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Stadt St.Gallen
17.06.2025
17.06.2025 08:45 Uhr

1100 Jahre danach: Wiborada wird sichtbar in St.Gallen

Die neue Passerelle über den Unteren Graben ist nach Wiborada von St.Gallen benannt
Die neue Passerelle über den Unteren Graben ist nach Wiborada von St.Gallen benannt Bild: zVg
Mit dem Auszug der letzten Inklusin aus der nachgebauten Wiboradazelle endet das Projekt Wiborada2025. Erstmals wurden in St.Gallen eine Passerelle sowie ein Raum nach der heiligen Heldin benannt. Für Wiboradas 1100. Todestag 2026 ist ein grosses Abschlussjubiläum geplant.

Vier Frauen und ein Mann liessen sich 2025 für je eine Woche in der nachgebauten Wiboradazelle bei der Kirche St.Mangen einschliessen. Wie die Inklusin im Mittelalter wurden sie von der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgt und standen durch das Zellenfenster für Gespräche zur Verfügung. Insgesamt suchten 629 Personen den Kontakt, darunter 18 Schulklassen und 18 Gruppen.

Die lange in Vergessenheit geratene Wiborada von St.Gallen erfreut sich wachsender Sichtbarkeit – auch im Stadtbild. So heisst die neu eröffnete Passerelle über den Unteren Graben nach der mittelalterlichen Heiligen und Bewahrerin des Klosterschatzes.

Nun ist es möglich, auf Wiboradas Spuren quer durch St.Gallen zu wandeln: von der Wiboradakapelle in St.Georgen über den Wiboradabrunnen und St.Mangen, wo Wiborada als Inklusin lebte, via der Wiboradapasserelle bis zum neuen Wiboradaraum im Süden der Stadt.

Erstmals nach einer Frau benannt: Wiboradaraum an der HSG

Denn an der Universität St.Gallen wurde erstmals ein Raum nach einer Frau benannt: Neben «Gallus» und «Vadian» trägt nun auch ein Raum im HSG Square den Namen «Wiborada».

Auf den ersten Blick unscheinbar, ermöglicht der Raum im Untergeschoss Rückzug und Ruhe: «Denn zu einer umfassenden Persönlichkeitsbildung gehört auch die Innenschau», sagte Tim Kramer, Intendant des HSG Square, bei der feierlichen Eröffnung.

Die Namensgebung ist der Beharrlichkeit von Studenten rund um Lea Vannini zu verdanken. «Als Square leben wir von Initiativen wie eurer. Dafür danke ich euch herzlich», so Kramer.

Erstmals heisst ein Raum an der Universität St.Gallen nach einer Frau: Hildegard Aepli bei der Eröffnung Bild: zVg

Hildegard Aepli, Initiantin des Wiborada-Projektes, hob in ihrer Rede Wiboradas historische Bedeutung hervor: «Das Erstaunliche ist: Mann (!) hat auf sie gehört. Ohne ihre Warnung vor dem Einfall der Ungarn wäre der Klosterschatz im Jahr 926 vernichtet worden – und St.Gallen heute wohl kein Weltkulturerbe.»

Aepli lobte die Ausdauer der Studenten, die das Unsichtbarmachen weiblicher Geschichte in der Stadt nicht länger hinnehmen wollten: «Der Weg, die Nachwirkungen des Patriarchats aufzuweichen, ist lang und beschwerlich», so Aepli.

Ausblick auf 2026: Jubiläum zum 1100. Todestag

2026 jährt sich Wiboradas Todestag zum 1100. Mal. Für dieses grosse Jubiläum wurde ein Verein gegründet, in dem Stadt, Kultur und Kirche zusammenarbeiten.

«Geplant ist unter anderem, die Wiboradazelle das ganze Jahr täglich tagsüber zu öffnen. Eine Person wird vor Ort sein, zuhören und Rat geben», verrät Hildegard Aepli. Am 2. Mai 2026, dem Wiboradatag, ist ein grosses Fest rund um die Kirche St.Mangen geplant.

Wiborada von St.Gallen: Inklusin und Ratgeberin

Wiborada ist neben Gallus und Otmar die dritte St.Galler Stadtheilige, fristet aber in St.Gallen bis heute ein Schattendasein. Die unerschrockene Frau liess sich 916 in eine Zelle bei der Kirche St.Mangen als sogenannte Inklusin einschliessen.

Beim gewaltsamen Einfall der Ungarn bezahlte sie 926 mit ihrem Leben dafür. In ihrer Zelle stand ein Fenster stets offen für jene, die Rat und Hilfe suchten. Die beiden Viten über Wiborada erzählen, dass sich Äbte, Fürsten, Adlige, Mönche und Menschen der Stadt an ihrem Fenster beraten liessen.

Mit dem Projekt Wiborada 2021–2026 möchte ein ökumenisches Team ihr den Platz in der Geschichte einräumen, der ihr gebührt. Seit 2021 lassen sich jedes Jahr fünf Personen für je eine Woche in der nachgebauten Zelle der Wiborada von St.Gallen einschliessen. So spüren sie dem Leben der mittelalterlichen Heiligen nach und entdecken ihre Bedeutung für Stadt und Kanton heute.

pd/stz.
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