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Leserbrief
Stadt St.Gallen
28.01.2025
28.01.2025 09:12 Uhr

«Umweltschutz und Verantwortung»

Eveline Ketterer, Aufrecht-Politikerin
Eveline Ketterer, Aufrecht-Politikerin Bild: Bild: zVg, Collage: Fabian Alexander Meyer
Aufrecht-Politikerin Eveline Ketterer schreibt in ihrem Leserbrief ihre Bedenken zur Umweltverantwortungsinitiative. Sie geht darauf ein, weshalb ihrer Meinung nach eine umweltschützende Lebensweise selbst gewählt und nicht aufgezwungen werden soll. Zudem zählt sie bereits existierende Angebote auf, die zum Schutz der Umwelt beitragen.

Ich bin eigentlich eine Vorzeige-Grüne: Ich habe aus Umweltschutzbedenken weder Töffli- noch Autofahren gelernt. Die Anzahl meiner Flugreisen kann ich an den Fingern einer Hand abzählen. Meinen Energieanbieter halte ich arm durch rigoroses Wasser- und Stromsparen. Und gekauft wird möglichst lokal, bio und Second-Hand. All das freiwillig, aus eigener Entscheidung, eine Lebenseinstellung. 

Warum also bin ich gegen jegliche Gesetze, die ein solches Verhalten bei der breiten Bevölkerung einfordern?

Es werden momentan viele Gründe aufgeführt von Parteivertretern, die Umweltverantwortungsinitiative abzulehnen – und ich kann ihnen allen zustimmen. Gerne möchte ich ergänzen, auch aus der Sicht von jemandem, der bereits versucht, diese «Umweltverantwortung» zu leben.

Ohne Auto bin ich bei der Wahl meines Wohnsitzes stark eingeschränkt.

Ich muss nahe beim Arbeitsplatz wohnen und nahe dem Zentrum, wo ich meine täglichen Besorgungen mache. Ein ländlicher Wohnort kommt nicht in Frage. Aber auch in der Stadt habe ich nur einen gewissen Radius zur Auswahl, denn man kann da ganz schön «im Gaggo» aussen wohnen.

Für meine zwei Velos und den Veloanhänger brauche ich einen Velokeller – den gibt’s aber in den meisten Häusern meiner Stadt nicht. Mein Anspruch: Wohnung in einer Stadt oder Kleinstadt, nahe Zentrum, nahe Arbeitsplatz, mit Garage für fahrbare Untersätze direkt im Haus. So kann nicht jeder leben. 

Beim Einkaufen achte ich auf Produkte, die möglichst regional/lokal und bio sind.

Das geht ins Portemonnaie. Es bleibt nur wenig übrig für andere Dinge. Wie das Leute am Existenzminimum machen sollen: fraglich. 

Ich bin abhängig von anderen, die mir manchmal etwas transportieren helfen oder mich mit PW an einem Bahnhof in Hinterhupfingen abholen. Es geht eben nicht ganz ohne ein Auto.

Meine Lebensweise ist selbstgewählt und ich bin damit zufrieden, wenn ich auch einiges entbehren und manchmal improvisieren muss. Was passiert aber mit Leuten, die keinesfalls so leben wollen?

Für meine Lebensweise braucht es eine gewisse körperliche Fitness und Freude am Velofahren.

Das taugt nicht für alle Menschen: bereits kleine Einschränkungen im Bewegungsapparat oder Gleichgewichtsstörungen reichen aus, um das Velofahren zu verunmöglichen. 

Auch der Bus ist kein gutes Verkehrsmittel für Menschen mit Einschränkungen des Bewegungsapparates: es ruckelt und schaukelt, man muss wie Superman hinaushechten, denn die Türen schliessen sich erbarmungslos nach wenigen Sekunden. Wenn der Bus voll ist, steigt man lieber gar nicht erst ein.

Ich habe grosse Bedenken, dass aufgezwungene Lebensweisen erheblichen Widerstand hervorrufen. Das kann sich in Form von sozialen Unruhen äussern oder Emigration in Länder, wo es entsprechende Einschränkungen der Lebensweise nicht gibt. Wie kann man aber dem Anspruch gerecht werden, die Umwelt zu schützen, ohne jemandem etwas aufzuzwingen?

Eigentlich gibt es schon viele gute Ansätze.

In den letzten Jahren fand eine Sensibilisierung statt, die zu ressourcenschonenden Angeboten führte. Der eingeschlagene Weg kann also weiterverfolgt werden. Einige Ideen:

Angebote im Bereich von Secondhand und Lebensmittel-Rettung sind umweltfreundlich und sozialverträglich. Da geht sicher noch viel mehr. 

Gute alte Schweinesuppe:

Lebensmittelabfälle können gemäss aktuellen Studien problemlos an Schweine verfüttert werden. Das ist einerseits Anti-Foodwaste und andererseits spart man dadurch Futtermittel wie Soja ein – und natürlich auch die dazu nötigen Anbauflächen. Wir werfen immer noch rund ein Drittel unserer Lebensmittel weg – und das nicht selten aufgrund behördlicher Vorgaben. Das Schweinesuppenverbot kann weg. 

Reparieren statt wegwerfen:

handwerkliches Geschick zu fördern, kann Alltagsgegenstände länger verwendbar machen. Auch das gute alte «Schnurpfä», also die textile Hand- und Flickarbeit, sollte nicht im Namen des Feminismus auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Beides kann auch den Geldbeutel schonen. 

Der ÖV ist teuer und langsam.

Das macht ihn zum Verkehrsmittel zweiter Wahl. Und er braucht staatliche Subventionen. Man fragt sich schon: muss es alle naselang der neuste und schickste Waggon sein? Müssen riesige Busse ausserhalb Stosszeiten mit drei Fahrgästen herumkurven?

Oder könnte auch ein Kleinbus mit zehn Plätzen den Zweck erfüllen – das gab’s doch mal? Könnte man einige Schnellbusverbindungen einführen, welche die wichtigsten Haltestellen anfahren, damit man weniger als eine halbe Stunde braucht für eine Strecke von 6 km? 

Logik und Vernunft walten lassen und konsequent die Umwelt schützen.

Beispiel: der Wald bleibt Wald. Er wird nicht zur Industriezone erklärt. «Wir hauen im Wald jahrzehntealte Bäume um und giessen Beton in den Boden für den Sockel eines Windrads. Und in der Stadt reissen wir den Betonboden auf und pflanzen Bäume in Strassen und Parkplätze.» Lobbyisten-Geplapper!

Schon mal auf dem Kornhausplatz St.Gallen die «Biodiversität» der Bäume betrachtet, die mitten in Beton gepflanzt wurden? Solche Bäume sind reine Deko: da summt und brummt nichts, da gibt’s keine Würmer, Käfer oder Singvögel. Noch nicht mal von einer Mücke wird man gestochen.

Spatzen und Tauben leben da und warten auf Essensreste: ein nicht artgerechtes «Futter». Und Ratten – vielleicht sind es auch Mäuse – die man aus Angst vor Krankheiten vergiften geht. 

Es gibt noch viele Möglichkeiten.

Bevor man der Bevölkerung etwas aufzwingt, können die Angebote ausgebaut und verbessert werden – ganz ohne Moralkeule, freiwillig!

Das darf und soll aus eigenem Antrieb kommen, kreativ und innovativ sein, passend zu den lokalen Strukturen, statt durch pauschale, enge und unpraktikable Vorgaben von Politikern und Behörden. Und mit ein wenig Logik kommt man zu anderen Entschlüssen, was konsequenten Umweltschutz angeht.

Eveline Ketterer
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