Das Grossprojekt «Neue Orgel für St.Laurenzen» begann vor elf Jahren. Dieses Frühjahr wurden nun die letzten Pfeifen montiert. Es waren die letzten Arbeitsschritte zur Vollendung einer Weltpremiere: eine 3D-Surround-Orgel. Vom 19. Bis 21. April feiert die Kirche St.Laurenzen mit einem vielseitigen Festival die Inbetriebnahme dieses einzigartigen Instruments.
Und natürlich ist so ein komplexes Projekt «Chefsache». Simon Hebeisen ist seit 1998 Geschäftsführer der Orgelbau Goll AG aus Luzern – und derzeit häufig in der St.Laurenzen-Kirche anzutreffen. Bernhard Ruchti hat ihm während seines jüngsten Besuchs ein paar Fragen gestellt.
Herr Hebeisen, das Wichtigste gleich zu Beginn: Wird die Orgel rechtzeitig fertig?
Wir geben uns Mühe. (lacht) Im Ernst: Es ist eine grosse Herausforderung. Auch, weil wir derzeit einige Personal-Engpässe kompensieren müssen. Aber wir haben uns so organisiert, dass der Grossteil bis Ostern erledigt war – die Arbeiten konzentrieren sich derzeit hauptsächlich auf die West-Empore. Bis zum Einweihungs-Festival werden dann auch die letzten Details fertig sein.
Was macht das Projekt in der St.Laurenzen speziell?
Die Individualität jeder Orgel wird durch drei Faktoren bestimmt: die räumlichen Verhältnisse, die personelle Situation und die stilistische Ausrichtung. Bei diesem Projekt sind alle diese Faktoren ausserordentlich. Schon die Ausgangslage war nicht alltäglich. Es gab bereits ein grosses Instrument, das man nicht nur revidieren, sondern aktualisieren – und dabei die alten Schwachstellen ausmerzen – wollte.
Dazu kommt die Idee der drei zusätzlichen Emporen-Standorte, und alles mit einer zentralen Steuerung bzw. einem neuen mobilen Spieltisch. Insbesondere die Zuordnung der Klangfarben auf die drei neuen Standorte entsprechend den wichtigsten Pfeifen-Familien (Principale im Westen, Flöten im Süden und Streicher im Norden) ist in dieser Art meines Wissens noch nie umgesetzt worden.
Wie gefällt Ihnen denn das Klangerlebnis?
Ohne mir selber auf die Schulter klopfen zu wollen: Ich bin sehr begeistert. Es ist ein wirklich aussergewöhnliches Erlebnis. Verantwortlich dafür sind zwei Hauptaspekte. Da ist einerseits die erstaunlich gute «Vermischung» der Klänge aller Pfeifenstandorte. Obwohl die Töne von vier unterschiedlichen Emporen stammen, stehen sie nicht in Konflikt zueinander.
Das hängt mit der ungefähr gleich grossen Entfernung zu den Zuhörern, aber auch mit der Akustik des Raums zusammen. Diese ist auch für den zweiten Aspekt wichtig: die Differenzierung des Ton-Ursprungs durch die Zuhörer. Man hört durchaus, von wo die Klänge kommen. Wird beispielsweise im Süden eine leise Melodie gespielt und vom Norden mit einer sanften Begleitung ergänzt, bekommt man ein echtes Surround-Feeling.
Also ist diese Kirche «wie gemacht» für so eine einzigartige Orgel?
Auf jeden Fall. Man könnte dieses Projekt auch nicht einfach 1:1 auf eine andere Kirche adaptieren. Gut möglich, dass die Akustik an einem anderen Ort überhaupt nicht passen würde.
Ihr Unternehmen existiert seit über 150 Jahren. Ich nehme an, eine solche Orgel hätte man zu den Gründungszeiten nicht bauen können.
Nein. Das ist erst seit wenigen Jahren möglich. Die ersten Orgeln, die an unsere heutigen erinnern, wurden vor rund 600 Jahren gebaut. Damals war natürlich alles rein mechanisch. Um die Jahrhundertwende kamen dann pneumatische Systeme dazu, und etwa ab 1930 gab es erste elektrische Signale bzw. Spieltische. Aber etwas so Komplexes wie hier ist nur dank Digitalisierung und Hochleistungssensoren möglich. Ich könnte ein Beispiel machen.
Nur zu.
Die Ansteuerung der Pfeifen ist «proportional». Das bedeutet: Das Ventil unter der Pfeife öffnet sich genauso schnell, wie die Taste beim Spieltisch gedrückt wird. Dafür misst ein Magnetfeld-Sensor über 1000 Mal pro Sekunde die Bewegung der Taste. Dieses Signal wird dann digitalisiert und via Lichtleiter-Kabel zu den Emporen geschickt. Wie gesagt: Vor 150 Jahren wäre das undenkbar gewesen.
Sie hätten bestimmt noch viele spannende Details zu erzählen. Aber wir wollen nicht vorgreifen: Schliesslich ist eine Orgel-Führung Teil des Festivals. Aber eine Frage hätten wir noch: Welches Stück würden Sie gerne auf der neuen Orgel hören?
Uff, schwierig. Ich glaube, ein Stück reicht eigentlich gar nicht, um die Vielfalt dieses Instruments wirklich zu zeigen. Aber ich habe einen Blick auf das Programm der Orgelkonzerte beim Eröffnungs-Festival geworfen und bin begeistert. Darauf freue ich mich sehr.