bild: Privatarchiv Maria Hufenus

Die ehemalige Stadtführerin erinnert sich lebhaft an den besonderen Auftrag.

Dabei war Fingerspitzengefühl gefragt, denn Mohammad Chatami ist Schiit, und damit galten gewisse kulturelle und diplomatische Eigenheiten.

«Ich wusste, dass Schiiten einer Frau die Hand nicht geben. Deshalb telefonierte ich nach Bern und erkundigte mich über die diplomatischen Gepflogenheiten.

Man teilte mir mit, Seine Exzellenz Mohammad Chatami sei ein sehr gebildeter Herr; ich solle einfach warten und sehen, was er mache.»

Bild: Privatarchiv Maria Hufenus

Und so kam es, dass die Begegnung mit einem einfachen, aber symbolischen Moment begann: «Dann stand er da und streckte mir die Hand entgegen. Damit war alles klar.»

Während der Führung kam auch die Reformation zur Sprache – ein Thema mit brisanten Untertönen, wenn man an religiöse Spannungen denkt.

Doch Mohammad Chatami begegnete dem Thema mit Offenheit. «Als ich wegen der Ausstellung auf die Reformation und ihre Auswirkungen zu sprechen kam, meinte er: ‹Aber warum denn einen Krieg?›

Meine Antwort: ‹Reformen sind schwierig; für die eine Hälfte gehen sie nicht weit genug, für die andere Hälfte zu weit.› Seine Antwort: ‹Don’t tell me!›», erinnert sich Maria Hufenus.

Bild: Privatarchiv Maria Hufenus

Der Dialog auf Augenhöhe beeindruckte beide Seiten. Der Ex-Präsident zeigte sich interessiert und zugänglich – auch beim Eintrag ins Gästebuch. 

«Er schrieb darin (übersetzt von seinem Sekretär), eine sehr charmante und gebildete Frau habe ihn geführt. Er hatte eine unglaublich schöne Schrift.

Auf mein Kompliment meinte er: ‹Schönschreiben gehört im Iran zur Allgemeinbildung.› Darum gefielen ihm die Bücher in der Stiftsbibliothek vermutlich so gut», so Hufenus.

So wurde aus einer protokollarischen Pflicht eine unvergessliche Begegnung – zwischen einer hiesigen Stadtführerin und einem Mann, der heute als Hoffnungsträger der iranischen Reformbewegung gilt.

stgallen24/stz.
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