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Stadt St.Gallen
07.06.2024
12.06.2024 16:02 Uhr

Eichen für den Katastrophenfall

Missive der Konstanzer zur nachhaltigen Verwendung von Eichenholz
Missive der Konstanzer zur nachhaltigen Verwendung von Eichenholz Bild: StadtASG Missive 88
Das Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde hat den Briefverkehr («Missiven») der Stadt St.Gallen von 1400 bis 1650 digital erfasst. Als «Missive des Monats» stellen wir Ihnen jeden ersten Freitag im Monat ein besonders interessantes Schriftstück vor. Heute: Warum Eichen besonders wertvoll waren.

Eichenholz ist bekannt als robustes Baumaterial. Das war schon im Mittelalter so. Umso mehr musste dieser Ressource überregional Sorge getragen werden. Vor diesem Hintergrund baten Bürgermeister und Rat von Konstanz in einem Brief vom 19. März 1437 die St.Galler um die Teilnahme an einer Zusammenkunft am Ostermittwoch gleichen Jahres. Dabei sollte über das Schlagen von Eichenholz beraten werden. Wenn zu viele Eichen unnütz verwendet und nicht wieder aufgeforstet würden, fehle dieses Holz für einen Wiederaufbau nach Kriegen oder Feuersbrünsten.

Ihre Bitte untermauerten die Konstanzer damit, dass ihnen bekannt sei, dass das städtische Heiliggeistspital St.Gallen sowie Bürger wie Konrad Hör, Hans Gnäpser sowie Hug von Watt und andere viele Eichenwälder hätten. Die Konstanzer baten die St.Galler, das Problem im Stadtrat zu behandeln und eine Gesandtschaft an die Zusammenkunft zu senden.

Dass die Anfrage an St.Gallen gerichtet wurde, erstaunt nicht. Die Konstanzer gingen wohl davon aus, dass man nicht nur in Konstanz, sondern auch in St.Gallen Erfahrung mit dem Wiederaufbau einer Stadt nach einer Katastrophe hatte. In Konstanz war bei einem Brand vom 29. Januar 1398 die ganze Vorstadt Stadelhofen zerstört worden. Und in der Innenstadt waren die Neugasse, die Rosgartenstrasse und die Marktstätte mitsamt dem Heiliggeistspital ein Raub der Flammen geworden. Diesem Grossbrand in Konstanz waren solche von 1314, 1350 und 1387 vorausgegangen.

Mit dieser Missive vom 24. Dezember 1793 machte ein Herr Kurtz aus Stuttgart Werbung für einen Löschwagen, den er erfunden hatte Bild: StadtASG, Missive vom 24. Dezember 1793

Dieselben Katastrophen hatte auch St.Gallen erlebt. Der letzte von drei Totalbränden – der erste am 2. Mai 1215, der zweite am 23. Oktober 1314 – war am 20. April 1418 erfolgt. In einer Urkunde wird berichtet, dass die Stadt bis auf 14 Häuser im Gebiet des heutigen Gallusplatzes zerstört worden war. 26 Menschen sollen bei diesem letzten Totalbrand von 1418 ihr Leben verloren haben.

Auch die Vorstadt mit der Kirche St.Mangen und dem Kloster St.Katharinen waren betroffen. Beim Wiederaufbau wurde die St.Mangen-Vorstadt in die Ringmauer miteinbezogen. Auf dem abgebildeten Pergamentplan St.Gallens aus der Mitte des 17. Jahrhunderts ist diese mittelalterliche Vergrösserung der Stadt deutlich zu erkennen.

Pergamentplan der Stadt St.Gallen und Umland, um 1650 Bild: StadtASG, PlanA S2, 1f

Nach 1418 blieb St.Gallen wohl auch dank feuerpolizeilicher Massnahmen, unter anderem der Verwendung von Stein als Baumaterial, von Totalbränden verschont. Aufgrund der seit 1419 in Heften des Stadtarchivs der Ortsbürgergemeinde erhaltenen städtischen Bauausgaben wissen wir allerdings, dass es trotz aller feuerpolizeilicher Bedenken nicht zu einer «Versteinerung» St.Gallens kam.

Zumindest die wichtigsten öffentlichen Gebäude – Rathaus, Kornhaus, Spisertor oder Irertor – waren weiterhin keine reinen Steinbauten. Für diese repräsentativen Bauten wurde wohl viel Eichenholz verwendet. Für solche Fälle musste man mit Eichenwäldern gerüstet sein.

Die erwähnte Missive Nr. 88 ist abrufbar unter: missiven.stadtarchiv.ch

Literatur

  • Ehrenzeller, Ernst: Geschichte der Stadt St.Gallen, St.Gallen 1988.
  • Guggenheimer Dorothee: Personalzeitung der Ortsbürgergemeinde St.Gallen, Nrn. 2/2023; 3/2023, 4/2023, S. 8–9.
  • Maurer, Helmut: Konstanz im Mittelalter. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Konzil, Konstanz 1989.
  • Sonderegger, Stefan. Wiederaufbau 1419, in: St.Galler Tagblatt, 11. Mai 2009.
  • Sutter, Claudia: Aus dem Stadtarchiv, in: Im grünen Ring. 3/2013, S. 6–7.

Einen interessanten Beitrag von Stefan Sonderegger über den Wiederaufbau in St.Gallen nach dem Stadtbrand von 1418 finden Sie im Link unten:

Stefan Sonderegger
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