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Stadt St.Gallen
31.08.2020
01.09.2020 08:32 Uhr

Eine halbe Milliarde für die Stadtautobahn

Projektleiter Markus Weber vom Bundesamt für Strassen ASTRA
Projektleiter Markus Weber vom Bundesamt für Strassen ASTRA Bild: PD
Nach einer Betriebszeit von über 30 Jahren ist eine Gesamtinstandsetzung der St.Galler Stadtautobahn notwendig. Von 2021 bis 2027 saniert das Bundesamt für Strassen ASTRA das Stück zwischen Winkeln und Neudorf inklusive der Anschlüsse Kreuzbleiche und St.Fiden. Ein Verkehrschaos ist vorprogrammiert.

Text: Tanja Millius
Bild: Marlies Thurnheer

Die Autobahn A1 ist die wichtigste Verkehrsachse in der Stadt St.Gallen. Nur dank der Autobahn kann die Lebensqualität der Stadt erhalten werden, denn: Die Verkehrsinfrastruktur in St.Gallen ist bereits heute stark ausgelastet. Über 80 Prozent des Verkehrsaufkommens sind Ziel-, Quell- und Binnenverkehr für die Stadt, nur rund 20 Prozent ist Transitverkehr. Auf einzelnen Abschnitten der Autobahn wird während den Spitzenstunden die Kapazitätsgrenze erreicht respektive leicht überschritten.

Olma-Deckel
Klar ist: «Mit der Sanierung werden keine zusätzlichen Verkehrsflächen erstellt und die Leistungsfähigkeit der Strasse wird nicht erhöht. Mit den geplanten Unterhaltsmassnahmen kann ein sicherer Betrieb der Anlage für weitere 15 bis 20 Jahre gewährleistet werden», erklärt das ASTRA. Zusätzliche Verkehrsflächen sind frühestens ab 2040 möglich: Ein Jahrhundertprojekt sieht als Entlastung für den Stadtverkehr den Bau einer dritten Röhre für den Rosenbergtunnel sowie eine Teilspange vom Sitterviadukt in den Güterbahnhof und weiter in die Liebegg vor. Dazu braucht es aber die Zustimmung des Bundesparlamentes, das sich frühestens 2023 mit dem Projekt auseinandersetzt.

Parallel zur Sanierung der Stadtautobahn wird bis Mitte 2022 in Tag- und Nachtarbeit auch der «Olma-Deckel» erstellt, also die Überdeckung der Stadtautobahn bei St.Fiden. Weil in St.Gallen Bauland knapp ist, ist der Deckel die einzige Möglichkeit für die Olma Messen St.Gallen, ihr Areal zu erweitern und die geplante neue Halle 1 zu bauen. Der Rosenbergtunnel wird dazu um 180 Meter verlängert. Der Deckel kostet rund 42 Millionen Franken und wird von Olma, Stadt und Kanton St.Gallen getragen.

Wie die Stadtautobahn saniert wird
Mitte 2021 starten die ordentlichen Sanierungsarbeiten auf der Stadtautobahn. In Nachtarbeit werden dann Trassee und Fahrbahnen zwischen Winkeln und Sitterviadukt erneuert. 2022/2023 dehnt sich die Baustelle bis ins Neudorf aus. Spätestens dann wird auch tagsüber gearbeitet.

Bis 2027 werden im Tunnelbereich die beiden bestehenden Röhren während Nachtsperren sicherheitstechnisch auf den neusten Stand gebracht. Auf dem Trassee werden mehrere lärmarme Beläge eingebaut. Von 2024 bis 2026 werden die Tunnels Schoren und Rosenberg saniert, St.Fiden und Stephanshorn folgen später.

Die Sanierung der Stadtautobahn bringt also spätestens ab Mitte 2021 für Autofahrer und den öV diverse Geduldsproben mit sich. Projektleiter Markus Weber vom Bundesamt für Strassen ASTRA erklärt, wie der drohende Verkehrskollaps verhindert werden soll und der öV in der Innenstadt während den Sanierungsarbeiten attraktiv bleiben kann.

Markus Weber, wie stellt das ASTRA sicher, dass es nicht zum Verkehrskollaps kommt?
Das Bundesamt für Strassen ist bestrebt, die Kapazität der Stadtautobahn auch während den Bauarbeiten möglichst hochzuhalten. Tagsüber sollen jeweils zwei Spuren je Fahrtrichtung zur Verfügung stehen. Die Arbeiten in den Tunnels, die nur im Gegenverkehr und unter Sperrung einer Röhre durchgeführt werden können, sind in der Nacht geplant. Gemäss unseren Prognosen ist aber zu den Spitzenstunden eine Verkehrsreduktion um zehn Prozent oder rund 8100 Fahrzeuge notwendig, damit ein Kollaps abgewendet werden kann. Zusammen mit Kanton und Stadt St.Gallen wollen wir darum die Verkehrsteilnehmer dazu bewegen, auf Bus und Bahn umzusteigen.

Gerade Bus-, Bahn- und Postautobetreiber befürchten, dass der Verkehr zu Stosszeiten in die Innenstadt ausweicht und sie dadurch die Fahrzeiten nicht mehr einhalten können. Wie entkräften Sie diese Bedenken?
Zur Förderung des öV wird geprüft, wo Busse an neuralgischen Stellen auf ihrer Fahrt durch die Stadt bevorzugt werden können. Wenn wir aber keine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs erreichen können, nützen diese punktuellen Massnahmen wenig. Am Zielführendsten ist es, wenn Automobilisten wenn möglich auf den öffentlichen Verkehr ausweichen. Gelingt der Umsteigeeffekt, werden die Kapazitäten des öV je nach Bedarf erhöht.

Unser wichtigstes Instrument ist deshalb eine Informationskampagne. Mit Inseraten, Plakaten und anderen Kommunikationsmassnahmen wollen wir die Bevölkerung sensibilisieren. Mit der Kampagne richten wir uns auch an Unternehmen im Raum St.Gallen, um wirklich alle Direktbetroffenen erreichen zu können.

Wie realistisch ist diese Informationskampagne? Nicht jeder Arbeitnehmer kann die Arbeitszeiten selber wählen ...
Dass der Flexibilität bei den Arbeitszeiten zuweilen Grenzen gesetzt sind, ist uns bewusst. Da wir aber auch «nur» eine Verkehrsreduktion von zehn Prozent – wohlgemerkt zu Stosszeiten – fordern, halten wir dieses Ziel für realistisch. Wir hoffen diesbezüglich auch auf ein Entgegenkommen der Arbeitgeber. Da am Morgen und am Abend eine Stunde vor und nach der Spitzenstunde Reserven auf der Autobahn vorhanden sind, kann auch eine frühere Fahrt an den Arbeitsplatz respektive eine spätere Heimreise Teil der Lösung sein.

Derzeit befinden wir uns in der Coronakrise. Viele Pendler nehmen wenn möglich das Auto statt Bus und Bahn – das könnte auch noch nächstes Jahr nochmals zu mehr Verkehr auf der Stadtautobahn führen.
Bedingt durch die Coronakrise hat das ASTRA eine Verschiebung hin zum motorisierten Individualverkehr festgestellt. Aktuell ist kaum vorhersehbar, wie die Situation in einem Jahr aussehen wird. Gerade die letzten Monate haben aber gezeigt, wie gross die Bereitschaft für Verhaltensänderungen in der Gesellschaft ist. Das wird auch bei der Sanierung der Stadtautobahn nicht anders sein. Zudem wird die permanente Baustellenverkehrsführung erst Anfang 2022 eingerichtet. Wir hoffen, dass sich bis dahin die Situation normalisiert hat.

Hat das ASTRA Erfahrungen aus anderen Städten, auf die man bei der Sanierung der Stadtautobahn zurückgreifen kann?
Aktuell setzt die Infrastrukturfiliale Winterthur zwischen Zürich-Ost und Stadtzentrum Zürich das Projekt Einhausung Schwamendingen um. Die Bauarbeiten werden in dicht besiedeltem Gebiet durchgeführt; im Zuge der Sanierung des Schöneichtunnels müssen auch Tunnelröhren für den Verkehr gesperrt werden. Dies sogar tagsüber. Zudem sind auch die Erfahrungen aus der Gesamterneuerung Cityring Luzern (2009-2013) in die Planung für die kommende Instandsetzung der Stadtaubobahn St.Gallen eingeflossen. Bei diesen Projekten zeigt sich: Frühzeitige Information und Sensibilisierung sind die wichtigsten Mittel, um das Verständnis seitens der Verkehrsteilnehmer zu wecken.

Und was empfehlen Sie den St.Galler Automobilisten und öV-Nutzern konkret?
Im Zentrum unserer Infokampagne steht der Buntspecht Fredi Vogl. Ich empfehle ihnen also, was auch die Botschaft unserer Identifikationsfigur ist: «Gib dem Stau keine Chance, sondern mach etwas Besseres daraus!». Um den Verkehrskollaps zu verhindern, sind wir auf Unterstützung angewiesen. Dabei zählt jede Fahrt, die innerhalb der Stosszeiten vermieden wird.

Dieser Text ist aus dem LEADER-Fokus Mobilität 2020. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch.

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