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Stadt St.Gallen
04.10.2020
03.10.2020 01:08 Uhr

Willkommen in der Steuerhölle

St.Gallens Stadtpräsident Thomas Scheitlin ortet verschiedene Gründe für den Steuerunterschied. Bild: Marlies Thurnheer
St.Gallens Stadtpräsident Thomas Scheitlin ortet verschiedene Gründe für den Steuerunterschied. Bild: Marlies Thurnheer Bild: FS
Die Stadt St.Gallen hat bezüglich Lebensqualität viele positive Eigenschaften. Aus finanzieller Perspektive ist sie allerdings alles andere als ein Magnet.

Text: Patrick Stämpfli

Gemäss einer Studie der Universität St.Gallen fällt die Stadt St.Gallen im Vergleich mit anderen Städten vor allem durch eine hohe finanzielle Belastung für private Haushalte auf. In der im August veröffentlichten Studie wurde St.Gallen (rund 80’000 Einwohner) mit Winterthur (115'600) und Luzern (85'000) verglichen. Als Beispiel wurde in der Studie ein Zwei-Personen-Haushalt herangezogen: In Winterthur betragen die kommunalen Steuern 5868 Franken, in Luzern 6251 Franken und in St.Gallen 8089 Franken. Hinzu kommen die kantonalen Steuern, die in St.Gallen mit 6460 Franken ebenfalls wesentlich höher liegen als in den Kantonen Luzern (5406 Franken) und Zürich (4810 Franken). Kurz: St.Galler zahlen total 14'549, Luzerner 11'657 und Winterthurer 10'678 Franken pro Jahr.

Hohe Steuern, dafür tiefe Mieten
«Wir sind uns bewusst, dass wir im Vergleich einen höheren Steuerfuss haben», sagt der St.Galler Stadtpräsident Thomas Scheitlin zum LEADER. Er ortet verschiedene Gründe für diesen Unterschied: «So kann zum Beispiel die Abgeltung über den kantonalen Finanzausgleich anders ausgestaltet sein, St.Gallen mehr Leistungen anbieten oder eine unterschiedliche Zusammensetzung des Steuersubstrats bestehen. Der Vergleich von Steuerbelastungen ist ein umfassendes Thema. Insbesondere bedarf es einer Gesamtsicht. Diese wird in der Studie gut abgebildet. Das Fazit ist ja dann auch, dass die Gesamtkosten eines typischen Haushalts, also was schlussendlich das Leben in St.Gallen kostet, in einem mit den anderen Städten vergleichbaren Rahmen liegen.»

Weniger als in Luzern oder Winterthur kostet in St.Gallen tatsächlich etwa das Wohnen. Die höheren Steuern würden durch die tiefen Mietpreise denn auch wieder wettgemacht, heisst es in der Studie. Für einen Zwei-Personen-Haushalt zahlt man in St.Gallen pro Jahr durchschnittlich rund 10'400 Franken, in Winterthur 14'100 Franken und in Luzern 13'000 Franken. «Die tiefen Mieten zeigen allerdings auch, dass in der Stadt zu wenig attraktiver Wohnraum bereitsteht, der gutverdienende Steuerzahler anzieht», entgegnet Felix Keller, Geschäftsleiter der Gewerbeverbände St.Gallen.

Die Fakten geben ihm recht: Die Einwohnerzahl der Stadt St.Gallen wächst in den vergangenen Jahren bekanntlich unterdurchschnittlich – und das trotz überdurchschnittlichem Wachstum der Arbeitsplätze. Allerdings entstehe dieses Wachstum gemäss Gewerbeverband vor allem in staatsnahen Branchen und nicht in der Privatwirtschaft. So entstehe ein unausgewogener Branchenmix. Fakt sei, dass die Stadt ihre Investitionen besser planen müsse.

Investitionen kritisch hinterfragen
«Dazu benötigt die Stadt St.Gallen neben sinnvollen Planungsinstrumenten eine regelmässige Überprüfung der Investitionen», ist Keller überzeugt. Um die Stadt nachhaltig finanziell zu stärken und somit auch die Steuerbelastung zu reduzieren, fordert der Gewerbeverband, dass der hängige Vorstoss des Stadtparlamentes in Bezug auf die Einführung eines Aufgaben- und Finanzplanes zeitnah umgesetzt und mit der Einführung des Harmonisierten Rechnungsmodells (HRM2) ein Leistungsgruppenbudget eingeführt wird.

«Im Weiteren müssen kommende Investitionen kritisch hinterfragt werden. Kosten/Nutzen-Denken muss vermehrt Einzug finden. Strategische Investitionen für unsere Stadt müssen nach wie vor Platz haben. Zudem muss die Belastung der Haushalte durch städtische Abgaben deutlich reduziert werden, damit der Standortvorteil insgesamt besser zum Tragen kommt. Die Gebühren sind strikte nach dem Verursacher- und dem Äquivalenzprinzip auszugestalten», so Keller weiter. Mit anderen Worten: Durch eine Steuersenkung würde St.Gallen einen Vorteil gewinnen.

Mit zur Lösung dieses Problems beitragen könne ein Sinneswandel in der Politik. Dabei spielt der Gewerbeverband auf die politischen Kräfte im St.Galler Stadtrat und im Stadtparlament an. Was aber, wenn dieser Sinneswandel nicht stattfindet? «Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen», sagt Felix Keller. «Aber: Weitere Steuererhöhungen wären wohl die Konsequenz. Dies wollen wir auf jeden Fall verhindern.»

 

Dieser Text ist aus der LEADER Ausgabe September. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch.

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