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Sport
08.06.2025
06.06.2025 18:15 Uhr

Es braucht den Batzen

Die London City Lionesses sind auf Erfolgskurs
Die London City Lionesses sind auf Erfolgskurs Bild: londoncitylionesses.com
stgallen24-Fussballexpertin Simea Rüegg wirft einen Blick nach England, wo mit den London City Lionessess ein Frauenclub ohne Männerverein im Rücken den Aufstieg in die höchste Liga geschafft hat. Möglich gemacht hat das eine Investorin mit klarer Vision – und dem nötigen Kleingeld.

Saisonende im Frauenfussball, die Clubwettbewerbe neigen sich dem Abschluss zu. Die Ligameisterinnen stehen fest. Und damit auch die Aufsteigerinnen.

In England wechseln die London City Lionessess (LCL) ins Oberhaus, in die Women’s Super League (WSL). Das heisst: ein Anflug von Klaustrophobie in der britischen Hauptstadt. Die «Löwinnen» sind neben Chelsea, Arsenal, Tottenham Hotspur, Crystal Palace und West Ham United bereits deren sechster Club in der WSL. Aber: London City ist der einzige von einer Männerabteilung unabhängige Verein aus London.

Grund genug, einen Blick auf diese hellblaue Truppe zu werfen, vor und hinter die Kulissen. Der erstmalige Aufstieg rückt neben den Akteurinnen an der Front – Spielerinnen, Staff und Mitarbeitende – auch das Personal abseits des Rasens ins Scheinwerferlicht. Bühne frei für eine Geschichte mit einem Hauch Revolution.

Eigenständigkeit ist selten

Für gewöhnlich sind Frauenfussballteams in Europa an einen Verein mit professioneller Männermannschaft angesiedelt. Eine Struktur, die historisch herangewachsen ist und sich etabliert hat. So profitieren die Frauen von Infrastruktur, Marke und Budget des Clubs und tragen im Gegenzug selbstverständlich auf allen Ebenen zum Erfolg des Vereins bei.

Bloss wenige Frauenteams in den höchsten Ligen Europas sind eigenständig oder verfügen über eine niederklassige Männerelf und sind dann die Exponentinnen ihres Vereins. In beiden Fällen sind die Voraussetzungen besonders in finanzieller Hinsicht tendenziell beschränkt.

Nun lässt sich ebenfalls sagen, dass reichere Teams mehr Erfolg haben als ärmere. So ist das auch in der britischen Hauptstadt: Die London City Lionessess dominieren die Millionenmetropole nicht. Doch sie haben sich den Besten angenähert. Der Grund? Geld.

Vom Abgrund nach oben

Überspitzt gesagt, ist es Geld. In Wahrheit ist es eine verästelte Kombination von Faktoren, die den Erfolg ausmacht. Doch Geld ist definitiv ein Katalysator. Und es kommt bei den City Lionessess in Gestalt einer innovativen, charismatischen Frau: Michele Kang.

Im Dezember 2023 akquiriert die koreanisch-amerikanische Geschäftsfrau den eigenständigen Frauenclub. Der Verein ist damals kurz vor der Insolvenz. Kang rettet die Löwinnen vor dem finanziellen Abschuss und führt sie zum jubelnden Brüllen zurück.

Der fif-a.blog von stgallen24-Fussballexpertin Simea Rüegg beschäftigt sich mit Frauen iFussball. Die aktive Spielerin (FC Frauenfeld) schreibt über «Spannendes von gestern, Interessantes von heute und Entwicklungen von morgen».

Das «a» im Titel stehe für vieles, so Rüegg: unter anderem für «Allgemeines zum Thema», für «Abseits des Rampenlichts» – oder schlicht und einfach für die weibliche Seite des Fussballs.

Michele Kang Bild: Archiv

2025 steht sie also im schicken Mantel inmitten ihres jubelnden Teams, das den Pokal in die Höhe stemmt, aufsteigt und nächste Saison in der wohl umkämpftesten Liga Europas mitmischt. Dabei stapelt die Investorin mit ihren Plänen keineswegs tief: Die Lionessess wollen nicht nur in der Liga bleiben, sondern sich im Mittelfeld etablieren.

Etablierter Name im Frauenfussball

Die 65-jährige Kang hat langfristige Visionen, wenn sie investiert. London ist bereits ihr drittes Engagement, neben den europäischen Gigantinnen aus Lyon und dem US-Team Washington Spirit, wo sie eine Fangemeinde und Unternehmenspartnerschaften etabliert hat. Kang will beweisen, dass Frauenfussballclubs ohne die Beteiligung einer Herrenmannschaft erfolgreich sein können. Dabei lernen ihre drei Fussballteams voneinander.

Und damit nicht genug: Michele Kang sieht Potenzial im Frauensport. Ihr Geld fliesst auch zum amerikanischen Rugby-7s-Team (Anm.: Siebener-Rugby mit 7 statt 15 Personen pro Team) nach dessen Olympia-Erfolg 2024. So erntet sich Kang in der Sportwelt Respekt, denn: «Sie lässt auf ihre Worte Taten folgen», sagt etwa Emma Hayes, Trainerin amerikanisches Frauennationalteam, und: «Zum ersten Mal haben wir eine Frau, die investiert und nicht bloss spricht. Sie gibt uns alle Ressourcen, die wir brauchen, um erfolgreich zu sein», meint Kosovare Asllani, LCL-Spielerin und englische Meisterin 2016

Das britische Nachrichtenportal «BBC» prophezeit: «Während sie sich selbst als Geschäftsfrau, Investorin und Philanthropin beschreibt, könnte Kang auch die Revolutionärin sein, die den Frauenfussball zu noch grösseren Erfolgen führt.»

Frauensport als Geschäftsmodell

Sportvereine und Investoren – das ist nichts Neues. Im Männerfussball sind Clubs entweder so entstanden oder es stiegen im Verlauf der Zeit Investoren ein. Die Geldflüsse aus Saudi-Arabien in die Premier League sind uns bestens bekannte Geschichten. Der Unterschied zum Frauenfussball ist – neben den Nullen in den Summen – die Neuartigkeit des Investitionstrends.

Die LCL sind nicht Kangs einziges Investitionsobjekt. Und sie sind schon gar kein Versuchsobjekt im Frauenfussball. Vielmehr ist es in den USA gang und gäbe, dass Frauenteams Teil unabhängiger Clubs sind.

Der US-Sport basiert auf Investoren, die auch einmal Clubs gründen. Weit verbreitet ist auf der anderen Seite des Teichs dabei auch, dass diese geldgebenden Personen berühmt sind. Viele VIPs sind Mitinvestoren oder Minderheitseigentümer. Zum kalifornischen Angel City FC gehören Namen aus der Filmindustrie bis hinein in die Sportwelt des Tennis oder Ski, wie Natalie Portman, Billie Jean King oder Lindsey Vonn.

Viele NWSL-Teams sind jung, die Liga selbst in ihrer jetzigen Gestalt ist erst zwölf Jahre alt. Bis heute gibt es weitere Neugründungen. So zum Beispiel in Denver, wo ein Frauenteam entsteht – und prompt eine Berühmtheit an Bord steigt. Mikaela Shiffrin, die erfolgreichste Skifahrerin der Geschichte, setzt ihre Taler auf Frauenfussball.

Promi-Investoren sind in Europa (noch) selten. Im Männerfussball gibt es erste Beispiele wie David Beckham, der sich bei Salford City beteiligt, oder Ryan Reynolds bei Wrexham und Ed Sheeran bei seinem Heimatverein Ipswich Town. Und dann gibt es die Erfolgsgeschichte Michele Kangs bei den London City Lionessess.

Den Batzen braucht es, er kann etwas bewirken.

Auch wenn Geld den Ball nur ins Rollen, aber nicht ins Tor bringt, weiss Michele Kang: «Hier sind wir, wir haben es geschafft. Das zeigt dir, dass mit den richtigen Investitionen alles möglich ist.»

Simea Rüegg, fif-a.blog
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