Text: Stephan Ziegler
Prof. Dr. Marion Pester wurde im März als Departementsleiterin «Wirtschaft» sowie als Standortleiterin St.Gallen der neuen OST – Ostschweizer Fachhochschule gewählt. Seit August ist die Wirtschaftsfachfrau an der Hochschule tätig, seit 1. September ist sie «offiziell» im Amt.
Marion Pester, Sie haben als CEO die DZ Privatbank Schweiz geleitet. Wie unterscheidet sich die Leitung einer Bank von der eines Hochschulstandorts?
In vielerlei Hinsicht, auch wenn Hochschulen genau wie andere Unternehmen zunächst einmal Organisationen mit Strukturen, Prozessen, Finanzzahlen und Erwartungen seitens der Stakeholder sind. Als Expertenorganisation hat eine Hochschule aber vor allem kulturell eine eigene Prägung und benötigt andere Formen der Zusammenarbeit und Führung. Mehr noch als in anderen Unternehmen geht es in der Leitung darum, die Selbstführung der Hochschulangehörigen zu fördern und die richtigen Rahmenbedingungen für unterschiedlichste Individualisten zu schaffen, sodass Qualität und Kreativität wachsen und unsere Leistungsaufträge nutzenstiftend erfüllt werden können.
Die neue OST startete offiziell am 1. September, damit übernahmen Sie als Departementsleiterin «Wirtschaft» auch die Funktion der Standortleiterin von St.Gallen. Wie gut sind Sie mit der Ostschweizer Wirtschaft vertraut?
Jeden Tag gewinne ich an Kenntnissen und Kontakten hinzu. Vor meinem Wechsel nach St.Gallen war ich primär mit der Finanzindustrie der Ostschweiz vertraut, nun lerne ich Unternehmen und Organisationen aller Branchen kennen, vom KMU bis zum Grosskonzern. Die Region ist äusserst attraktiv und beeindruckend vielfältig.
Und wie stellen Sie sich die künftige Verzahnung von Lehre und Forschung an der OST und den hiesigen KMU vor?
Bereits bisher war die Praxisorientierung ein wichtiger Erfolgsfaktor der drei Hochschulen, auf denen die OST gründet. Auch künftig stellen wir unter der Überschrift Transferorientierung den Nutzen für Unternehmen und Gesellschaft sowie die Vernetzung mit der Wirtschaft in den Mittelpunkt. Die KMU sind ein wesentlicher Treiber von Innovation in der Region. Dass sie auch attraktive Arbeitgeber sein können, lernen unsere Studierenden im Rahmen ihrer Praxisprojekte. Schliesslich wollen wir hochqualifizierte Nachwuchskräfte für die Region ausbilden. Die Kooperation mit den Unternehmen wird laufend weiterentwickelt. Aktuell sind etwa gemischte interdisziplinäre Studierendenteams und der Ausbau unseres internationalen Netzwerks zum Nutzen der einheimischen Exportwirtschaft angedacht. Auch die Nutzbarmachung der IT-Bildungsoffensive für die Wirtschaft ist ein wichtiges Projekt.
Ein gewichtiger Berührungspunkt zwischen der OST und der Wirtschaft ist die Wissenstransferstelle der Fachhochschule, die es Studenten ermöglicht, entgeltliche Praxisprojekte in hiesigen Unternehmen zu betreuen. Alljährlich werden die besten mit dem «WTT Young Leader Award» ausgezeichnet. Sie nehmen 2020 Einsitz in dessen Jury. Wie wichtig sind solche Events für die Zusammenarbeit von OST und KMU?
Der WTT Young Leader Award – heuer wird er am 8. Dezember verliehen – ist eine ganz ausgezeichnete Möglichkeit, die Zusammenarbeit von Hochschule und Praxis spürbar zu machen. Auch die Öffentlichkeit erfährt so etwas vom Innenleben der Hochschule – und unsere Praxisbeiräte und Juroren können ihre Unternehmen in einem anderen Kontext präsentieren.
Die Nominationen der je drei Finalisten für die Kategorien Marktforschung und Managementkonzeption sind am 8. September erfolgt. Wie ist die Jury dabei vorgegangen?
Im ersten Schritt haben alle Jurymitglieder die nominierten Projektberichte gelesen, analysiert und nach den inhaltlichen Kriterien des Reglements einzeln bewertet. Danach erfolgte eine rege Diskussion im Jurykreis. Die Top 3 je Kategorie wurden schliesslich einvernehmlich bestimmt.
Und welchen Eindruck haben Sie von den OST-Praxisprojekten gewonnen?
Sie decken die ganze Spannbreite der Ostschweizer Wirtschaft ab. Inhaltlich und methodisch sind die Projektarbeiten beeindruckend reif und zeigen das grosse Engagement der Studierenden und ihrer Betreuer.
Als Leiterin des Instituts für Wealth & Asset Management an der ZHAW School of Management and Law in Winterthur sassen Sie auch im ZHAW-Komitee der weltumspannenden Organisation «Prinzipien für eine verantwortungsvolle Managementausbildung». Wie wichtig ist Ihnen persönlich, dass Studenten die Zusammenhänge zwischen ihrem Handeln und den ökologischen und sozialen Herausforderungen verstehen und über ihre Verantwortung als künftige Fach- und Führungskräfte nachdenken?
Ich halte es mit dem Bild vom «Ehrbaren Kaufmann»: Im Grunde ist seit Langem bekannt, wie gute Unternehmensführung aussieht, auch wenn wir heute lieber von «Responsible Leadership» sprechen. Was mich dabei umtreibt, sind die wirtschaftlichen Schäden, die durch kurzsichtiges Denken und schwache Governance entstehen. In diesem Feld einen Beitrag zu leisten für mehr Sensibilität und Best Practice, treibt mich auch persönlich in Lehre und Forschung an.
Und wie setzen Sie das an der OST um?
Unsere Hochschule bereitet die Studierenden explizit darauf vor, dass sie als Fach- und Führungskräfte Verantwortung tragen werden. Vernetztes Denken und Handlungsorientierung ist daher ein wichtiges Anliegen. Auch die Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstreflexion ist zentral und wird gefördert.
Was bringt der Zusammenschluss der drei Fachhochschulen zur OST dem einzelnen Studenten, den Dozenten und dem Steuerzahler?
Raum für neue Perspektiven und frischen Wind. Die verschiedenen Sparten der Hochschulen ergänzen sich bestens. So können wir in der Region das Angebot vertiefen und verbreitern und das interdisziplinäre Arbeiten stärken. Dies erhöht nicht nur die Attraktivität der Studiengänge, sondern erschliesst auch neue Forschungsschwerpunkte. So verbessern wir zum einen die Ausbildung der Fach- und Führungskräfte für die Ostschweiz und stärken ihre Bindung an die Region. Zum anderen leisten wir mit unseren angewandten Forschungsprojekten einen Beitrag zur Innovationskraft der Ostschweizer Wirtschaft und Gesellschaft. Mittelfristig sollten durch die Fusion zudem Effizienzpotenziale gehoben werden können.
Hauptsitz und Rektorat der OST sind in Rapperswil; Sie sind die Standortleiterin des Campus St.Gallen. Was ist da Ihre Funktion?
Zuallererst bin ich für die regionale Vernetzung zuständig, sozusagen als «Aussenministerin» des Standorts St.Gallen. Dann vertrete ich standortspezifische Fragen in der Hochschulleitung und bin gemeinsam mit meinen St.Galler Kolleginnen und Kollegen in der Führung die interne Ansprechpartnerin für verschiedenste Anliegen. Konkret leite ich z. B. den Standortkrisenstab, den wir gerade neu bilden.