Text: Patrick Stämpfli
Am 26. März 2020 hat der Bund die Covid-19-Überbrückungskredite eingeführt. Insgesamt hat er 40 Milliarden Franken dafür bereitgestellt. Davon beansprucht wurden bislang lediglich knapp 17 Milliarden. Auch in der Ostschweiz zeigt sich ein ähnliches Bild: Von den 70 Millionen, die die Kantone St.Gallen und Thurgau bereitgestellt haben, wurden bis Anfang September gerade mal drei Millionen Franken beansprucht. Geht es den Ostschweizer Unternehmen so gut, dass sie auch eine Krise wie die aktuelle problemlos meistern können? Der LEADER hat bei Alessandro Sgro, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell nachgefragt.
Alessandro Sgro, wie geht es den Unternehmen in der Ostschweiz aktuell?
Neun von zehn Unternehmen sind nach wie vor mit erheblichen Erschwernissen aufgrund der Corona-Pandemie konfrontiert und gehen davon aus, dass diese auch im zweiten Halbjahr anhalten werden. Das zeigen die Ergebnisse unserer jüngsten Umfrage von Ende August. Insbesondere der starke Rückgang bei der Nachfrage setzt den Unternehmen zu. Die Ostschweizer Unternehmen zeigen sich aktuell aber sehr anpassungsfähig und resilient. Das zeigt sich unter anderem auch darin, dass zwei Drittel der von uns befragten Unternehmen die Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr als gut oder befriedigend einschätzen – trotz den erheblichen Erschwernissen.
Wie viele Unternehmen mussten dennoch Notkredite beantragen?
Nur vier Prozent der befragten Unternehmen mussten aufgrund von Liquiditätsproblemen einen Überbrückungskredit beantragen. Über zwei Drittel der befragten Unternehmen haben keinen beantragt, rund ein Viertel als Vorsichtsmassnahme. Die befragten Ostschweizer Unternehmen rechnen mit einer knappen Mehrheit auch nicht damit, dass es unmittelbar zu einer grösseren Konkurswelle kommen wird.
Das heisst, dass die meisten Unternehmen in der Ostschweiz also alle noch genügend Liquidität haben?
Aktuell scheint dies der Fall zu sein. Allerdings zeigt die Umfrage auch, dass im Hinblick auf die Zukunft das Liquiditätsthema eine grössere Rolle spielen könnte. Das hängt natürlich auch davon ab, wie lange die Pandemie und die daraus resultierenden Erschwernisse anhalten. Auf die Frage, ob die Unternehmen auf einen erneuten Lockdown vorbereitet wären, antwortete nur knapp die Hälfte, dass sie über die notwendigen liquiden Reserven verfügen würden. Das ist etwas beunruhigend.
Gibt es KMU, die trotz Überbrückungskredit die Krise nicht überlebt haben?
Das kann aus heutiger Perspektive noch gar nicht beantwortet werden. Dafür ist es zu früh und von der Natur und der Konzeption dieser Überbrückungskredite auch kaum möglich.
Die Überbrückungskredite sind so konzipiert, dass ein Unternehmen einen Kredit von maximal zehn Prozent des Jahresumsatzes beantragen kann …
Genau: Zugrunde liegt die Annahme, dass sich der Umsatz zu ca. je einem Drittel aus Lohnkosten, variablen Kosten und fixen Kosten zusammensetzt. Die Lohnkosten sind dabei über die Kurzarbeitsentschädigung oder die Erwerbsersatzordnung gedeckt. Die übrigen variablen Kosten fallen bei einem Stillstand zu einem grossen Teil weg. Mit einem Überbrückungskredit sollten somit die Fixkosten eines Unternehmens von etwas mehr als drei Monaten finanziert werden können. Unter der Annahme, dass ein Unternehmen nach einem kompletten Lockdown den Betrieb wieder aufgenommen hat und wieder Umsatz generiert, wäre es aufgrund der Ausgestaltung der Kredite sehr erstaunlich, wenn es mit einem bewilligten Überbrückungskredit in einer so kurzen Frist nicht überlebt hätte.
Die Kredite verfügen zudem über eine Laufzeit von fünf Jahren.
Ja, in Härtefällen gar sieben Jahre. Das heisst, die Unternehmen verfügen über einen längeren Zeitraum, um sich wieder zu erholen und die Kredite zurückzuzahlen.