«Was treibt eine Frau in der Blüte ihres Lebens an, sich auf zehn Quadratmeter Lebensraum zu beschränken und ohne Sonnenlicht in kalten Mauern zu bleiben?» Diese Frage beschäftigte die Ostschweizer Bibel- und Märchenerzählerin Moni Egger, als sie für eine Woche in die nachgebaute Wiborada-Zelle bei der Kirche St.Mangen zog.
«Beim Ankommen fiel mir zuerst der Baustellenlärm auf. Und in der Klause war es eiskalt. Aber kaum hatte ich den Computer auf den hellen Holztisch gestellt, drangen weder Lärm noch Kälte mehr durch. Beides war zwar noch da, hatte aber keine Bedeutung mehr für mich. So muss es Wiborada auch gegangen sein!, dachte ich mir…», so die Theologin sowie Märchen- und Bibelerzählerin.
Ein erster Zugang zu Wiborada war gefunden.
Mit Hilfe von Büchern und Phantasie entstand daraus eine Erzählfassung zu Wiboradas Leben – orientiert an der Heiligenlegende, die der Mönch Ekkehard bereits um 960 n. Chr. aufgeschrieben hatte.
Moni Egger erzählt die Geschichte Wiboradas auf Schweizerdeutsch, von ihrer Kindheit an und bis über ihren Tod hinaus – nah an den legendarisch überlieferten Ereignissen und den historischen Begebenheiten jener Zeit.
Ergänzt wird sie dabei durch das Vokalensemble Klosterhofquartett mit Bettina Kugler (Sopran), Rita Keller (Alt), Christoph Strässle (Tenor) und Walter Raschle (Bass).
Die gut zweistündige Erzählung mit einer kurzen Pause dazwischen gibt Einblick in Alltag, Leben und Glauben des Mittelalters. Sie geht der Frage nach, was in unsicheren Zeiten Halt geben kann und Sicherheit stiftet, wenn die Welt aus den Fugen zu geraten scheint.
Denn: «Im frühen Mittelalter herrschte eine gewisse Weltuntergangsstimmung», erzählt Moni Egger von ihrer Faszination für diese Epoche. Ende des 9. und zu Beginn des 10. Jahrhunderts prägten Machtkämpfe in Kirche und Politik die Welt. «Wir sind nicht die Ersten, die in einer Zeit leben, wo das Alte nicht mehr funktioniert und das Neue noch nicht da ist», so die Erzählerin.
Die St.Galler Stadtheilige Wiborada deutet Moni Egger als hochsensible Frau, die durch ihre Wahrnehmungsfähigkeit andere beraten konnte.
«Mit dem einen Fenster zur Stadt und dem anderen in die Kirche entschied die Inklusin souverän, wie viel von der Welt sie zu ihr liess und was draussen blieb», so Moni Egger.
Ihrer Weisheit und Wachheit ist es zu verdanken, dass in der Stiftsbibliothek St.Gallen heute noch über tausend Jahre alte Bücher bestaunt werden können. Viele andere Klosterbibliotheken im deutschsprachigen Raum fielen den sogenannten Ungarneinfällen des 9. und 10. Jahrhunderts zum Opfer.
Selbst blieb sie in ihrer Klause und wurde von den hereinbrechenden Reitertruppen erschlagen. 1047 wurde Wiborada als erste Frau offiziell von Papst Clemens II. heiliggesprochen.
Bei der Premiere am 2. Mai 2025 um 19.30 Uhr in der Kirche St.Mangen ist der Eintritt frei.
Dies wird möglich gemacht durch Sponsoren wie die Arnold Billwiller Stiftung, die E. Fritz und Yvonne Hoffmann-Stiftung, den Erwachsenenbildungsfonds der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen, Kultur St.Gallen Plus sowie die Stadt St.Gallen.
Nach der Uraufführung in St.Gallen geht die Erzählperformance auf Tournee – unter anderem nach Wil, Thalwil und Zürich.